Wie sollte Europa mit dem nächsten US-Präsidenten Donald Trump umgehen? Vor allem selbstbewusst, sagt der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Ein Gespräch über europäische Sicherheit, Transatlantiker in der neuen US-Regierung und die "nützlichen Idioten" von Elon Musk.
Donald Trump ist zurück. Am 20. Januar wird der Republikaner zum zweiten Mal als Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Für Deutschland und Europa könnten turbulente Zeiten anbrechen: Trump hat zuletzt am transatlantischen Verteidigungsbündnis Nato gezweifelt, die militärische Unterstützung der Ukraine in Frage gestellt und gedroht, Grönland unter amerikanische Kontrolle zu zwingen.
Aus Sicht des CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Röttgen muss Europa deshalb jetzt vor allem Stärke und Gemeinsinn zeigen.
Herr Röttgen, muss Europa Angst haben vor einem US-Präsidenten
Das ist seit Monaten immer wieder zu hören: Europa muss sicherheitspolitisch auf eigenen Füßen stehen. Die Frage ist, ob die Staaten diesen Vorsatz wirklich umsetzen können.
Das stimmt. Ich gehöre selbst zu denjenigen, die schon lange immer wieder mehr europäisches Engagement und Selbstständigkeit gefordert haben. Aber zumindest in Westeuropa ist das nicht ernst genug genommen und nicht umgesetzt worden. Trump wird europäische Untätigkeit nicht tolerieren. Darum wäre es eine grobe Verletzung unserer eigenen Interessen, wenn wir nicht wenigstens jetzt mehr für unsere eigene Sicherheit tun. Das Bündnis mit den USA wird nur dann bestehen, wenn europäische Sicherheit endlich in erster Linie europäisch wird.
Was heißt das konkret?
Wenn wir unsere Sicherheit selbst herstellen wollen, dann wird das von uns sehr viel mehr Ausgaben in diesem Bereich verlangen. Wir haben nicht viel Zeit. Denn der russische Krieg gegen die Ukraine geht weiter, weil Putin ihn weiter und anhaltend brutal führt. Gleichzeitig müssen wir davon ausgehen, dass es keine nennenswerte militärische und finanzielle Hilfe für die Ukraine mehr aus den USA geben wird. Es liegt also an uns, die Ukraine so zu unterstützen, dass sie sich gegen Russland verteidigen kann.
Trump hat angekündigt, den Konflikt zu lösen. Mal angenommen, es gelingt ihm womöglich mit Druck, die Ukraine und Russland an einen Tisch zu bringen: Der nichtpopulistische Westen stünde blamiert da, wenn ausgerechnet der Populist Trump nach fast drei Jahren den Frieden ermöglicht.
Wenn das Ergebnis eines Trump-Deals wäre, dass es Sicherheit für die Ukraine und damit für ganz Europa gibt, dann wäre keiner blamiert. Das wäre großartig und ein historischer Erfolg. Die Frage ist aber, ob Trump das schaffen kann. Es hat seit Beginn der russischen Invasion noch nie an der Ukraine oder am Westen gelegen, dass der Krieg nicht beendet wurde. Wir haben das immer gewollt. Aber Putin ist entschlossen, diesen Krieg zu führen. Die entscheidende Frage ist daher, ob Trump Putin dazu bringen kann, erstens den Krieg zu beenden und zweitens die Souveränität der Ukraine zu akzeptieren.
Was glauben Sie?
In dem Augenblick, in dem Trump solche Gespräche mit Putin beginnt, hat er sich selbst unter Erfolgsdruck gesetzt. Alles hängt dann von Putin ab, denn Trump wird nicht mit leeren Händen nach Hause kommen wollen. Wenn er unter Erfolgsdruck steht, besteht die Gefahr, dass er Bedingungen von Putin akzeptiert, die nicht im Sinne der ukrainischen Sicherheit und ganz Europas sind.
Trump scheint unberechenbar zu sein. Wie sollten Politikerinnen und Politiker ihm aus Ihrer Sicht entgegentreten?
