• Am Tag nach der Wahlwiederholung in Berlin bereiten sich die Parteien auf schwierige Koalitionsverhandlungen vor.
  • Die CDU gibt sich selbstbewusst – und will mit Kai Wegner den nächsten Regierenden Bürgermeister der Hauptstadt stellen.
  • Franziska Giffey sieht in der Wahlschlappe ihrer SPD einen Auftrag für Veränderungen. Doch für sie steht auch fest: Die Sozialdemokraten sollen weiter mitregieren.

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"Wir können Großstadt": Am Tag nach der gewonnenen Berlin-Wahl treten CDU-Chef Friedrich Merz und der Berliner Spitzenkandidat Kai Wegner mit breiter Brust und einem noch breiteren Lächeln vor die Hauptstadt-Presse. In der Parteizentrale werden am Montagmittag Lob und gegenseitige Schulterklopfer ausgetauscht.

Es sei ein "guter Tag für Berlin und auch für die CDU in Deutschland", sagt Merz und beglückwünscht Kai Wegner: "Die Wählerinnen und Wähler wollen nach der Überzeugung von Merz den Wechsel in der Hauptstadt." Auch wenn es noch eine rechnerische Mehrheit für die bisherige Koalition aus SPD, Grünen und Linken gebe, liege der Ball nun ganz klar bei der CDU: Die Christdemokraten haben bei der Wiederholung der Abgeordnetenhaus-Wahl am Sonntag 28,2 Prozent geholt und liegen damit rund zehn Prozentpunkte vor SPD und Grünen.

Kai Wegner (CDU) will "Spaltung" überwinden

"Vor anderthalb Jahren sind wir untergegangen", sagt Wegner mit Blick auf die Wahl von 2021. Jetzt werde die CDU zeigen, dass sie auch große Städte regieren könne. Beim "lieben Friedrich" bedankt er sich für die große Unterstützung im Wahlkampf, die zum gemeinsamen Erfolg geführt habe - auch wenn die Zahl der öffentlichen gemeinsamen Auftritte von Merz mit den Berliner Kollegen überschaubar war.

Jetzt will Wegner regieren. "Wir haben einen klaren Regierungsauftrag der Wählerinnen und Wähler erhalten", sagt der CDU-Kandidat. Man werde eine stabile Regierung bilden, vertrauensvoll zusammenarbeiten, Erfolge auch dem künftigen Koalitionspartner gönnen.

Auto gegen Fahrradfahrer, Mieter gegen Vermieter, Alt gegen Jung: Die "Spaltung der Stadt" benennt Wegner als großes Problem. Auch die Wahlauswertungen deuten daraufhin: Die "hippe" Mitte Berlins hat in großer Zahl grün gewählt, in den Bezirken Richtung Stadtrand ist dagegen die CDU dominant. Wegner will wieder Politik für alle machen, nicht nur für den "inneren S-Bahnbereich". Er will Vertrauen "zurückerarbeiten", wie er es am Montag nennt. "Jetzt ist die Zeit für Machen".

Deswegen sollen am Montagabend zeitgleich Einladungen für Sondierungsgespräche an SPD und Grüne verschickt werden. Wegner pocht jedenfalls auf seinen Machtanspruch: "Der Wählerwille ist so eindeutig. Das kann man nicht wegdiskutieren", wiederholt er gebetsmühlenartig.

Signale in beide Richtungen bei der SPD

Zur gleichen Zeit tritt im Willy-Brandt-Haus die SPD-Vorsitzende Saskia Esken mit Franziska Giffey vor die Presse. Giffey war 13 Monate Regierende Bürgermeisterin in Berlin und muss nach der Wahlwiederholung um ihr Amt kämpfen. Sie wirkt entsprechend angefasst.

Tritt die SPD als kleinerer Partner in eine Koalition mit dem Wahlgewinner CDU, wäre die Regierungschefin ihren Posten los. Genauso wäre es natürlich im Fall einer Koalition von CDU und Grünen. Eine Mehrheit der Mandate hätte allerdings auch die bisher regierende Koalition von SPD, Grünen und Linken.

Klar ist: Die SPD will in der Hauptstadt weiter mitregieren. Doch mit wem – dazu lässt sich Giffey noch nicht in die Karten schauen. Das Wahlergebnis sei ein "deutlicher Auftrag für Veränderungen", sagt die Sozialdemokratin – und benennt vier Felder: mehr innere Sicherheit, weniger ideologische Verkehrspolitik, mehr Wohnungsbau und eine Verwaltungsreform. "Wir respektieren, dass die CDU als erstes einladen wird", sagt Giffey. Das klingt durchaus nach Signalen für eine schwarz-rote Koalition in der Hauptstadt.

Doch die andere Option lässt Giffey an diesem Tag auch auf dem Tisch: In ihrer Partei gebe es "sehr viel Sympathie für die Weiterführung des jetzigen Bündnisses", sagt sie – also für eine Fortführung der Koalition mit Grünen und Linken. Giffey betont in diesem Zusammenhang noch einmal, dass ihre Regierung in den vergangenen 13 Monaten drei Krisen bewältigen musste: die Corona-Pandemie, die Unterbringung von 360.000 Geflüchteten aus der Ukraine und die Energiekrise.

"Wir habe sehr, sehr viel gemeistert. Wir müssen uns nicht verstecken für das, was im letzten Jahr gelungen ist", findet Giffey. Auch jetzt gehe es wieder darum, eine stabile Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu bilden.

Franziska Giffey lässt eigene Zukunft offen

Kommt es zu einer Neuauflage von Rot-Grün-Rot, könnte Giffey wohl Regierende Bürgermeisterin bleiben. Sie stünde dann aber vor der Herausforderung, den Berlinerinnen und Berlinern ein "Weiter so" ohne die erstplatzierte CDU schmackhaft zu machen.

Spekuliert wird auch, ob die Bürgermeisterin wegen des schlechten Ergebnisses persönliche Konsequenzen ziehen und sich aus der Landespolitik vorerst zurückziehen wird. Dazu sagt sie weder Ja noch Nein: "Diese Frage kann ich Ihnen zum heutigen Zeitpunkt noch nicht beantworten, weil wir erstmal eine andere Frage beantworten müssen: In welche Regierungskonstellation geht die SPD überhaupt?"

Klar ist an diesem Montag nur eines. Das sagt Franziska Giffey, aber darauf könnten sich wohl viele Politikerinnen und Politiker in Berlin einigen: "Das werden lange Gespräche, davon kann man ausgehen."

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