- In einer Rede zur Lage der Nation betont Joe Biden seine Entschlossenheit, die amerikanische Wirtschaft zu stärken.
- In Europa hört man diese Worte mit Sorge.
- Denn dort befürchtet man ohnehin schon, dass die USA sich wirtschaftlich abschotten könnten.
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Denn Sätze des Demokraten wie: "Ich werde international dafür kritisiert, dass ich mich zu sehr auf Amerika konzentriere. Zum Teufel damit", weckten Erinnerungen an den einen Slogan, den Donald Trump während seiner Amtszeit propagierte wie keinen anderen. "America First".
In der Vergangenheit ließ Joe Biden kaum ein gutes Haar an Donald Trump, dessen Devise scheint er nun aber seiner erklärten innenpolitischen Strategie zu machen. Er werde dafür kritisiert, dass er auf amerikanische Produkte setze. Aber er werde sich dafür nicht entschuldigen. "Wir werden sicherstellen, dass die Lieferkette für Amerika in Amerika beginnt. Die Lieferkette beginnt in Amerika."
Bidens Aussagen nähren Sorgen in Europa
Mit seinen Aussagen weckte Biden aber nicht nur Erinnerungen an Trump, sondern schürte vor allem Sorgen in Europa. Denn dort fürchten Politiker, dass sich die USA zunehmend wirtschaftlich vom "alten Kontinent" abschirmen könnten.
Der stellvertretende FDP-Chef Johannes Vogel warnte etwa am Mittwoch vor einem Subventionswettlauf gegen die USA. Notwendig sei vielmehr ein "Impuls für den Freihandel", wie er in der RTL/ntv-Sendung "Frühstart" sagte.
Und sein Parteikollege und Transatlantik-Koordinator Michael Link betonte im Deutschlandfunk, man müsse "in den USA deutlich machen, dass wir erwarten, dass sie bei aller Stärkung ihrer Wirtschaft nicht auf Abschottung setzen".
Zusammen mit China gehören die USA zu den wichtigsten Handelspartnern Europas. Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft stellen die Vereinigten Staaten sogar den wichtigsten Absatzmarkt dar. Und die wirtschaftliche Bedeutung der USA ist in der jüngsten Vergangenheit sogar noch gewachsen.
Denn angesichts einer möglichen Invasion Chinas in Taiwan und den politischen Konsequenzen, die daraus entstehen würden, haben Bestrebungen sich wirtschaftlich unabhängiger von Peking machen zu wollen zuletzt an Bedeutung gewonnen.
IRA-Gesetz könnte europäische Firmen benachteiligen
Derzeit sorgt allerdings der amerikanische "Inflation Reduction Act" (IRA) Politikern in Europa für Sorgenfalten. Das bereits beschlossene Gesetz umfasst eine Fülle von Maßnahmen, die nach Schätzungen der US-Regierung das Staatsdefizit um mehr als 300 Milliarden Dollar verringern könnte. Das soll auch die Inflation im Land ausbremsen.
Die USA wollen mittels dem IRA auch Milliarden in den Klimaschutz stecken, eine Maßnahme die Europa an sich begrüßt. Nur sieht das Gesetz dabei vor, viele Subventionen und Steuergutschriften daran zu knüpfen, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder selbst in den USA produzieren. In Europa befürchtet man deshalb Nachteile für heimische Unternehmen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck war deshalb zuletzt zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire auf einer Mission, um in Washington für Verständnis für die Sichtweise und Sorgen Europas zu werben.
Zwar kehrten die beiden von ihrer US-Reise ohne konkrete Zusagen der USA zurück, dennoch gab sich
Habeck und USA wollen keinen Subventionswettlauf
Im Grunde sei das IRA-Gesetz mit seinem Willen zum Klimaschutz ja eine gute Sache, von der auch europäische Firmen profitierten. "Das ist hoch willkommen." Aber an einigen Stellen würden amerikanische Firmen und Standorte eben bevorzugt, und darüber wolle man weiterhin sprechen, um "diese Kühe, diese letzten Kühe ebenfalls vom Eis zu bekommen", sagte Habeck. Man sei sich einig gewesen, dass man nicht Gefahr laufen dürfe, in einen Subventionswettlauf zu geraten.