Wir können und müssen selbstbewusst sein. Es ist fundamental in unserem Interesse, das transatlantische Bündnis zu erhalten. Dafür müssen wir deutlich machen, dass wir für die europäische Sicherheit mehr leisten und im Bündnis eine aktivere Rolle spielen werden. Wir sollten weder permanent die Konfrontation suchen, noch sollten wir kuschen und betteln. Je stärker und geeinter Europa nach außen auftritt, desto mehr Eindruck macht es.
Bis schindet vor allem Trump Eindruck. Etwa indem er Grönland den USA einverleiben will. Wie ernst muss man so etwas nehmen?
Was er sagt, sollte man schon aus dem Grund ernst nehmen, dass er bald das mächtigste Amt der Welt bekleidet. Allerdings scheint bei Trump auch ein Muster dahinterzustecken. Er stellt Maximalforderungen auf, er provoziert, er schockiert sogar und bringt so Dinge in Bewegung, ohne dass es sich bei jeder Forderung um eine tatsächliche Ankündigung oder ein durchdachtes Politikkonzept handelt.
Trump wird nicht alleine regieren. Gibt es in seiner Administration überhaupt Menschen, denen etwas am amerikanisch-europäischen Bündnis liegt?
Der designierte Außenminister Marco Rubio ist ein überzeugter Transatlantiker. Das Gleiche gilt für Trumps zukünftigen Sicherheitsberater Mike Waltz und seinen Ukraine-Beauftragten, den früheren General Keith Kellogg. Gerade in Trumps außen- und sicherheitspolitischem Team sind Transatlantiker zu finden, und übrigens auch bei den Republikanern im Kongress.
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Es gibt in Trumps Umfeld allerdings auch die – vorsichtig ausgedrückt – schillernden Figuren. Allen voran
Das ist zumindest eine bemerkenswerte Mahnung von einem Mann, der 50 Jahre in der amerikanischen Politik gearbeitet und dem Land gedient hat. In den vergangenen Wochen ist deutlich geworden, wie sich große wirtschaftliche und zum Teil auch publizistische Macht mit staatlicher Macht verbunden hat. Wie im Fall von Elon Musk oder auch Mark Zuckerberg, der sich der Trump-Administration zumindest angedient hat. Das ist für die USA ein neues Phänomen. Es stellt eine bedenkliche Ballung von Macht und eine grundlegende Veränderung der demokratischen Auseinandersetzung dar. Es hat auch nach außen einen Effekt, wenn Musk gezielt zur Wahl von extremistischen Parteien in Deutschland und Großbritannien aufruft.
Aus Deutschland werden auch AfD-Abgeordnete zur Amtseinführung von Donald Trump reisen. Entsteht da so etwas wie eine neue transatlantische Achse der Rechtspopulisten?
Die AfD war bisher ausgesprochen antiamerikanisch, dafür aber pro-Putin und chinafreundlich. Das passt nicht unbedingt zur Trump-Administration. Bei Elon Musk ist die Sache vielleicht anders. Musk geht in seiner Mission offenbar deutlich über Amerika hinaus. Er interessiert sich sehr für Europa, wo er den demokratischen Rechtsstaat für einen Störfaktor hält. Darum sucht er sich Parteien, die destabilisierend wirken. Alice Weidel in Deutschland und Nigel Farage in Großbritannien sind die nützlichen Idioten von Musk, die er fallen lässt, sobald sie einmal nicht nach seiner Pfeife tanzen. Für unsere Demokratie ist das ein ernster Fall.
Über den Gesprächspartner
- Der CDU-Politiker und Jurist Dr. Norbert Röttgen wurde 1965 in Meckenheim (Nordrhein-Westfalen) geboren und sitzt seit 1994 im Bundestag. Von Oktober 2009 bis Mai 2012 war er Bundesumweltminister unter Angela Merkel. Von 2014 bis 2021 war er Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, dem er aktuell als ordentliches Mitglied angehört.
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