In keinem Land in Europa sind so viele US-Soldaten stationiert wie in Deutschland. Doch das könnte sich bald ändern: Die USA drohen mit einem Teilabzug ihrer Truppen. US-Präsident Donald Trump ist verärgert darüber, dass Deutschland aus seiner Sicht immer noch zu wenig für Verteidigung ausgibt. Das löst in der Koalition Empörung aus - aber auch Verständnis.
Kurz vor den geplanten Europa-Reisen von US-Präsident
In der großen Koalition löste die Äußerung geteilte Reaktionen aus. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider sprach von einer "Feldherrenpose" des Botschafters. "Deutschland lässt sich nicht erpressen", sagte er dem "Spiegel". Die Union zeigte dagegen Verständnis für die US-Verärgerung.
"Dumme Abkommen" mit anderen Ländern
US-Präsident Donald Trump allerdings wich der Frage nach einem drohenden Teilabzug aus Deutschland am Freitag aus. Auf die Frage nach einer Verlegung von Soldaten nach Polen sagte Trump, Polen sei ein enger Freund der Vereinigten Staaten. Zudem habe Warschau angeboten, auf eigene Kosten einen Stützpunkt für die US-Truppen zu bauen. «Sie haben angeboten, für unsere Truppen und vieles andere zu zahlen. So sollte es auch sein», sagte er im Weißen Haus. Das sei etwas ganz anderes als die «dummen Abkommen» mit anderen Ländern, die die USA nur «ausnutzten».
Trump hatte eine Verlegung von Deutschland nach Polen im Juni bei einem Besuch des polnischen Präsidenten Andrzej Duda in Washington ins Spiel gebracht. Vor seinem Polen-Besuch Ende August könnte die Ankündigung nun konkreter werden. Bereits am Donnerstag twitterte die US-Botschafterin in Polen, Georgette Mosbacher: «Polen erfüllt seine Zahlungsverpflichtung von zwei Prozent des BIP gegenüber der Nato. Deutschland tut das nicht. Wir würden es begrüßen, wenn die amerikanischen Truppen in Deutschland nach Polen kämen.»
Grenell pflichtete ihr bei. «Präsident Trump hat Recht und Georgette Mosbacher hat Recht», sagte er. «Zahlreiche Präsidenten haben die größte Volkswirtschaft Europas gebeten, für ihre eigene Verteidigung zu zahlen. Das ist eine Bitte, die sich über viele Jahre und viele Regierungen hingezogen hat.» Nun sei man an dem Punkt angelangt, an dem die Amerikaner und der US-Präsident reagieren müssten.
Die Bedeutung von Ramstein und Grafenwöhr
Deutschland ist das Land, in dem mit Abstand die meisten US-Truppen in Europa stationiert sind. Und nach Japan ist es der zweitgrößte Auslandsstandort der US-Streitkräfte überhaupt. Die Kommandozentralen für die US-Truppen in Europa und Afrika sind in Stuttgart, der wichtigste Luftwaffenstützpunkt der USA im rheinland-pfälzischen Ramstein und einer der größten Truppenübungsplätze Europas im bayerischen Grafenwöhr.
Insgesamt sind 35 000 US-Soldaten in Deutschland. Hinzu kommen 17 000 amerikanische und 12 000 deutsche Zivilisten, die von den US-Truppen beschäftigt werden. Zehntausende weitere Arbeitsplätze hängen von den amerikanischen Streitkräften ab.
Gerüchte über eine Truppenreduzierung aus Verärgerung über die deutschen Militärausgaben gibt es schon länger. Sie waren aber zunächst dementiert worden. Grenell kündigte im September sogar noch eine Aufstockung um 1500 Soldaten an. Inzwischen scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Derzeit ist die Verlegung von 1000 bis 2000 Soldaten im Gespräch.
Deutschland hinkt den Plänen hinterher
Immer offensiver werden die deutschen Verteidigungsausgaben als Grund für einen möglichen Truppenabzug ins Spiel gebracht. Deutschland liegt trotz eines deutlichen Zuwachses in den vergangenen Jahren mit 1,36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr weit unter dem Nato-Ziel von zwei Prozent. Bis 2024 will die Bundesregierung zwar 1,5 Prozent erreichen. An der mittelfristigen Finanzplanung ist das aber nicht abzulesen. Dort stehen für 2023 nur 1,24 Prozent.
Aktuell sind die Amerikaner zudem verärgert über das klare Nein Deutschlands zu einer Beteiligung an der US-Militärmission zum Schutz von Handelsschiffen vor iranischen Angriffen im Persischen Golf. Auch die US-Bitte um Bodentruppen für den Anti-IS-Kampf in Syrien wurde prompt abgeschlagen. Ob die «Tornado»-Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr in Jordanien stationiert bleiben, ist unklar, weil sich die SPD dagegen wehrt.
In der Union wächst inzwischen die Sorge um das transatlantische Verhältnis. «Die US-Kritik ist bekannt und berechtigt», sagt der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef Johann Wadephul der dpa. «Deutschland hat sich gegenüber dem gesamten Bündnis zu deutlich höheren Verteidigungsanstrengungen verpflichtet.» Zu dem von den USA angedrohten Truppenabzug aus Deutschland äußerte sich Wadephul dagegen kritisch. Militärisch-strategisch sei es «kaum sinnvoll» die US-Truppen weiter nach Osten zu verlegen. Wadephul verwies darauf, dass die Nato unter US-Beteiligung gerade in Ulm ein neues Kommandozentrum aufbaue.
FDP und Grüne kritisierten den Umgang des wichtigsten Nato-Partners mit Deutschland scharf. «US-Außenpolitik reduziert sich unter Trump auf Drohungen und die Erwartung bedingungsloser Gefolgschaft statt Partnerschaft», sagte der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin. Der FDP-Außenexperte Alexander Graf Lambsdorff sagte, es sei «kein guter Umgang miteinander, die Interessen von Alliierten gegeneinander auszuspielen».
Im großen Bogen um Deutschland herum
Bezeichnend für das angeschlagene Verhältnis zwischen den USA und Deutschland sind Trumps Europa-Reisepläne Ende August und Anfang September. Der US-Präsident reist am 24. August zunächst zum G7-Gipfel in den französischen Badeort Biarritz, wo er auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) treffen wird. Kurz darauf macht Trump wieder einmal einen Bogen um Deutschland: Vom 31. August bis zum 3. September besucht er mit Dänemark und Polen zwei Länder, die in zentralen Streitfragen mit Deutschland auf der Seite der USA stehen. Das gilt vor allem für die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zwischen Deutschland und Russland.
In Deutschland hat Trump in den zweieinhalb Jahren seit Amtsantritt noch keinen bilateralen Besuch absolviert. Er kam lediglich 2017 zum G20-Gipfel nach Hamburg und machte 2018 auf dem Rückweg von seinem Weihnachtsbesuch im Irak einen Zwischenstopp auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein.
Gemeinsames Gedenken in Polen
In Frankreich und Großbritannien war er dagegen schon je zwei Mal und auch in Polen wird er vom 31. August bis zum 2. September zum zweiten Mal sein. Am 1. September gedenkt er in Warschau zusammen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier des deutschen Angriffs auf Polen, mit dem vor 80 Jahren der Zweite Weltkrieg begann.
In den politischen Gesprächen Trumps in Polen dürfte die von der dortigen Regierung sehnlichst erwartete Stationierung von US-Truppen konkretisiert werden. Gut möglich, dass es dann auch schon eine Ansage gibt, von wo die Truppen dorthin verschoben werden sollen. (best/dpa)
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