Bidens Rede lässt nun aber Zweifel daran aufkommen, wie sehr sich Europa und die USA in dieser Frage tatsächlich annähern können. Die Ankündigung die in den USA ansässige Industrie noch stärker zu unterstützen und noch mehr auf das Prinzip "Made in America" zu setzen, dürften die Sorgen der Europäer eher befeuern als zerstreuen.
Der wirtschaftsprotektionistische Grundton, den Biden in seiner Rede immer wieder anklingen ließ, könnte aber auch seiner Strategie für die Präsidentschaftswahl 2024 geschuldet sein. Ob Biden überhaupt erneut kandidiert, hat er noch nicht gesagt. Doch viele halten die Ankündigung nur noch für eine Formalität.
Hinweise darauf fanden sich auch in der Rede. Er sei etwa angetreten, um die Seele der Nation wiederherzustellen und das Land zu einen, erklärte Biden. Das alles wolle er "zu Ende bringen". Die wiederholte Betonung, dass er "die Aufgabe zu Ende bringen" will, lässt sich durchaus als versteckter Hinweis auf eine erneute Kandidatur lesen.
Schlechte Umfragewerte für Joe Biden
Im Weg könnte ihm dabei aber die öffentliche Wahrnehmung stehen. Denn in der Bevölkerung blickt man auf seine bisherige Zeit im Amt nicht unbedingt als Erfolgsgeschichte.
In einer Umfrage der Zeitung "Washington Post" und des Senders ABC gaben kürzlich 62 Prozent der Amerikaner an, Biden habe "nicht sehr viel" beziehungsweise "wenig oder nichts" erreicht in seiner bisherigen Präsidentschaft. 62 Prozent der Bevölkerung sagten, sie wären "unzufrieden" oder "wütend", falls Biden 2024 noch mal gewählt würde.
In einer Umfrage der amerikanischen Nachrichtenagentur "Associated Press" (AP) und des Sozialforschungsinstituts "National Opinion Research Center" (NORC), sprachen sich jüngst sogar nur 22 Prozent der Bürgerinnen und Bürger für eine erneute Kandidatur Bidens aus. Und auch unter den Demokraten kommt er nur auf einen Zustimmungswert von 37 Prozent.
"Made in America"-Ansage als Wahlkampf-Manöver?
Dass sich Biden in seiner Rede nun vor allem auf innenpolitische Aspekte konzentrierte und dabei nicht mit volksnahen Versprechen sparte, könnte deshalb auch primär darauf abzielen, sich für den Wahlkampf in Stellung zu bringen.
Denn Ankündigungen, wie die heimische Wirtschaft zu stärken und das Rückgrat Amerikas, die Mittelschicht, wieder aufzubauen, könnten ihm in der Bevölkerung einen Sympathiebonus einbringen. Ob diese dann tatsächlich - und wenn ja wie stark - zu einer wirtschaftlichen Abschottung von Europa führen, wäre mit Blick auf den Wahlkampf zunächst eher nebensächlich.
Zudem blieb Biden vage, was der künftig stärkere Fokus auf "Made in Amerika" tatsächlich bedeutet. Abseits der Ankündigung die Herstellung von Baumaterial für vom Bund geförderte Infrastrukturprojekte in den USA vorantreiben zu wollen, damit "amerikanische Straßen, Brücken und Autobahnen mit amerikanischen Produkten gebaut" würden, verriet er keine Details zu seinen Plänen.
Europa hat noch Zeit, um Kompromisse auszuhandeln
In Bezug auf das IRA-Gesetz wehrte sich Biden in der Vergangenheit zwar auch immer wieder gegen Kritik, reichten den Europäern aber auch immer wieder die Hand. In den USA werden derzeit auch noch die genauen Anwendungsregeln für den IRA ausgehandelt, wie Habeck erklärte.
Das erklärte Ziel der Europäer ist dabei, den Prozess so zu beeinflussen, dass diese Regeln für die eigene Wirtschaft möglichst günstig ausfallen. "Ein paar Monate" Zeit habe man dafür laut Habeck noch.
Verwendete Quellen:
- Agence France-Presse (afp)
- Deutsche Presse-Agentur (dpa)
- Homepage des Europäischen Parlaments
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