- In diesem Sommer können die Deutschen für neun Euro pro Monat bundesweit Busse und Bahnen benutzen.
- Die Linke fordert eine Verlängerung des Neun-Euro-Tickets bis zum Ende des Jahres.
- Teile der Ampel-Koalition und die Union betonen dagegen: Zunächst muss das Geld in ein besseres Angebot des ÖPNV investiert werden.
Rund 30 Millionen Menschen haben im Juni das Neun-Euro-Ticket für Busse und Bahnen genutzt. Für manche ist das ein kleines Sommermärchen, das die Linke am liebsten in Herbst und Winter ausdehnen möchte. Das Angebot müsse bis zum Jahresende verlängert werden, sagte die Parteivorsitzende
Auch viele Bürgerinnen und Bürger haben Gefallen an dem günstigen Fahrschein gefunden. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap im Auftrag der ARD sind 63 Prozent der Deutschen für eine Verlängerung des Angebots.
Im Juni 21 Millionen Mal verkauft
Das Neun-Euro-Ticket gehört wie Tankrabatt und Energiepauschale zum Entlastungspaket der Ampel-Regierung von Ende März. Es galt beziehungsweise gilt jeweils im Juni, Juli und August. Käuferinnen und Käufer können damit in ganz Deutschland Busse, Straßenbahnen und Regionalzüge (allerdings keine IC- und ICE-Züge) nutzen. Das Angebot macht das Bus- und Bahnfahren nicht nur günstiger, sondern auch deutlich einfacher: Weil das bundesweit gültige Ticket die Kleinstaaterei der Verkehrsverbünde überwindet.
Dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufolge wurden im Juni 21 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft. Hinzu kommen rund zehn Millionen Tickets, die bisherige ÖPNV-Abonnenten automatisch enthalten. Damit nutzten im vergangenen Monat mehr als 30 Millionen Menschen in Deutschland das Neun-Euro-Ticket.
Offenbar hat es auch einen Einfluss auf die Verkehrsströme. Das Statistische Bundesamt teilte mit, dass das Reiseaufkommen im Schienenverkehr im Juni 2022 im Schnitt 42 Prozent höher war als im Juni 2019. Im Straßenverkehr verzeichnete das Statistische Bundesamt einen "moderaten Rückgang". Vor allem an den Feiertagen führte der Ansturm auf den ÖPNV allerdings auch zu Problemen. Vor allem an Pfingsten haben volle Busse und Bahnen zum Beispiel Menschen mit Behinderungen die Fahrten erschwert.
Nyke Slawik (Grüne): "Wir haben Millionen Menschen mobil gemacht"
Die Ampel-Parteien geizen am Freitag im Bundestag nicht mit Lob für das eigene Projekt. Die Koalition habe "etwas Historisches geschaffen", sagt die Grünen-Abgeordnete Nyke Slawik: "Wir haben Millionen Menschen in diesem Land mobil gemacht und diese Mobilität zu einem Preis angeboten, der für alle bezahlbar ist."
Auch die Grüne Jugend hat in einem Forderungspapier eine Verlängerung gefordert. "Das Neun-Euro-Ticket muss nun als Türöffner für das dringend überfällige Umsteuern in der Verkehrspolitik genutzt werden", heißt es da.
Trotzdem erteilt die Koalition aus SPD, Grünen und FDP der Verlängerung eine Absage. "Sie fordern sehr viel. Aber die Finanzierung kommt dann nicht", sagt die SPD-Abgeordnete Dorothee Martin zum Vorstoß der Linken. Auch Bundesländer und Verkehrsunternehmen würden vor steigenden Energiepreisen stehen. "All das muss realisierbar sein – und das fehlt bei Ihrem Antrag komplett."
Für den FDP-Abgeordneten Valentin Abel ist das Neun-Euro-Ticket eine "akute, zeitlich befristete Entlastungsmaßnahme für die Menschen in Zeiten steigender Energiepreise". Statt das Angebot zu verlängern, müsse der Staat jetzt vor allem in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investieren, sagt Abel. "Wir wollen keinen ÖPNV, der nur billig ist. Wir wollen einen ÖPNV, der auch gut ist."
Michael Donth (CDU): Geld lieber in den Ausbau investieren
Die Unionsparteien hatten das Neun-Euro-Ticket von Beginn an kritisiert. Sie lehnen es ab, zuerst an den Preis zu denken. Bei ihm daheim auf der Schwäbischen Alb sei die Begeisterung ausgeblieben, sagt der CDU-Abgeordnete Michael Donth. "Denn völlig überraschend fährt dort auch für neun Euro im Monat kein einziger Bus mehr."
Mit dem Geld müsse zuerst das Angebot gerade im ländlichen Raum verbessert werden, so Donth, "bevor wir die Tickets und die Taschen der Nutzer damit subventionieren". Aus Sicht des AfD-Abgeordneten Mike Moncsek ist das Neun-Euro-Ticket "komplett gescheitert" – weil es eher von Ausflüglern als von Pendlern genutzt werde.
Auch Verkehrsunternehmen sind skeptisch
Der Neun-Euro-Tarif wird nach dem August wohl Geschichte sein. Die Grünen pochen auf eine "Anschlusslösung". Wie sie aussehen könnte, ist aber unklar. Im Gespräch ist immer wieder zum Beispiel ein 365-Euro-Ticket, das ein Jahr lang für Busse und Bahnen gelten soll.
Die Diskussion über das Thema wird schon am Montag weitergehen. Dann veröffentlicht der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Erkenntnisse einer bundesweiten Marktforschung zum Neun-Euro-Ticket. Wer nutzt das Ticket wofür? Und welchen Einfluss hat es auf die Verkehrsströme?
Letztendlich geht es auch bei diesem Thema ums Geld. 2018 haben die deutschen Verkehrsunternehmen dem VDV zufolge über Ticketverkäufe insgesamt 13 Milliarden Euro eingenommen. Dieses Geld müsste der Staat den Unternehmen zumindest zum Teil erstatten, wenn er stark verbilligte Tickets anbieten will. Auch der VDV setzt nach Auskunft eines Sprechers aber zuerst auf ein besseres Angebot: "Darüber hinaus plädieren wir weiterhin dafür, die knappen finanziellen Mittel in den Ausbau von Bus und Bahn zu stecken – und nicht in ein Ticket, dessen Preis nicht im Verhältnis zur angebotenen Leistung steht."
Verwendete Quellen:
- Debatte im Deutschen Bundestag
- Gruene-Jugend.de: "Günstiger, einfacher, öfter"
- Pressemitteilung VDV: Nach einem Monat: rund 21 Millionen verkaufte 9-Euro-Tickets
- Statistisches Bundesamt: 9-Euro-Ticket: Mobilität steigt deutlich auf kurzen Distanzen im Schienenverkehr
- tagesschau.de: ARD-Deutschland-Trend: Klimaschutz soll nicht hintenanstehen
- Verband Deutscher Verkehrsunternehmen, Pressestelle
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