• Schlechte Prognose für den Kanzlerkandidaten: Eine Berliner Politikberatung kommt zu dem Schluss, dass CDU-Chef Armin Laschet den Einzug in den Bundestag verpassen wird.
  • Für den gebürtigen Aachener könnte das Folgen haben - seine Kanzlerschaft wäre aber immer noch möglich.

Mehr zur Bundestagswahl 2021 finden Sie hier

Für den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet kommt derzeit eine Hiobsbotschaft nach der nächsten: Erst liegt er in der Gunst der deutschen Wähler bei der Kanzlerfrage nur auf dem dritten Platz, dann zieht auch noch die SPD in den Umfragen an der CDU vorbei.

Nun der nächste Dämpfer für den CDU-Chef: Die Politikberatung "Johanssen und Kretschmer" prognostiziert, dass Laschet nicht über die nordrhein-westfälische Landesliste seiner Partei in den Bundestag wird einziehen können.

Laschet kein Bundestagsmitglied?

Dafür hat das Berliner Unternehmen Umfragen zu Erst- und Zweitstimmen gemeinsam analysiert. Es kommt zu dem Schluss: "Armin Laschet (CDU) wird kein Mitglied des nächsten Deutschen Bundestags". Das Paradoxe daran: Der Grund dafür, dass Laschet möglicherweise kein Bundestagsmandat gewinnt, könnte ausgerechnet ein gutes Abschneiden der CDU in Nordrhein-Westfalen sein.

Um das zu verstehen, muss man genauer auf das deutsche Wahlsystem blicken. Bei den Bundestagswahlen können Wählerinnen und Wähler zwei Kreuze auf ihrem Stimmzettel machen. Mit der Erststimme wird der Kandidat oder die Kandidatin aus dem eigenen Wahlkreis gewählt.

Hintergrundwissen Wahlsystem

Der Kandidat, der jeweils die relative Mehrheit erhält, zieht mit einem Direktmandat in den Bundestag ein. Alle anderen Kandidaten gehen leer aus. 299 Abgeordnete – so viele Wahlkreise gibt es in Deutschland insgesamt – ziehen auf diesem Wege in das Parlament ein.

Die für den Ausgang der Bundestagswahl wichtigere der beiden Stimmen ist die Zweitstimme. Werden am Wahlabend Hochrechnungen verkündet, beziehen sie sich auf das Verhältnis dieser Zweitstimmen. Denn das zweite Kreuz entscheidet über die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag. Hat eine Partei die Fünf-Prozent-Hürde genommen, entscheidet die Zweitstimme, wie viele der insgesamt 598 Sitze im Bundestag ihr zustehen.

Wertloser Listenplatz 1

Zuerst werden diese Sitze über die Direktmandate vergeben, dann erst folgt die Landesliste. Wer dort oben steht, kommt eher dran. Wenn jedoch so viele Direktmandate gewonnen werden, dass damit die insgesamt zustehenden Sitze schon vergeben sind, so rückt niemand mehr von der Landesliste nach.

Der Analyse von "Johanssen und Kretschmer" zufolge gewinnt die CDU in Nordrhein-Westfalen 37 der insgesamt 64 Wahlkreise. Gleichzeitig liegt die CDU bei den prognostizierten Zweitstimmen aber deutlich hinter ihrem Ergebnis von 2017. In diesem Fall käme die Landesliste überhaupt nicht zum Tragen – auch nicht ihr erster Platz, auf dem Armin Laschet kandidiert.

Wahlrechtsreform greift erstmals

Als sicher für die CDU gelten beispielsweise die Wahlkreise in Kleve, Recklinghausen und im Rhein-Sieg-Kreis, in Herne und Gelsenkirchen ist es hingegen wahrscheinlicher, dass die SPD Direktmandate gewinnt.

Zu dem für die CDU ungünstigen Verhältnis zwischen Erst- und Zweitstimmen kommt eine Reform des Wahlrechts, die erstmals bei der Wahl zum 20. Bundestag im September greift: Um zu verhindern, dass die Anzahl der Abgeordneten noch weiter zunimmt, werden Überhangmandate neu verrechnet. Bis zu drei unausgeglichene Überhangmandate werden noch zugelassen. All das bedeutet für Armin Laschet: In den Bundestag dürfte er wohl nur dann einziehen, wenn die SPD in NRW mehr Direktmandate holen würde als erwartet, oder wenn die CDU bei den Zweitstimmen deutlich zulegt.

Verzicht auf Direktkandidatur

Für die Bundestagswahl hatte Laschet überraschend auf eine Kandidatur in seinem Wahlkreis verzichtet, die ihm ein Direktmandat hätte verschaffen können. In seinem Heimatwahlkreis Aachen I tritt stattdessen Rudolf Henke im September für die CDU an. Nach aktuellen Prognosen dürfte der aber dem Grünen Oliver Krischer unterliegen.

Laschets Ambitionen auf eine Kanzlerschaft sind mit der Prognose von "Johanssen und Kretschmer" allerdings nicht vom Tisch. Denn: Ein Bundestagsmandat ist keine Voraussetzung für das Kanzleramt. Auch der dritte deutsche Bundeskanzler, Kurt-Georg Kiesinger, hatte kein Mandat, als er 1966 während der laufenden Legislaturperiode die Kanzlerschaft übernahm.

Laschet: "Mein Platz ist in Berlin"

Verwehrt bliebe Laschet, würde er keinen Sitz im Bundestag haben, allerdings die Funktion des Oppositionsführers im Bundestag, denn ohne Mandat könnte er nicht CDU-Fraktionsvorsitzender werden. Sollte das beschriebene Szenario eintreten, böte sich dem Kanzlerkandidaten nur noch eine Chance zum Einzug in den Bundestag: Ein direkt gewählter Abgeordneter müsste auf sein Mandat verzichten, um Laschet nachrücken zu lassen.

Bleibt es dabei, dass Laschet den Einzug ins Parlament verfehlt, dürfte seine Politiklaufbahn vor dem Aus stehen. Ein mögliches Rückfahrticket nach NRW hatte der Aachener noch im Mai ausgeschlagen: "Für mich ist klar: Mein Platz ist nach der Bundestagswahl in Berlin", hatte Laschet im Interview mit der "FAZ" gesagt. Nur ob dieser Platz dann im Bundestag ist, das muss sich noch zeigen.

Verwendete Quellen:

  • Johanssen + Kretschmer: Laschet verpasst Einzug in den Bundestag. 23.08.2021
  • Wahlrecht.de Sonntagsfrage. Stand 24. August 2021
  • "FAZ": Laschet stellt klar: Mein Platz ist in Berlin. 07.05.2021

Söder statt Laschet? 70 Prozent der Unionsanhänger für Kanzlerkandidaten-Wechsel

70 Prozent der Unterstützer von CDU und CSU sprechen sich einer Civey-Umfrage zufolge dafür aus, den Unionskanzlerkandidaten Armin Laschet durch CSU-Chef Markus Söder zu ersetzen. Nur 23 Prozent der Unionsanhänger befürworten nach der Erhebung des Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der "Augsburger Allgemeinen" (Mittwoch), an Laschets Kandidatur festzuhalten. Weitere sieben Prozent antworteten unentschieden auf die Frage "Sollte CSU-Chef Markus Söder Ihrer Ansicht nach CDU-Chef Armin Laschet als Unionskanzlerkandidaten ersetzen?".
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.