Die Vorschläge der Union in der Migrationsfrage kommen bei Teilen der Bundesregierung nicht gut an. Auch im Ausland regt sich Widerstand.

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Die Bundesregierung prüft weiter, welche zusätzlichen Möglichkeiten zur Zurückweisung von irregulären Migranten an deutschen Grenzen rechtlich möglich wären. Für die vergangene Woche begonnenen Gespräche mit der Union zu Migrationsfragen sei Vertraulichkeit vereinbart worden, dies gelte auch für die Frage, was dazu genau geprüft werde, sagt eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums.

Union fordert Zurückweisungen an den Landesgrenzen

Die Unionsfraktion hat eine Ausweitung der Zurückweisungen zur Voraussetzung für eine Fortsetzung dieser Gespräche an diesem Dienstag gemacht. Was die Koalition hier für machbar hält, beabsichtigt das Ministerium vorher den Fachpolitikern der CDU/CSU mitzuteilen.

Zurückweisungen an deutschen Landgrenzen gibt es derzeit nur in bestimmten Fällen: wenn jemand mit einer Einreisesperre belegt ist oder kein Asyl beantragt. Seit Oktober sind laut Bundesinnenministerium mehr als 30.000 Menschen zurückgewiesen worden.

Mitte Oktober 2023 hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stationäre Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz angeordnet. An der deutsch-österreichischen Landgrenze gibt es solche Kontrollen, die mit der irregulären Migration begründet werden, bereits seit September 2015. Und Faeser legte jetzt noch einmal nach. Ab dem 16. September sollen zusätzliche Kontrollen an allen deutschen Landesgrenzen stattfinden. Dauer der Aktion soll sechs Monate sein. Als Gründe für die nun angeordneten Kontrollen genannt wurden neben der Begrenzung der irregulären Migration auch der Schutz der inneren Sicherheit vor aktuellen Bedrohungen durch den islamistischen Terrorismus und vor grenzüberschreitender Kriminalität.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge warf der Union vor, bei der Migrationsdebatte Vorschläge zu machen, die nicht umsetzbar sind. "Sie kümmern sich selber wirklich null darum, dass irgendetwas davon in der Realität umgesetzt werden kann", sagte die Co-Fraktionschefin. "So arbeitet man als Demokrat aus meiner Sicht nicht."

Söder Marke: Asylerstanträge weit unter 100.000

Der bayerische Ministerpräsident, Markus Söder, hatte am Wochenende im ARD-"Bericht aus Berlin" gesagt, mit den Forderungen der Union ließen sich die Flüchtlingszahlen "dramatisch und drastisch senken". Die Zahl der Asylerstanträge müsse "deutlich auf weit unter 100.000 auf Dauer reduziert werden, weil wir tatsächlich überfordert sind". Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, die Vorschläge des CSU-Chefs hätten oft "eine Halbwertzeit, die sehr, sehr kurz ist".

Verschärft hat sich die Debatte um irreguläre Migration und Abschiebungen auch aufgrund von mehreren Gewalttaten. In Solingen waren bei einem mutmaßlich islamistischen Messerattentat auf einem Stadtfest im August drei Menschen getötet und acht weitere verletzt worden. Ein 26-jähriger Syrer sitzt wegen der Tat in Untersuchungshaft. In Mannheim hatte Ende Mai ein Afghane fünf Mitglieder der islamkritischen Bewegung Pax Europa und einen Polizeibeamten mit einem Messer verletzt, der Polizist starb.

Grüne: Wir wollen Lösungen, keine Parolen

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, man dürfe sich jetzt "nicht kirre machen lassen von denjenigen, die uns jetzt vorgaukeln, dass der Nationalstaat irgendwas in Europa alleine besser regeln könnte". Die Bundesregierung habe in jahrelangen Verhandlungen alles dafür gegeben, "dass wir in Europa ein gemeinsames europäisches Asylsystem auf den Weg bringen", erklärte sie mit Blick auf die Einigung über eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die Reform sieht unter anderem vor, dass Schutzersuchen von Menschen aus Staaten mit niedriger Anerkennungsquote bereits an den EU-Außengrenzen geprüft werden sollen.

Die Grünen seien bereit, sich in Gesprächen zu Migrationsfragen zu bewegen, sagte der Parteivorsitzende Omid Nouripour. Jedoch müssten die dabei besprochenen Vorschläge aber rechtens, machbar und wirksam" sein. "Wir wollen keine Parolen produzieren, sondern Lösungen."

FDP hält weitreichende Änderungen für notwendig

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte nach einer Präsidiumssitzung seiner Partei: "Wir brauchen eine grundlegende Neuordnung der Migrationspolitik in Deutschland." Dabei dürfe es keine Denkverbote geben. "Ändert sich die Migrationspolitik nicht, wird die Demokratie einen enormen Schaden bekommen", mahnte Djir-Sarai.

Niemand dürfe eine Wende in der Migrationspolitik blockieren. Was tatsächlich möglich sei, habe zuletzt die Abschiebung von Straftätern in einem Flugzeug nach Afghanistan gezeigt. "Wo ein politischer Wille vorhanden ist, da gibt es auch Wege", sagte er. "Bis jetzt hieß es immer: Das geht nicht, das funktioniert nicht. Und plötzlich erkennen wir Wege tatsächlich, wo das Ganze ermöglicht wird."

Österreich schiebt schon Riegel vor

Bevor überhaupt die Forderung der Union nach Zurückweisungen endgültig in Regierungskreisen ausdiskutiert wurde, äußerte sich jetzt schon der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zu den Plänen. "Österreich wird keine Personen entgegennehmen, die aus Deutschland zurückgewiesen werden. Da gibt es keinen Spielraum", sagte er der "Bild". Das sei geltendes Recht, fuhr er fort. Er habe bereits Maßnahmen eingeleitet. "Ich habe den Bundespolizeidirektor deshalb angewiesen, keine Übernahmen durchzuführen", so Karner deutlich.

Laut Dublin-Verordnung müssen Asylsuchende in dem EU-Land einen Asyl-Antrag stellen, in dem sie erstmals europäischen Boden betreten haben. Häufig würden die betroffenen Personen jedoch weiterreisen. Um sie wieder in das ursprüngliche EU-Land zurückzuschicken, bräuchte es allerdings ein formelles Verfahren. Sie einfach an der Grenze abzuweisen, wäre nicht erlaubt. Deshalb: "Österreich nimmt daher keine aus Deutschland zurückgewiesenen Personen entgegen."

Verwendete Quellen:

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