Spitzenpolitiker von Union und SPD teilen kräftig gegeneinander aus, die Basis murrt: Falls es wirklich zu einer neuen großen Koalition kommt, startet das Bündnis schwer vorbelastet.

Mehr aktuelle News zur GroKo

Nach schwarz-roter Eintracht klang das nicht: Die mögliche zukünftige SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles bezeichnete Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede zum Politischen Aschermittwoch als "angezählt" und läutete die "Göttinnendämmerung" ein.

Der künftige bayerische CSU-Ministerpräsident Markus Söder spottete seinerseits über die Sozialdemokraten: "Einmal Zwerg, immer Zwerg!"

Und diese Parteien sollen gemeinsam die nächste Bundesregierung bilden?

Vertrauen unter Koalitionären wichtig

"Für eine Koalition ist es sehr wichtig, dass die handelnden Personen gut miteinander auskommen", sagt der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer, emeritierter Professor an der Freien Universität Berlin, im Gespräch mit unserer Redaktion.

In den markigen Sprüchen der Spitzenpolitiker beim Politischen Aschermittwoch sieht der Experte allerdings keine grundsätzliche Gefahr für das Koalitionsklima.

Das sei "normale politische Folklore", die jeweils andere Seite könne das einschätzen, sagt Niedermayer. "Der Politische Aschermittwoch ist dazu gedacht, derb mit dem politischen Gegner umzugehen. Was in diesem Jahr bei den großen Parteien gelaufen ist, war absolut im Rahmen des Tolerierbaren."

Auch wenn sie kräftig gegeneinander ausgeteilt haben: "Die meisten möglichen Partner einer neuen großen Koalition kennen sich bereits und können miteinander umgehen", sagt Niedermayer, "auch wenn sie sich nicht unbedingt in inniger Freundschaft verbunden sind."

Auch dass Andrea Nahles als mögliche Vorsitzende der SPD nicht im Kabinett sitzen würde, sieht er nicht als Problem. Für die Partei könne das ein Vorteil sein: "Sie kann so in der Koalition mit der Union zusammenarbeiten, aber deutlich ihre eigenen Positionen vertreten, weil sie nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist."

Viel Unmut in der zweiten Reihe

Könnte diese Koalition also ganz unbelastet loslegen, falls ihr nun noch die SPD-Mitglieder mehrheitlich zustimmen? Das erscheint trotzdem unwahrscheinlich. Selten war der Start einer neuen Bundesregierung von so vielen Personalquerelen und einem so großen Unwillen an der Basis geprägt.

Gefahren für die neuen GroKo sieht Politikwissenschaftler Niedermayer auch eher in der zweiten Reihe der Funktionäre: "Wie gut oder schlecht eine mögliche große Koalition startet, hängt davon ab, ob die Jusos oder andere Linke innerhalb der SPD ihre Kritik aufrechterhalten."

Groß ist der Unmut aber auch in der CDU. Schließlich haben viele Christdemokraten das Gefühl, dass die Partei bei der Ressortverteilung schlecht weggekommen ist. Nicht nur Juso-Chef Kevin Kühnert ist derzeit in den Medien allgegenwärtig, auch sein Kollege von der Jungen Union, Paul Ziemiak, eilt von Interview zu Interview. Dem Deutschlandfunk sagte er, er habe "wenig Leidenschaft" für eine neue große Koalition.

Ein Bündnis mit "Sollbruchstelle"

Insgesamt würden Union und SPD tatsächlich belastet in ein neues Bündnis starten, sagt Oskar Niedermayer. "Es soll ja in den Verhandlungen Phasen gegeben haben, in denen man nicht gerade pfleglich miteinander umgegangen ist."

Die wahren Probleme sind nach seiner Einschätzung aber inhaltlicher Art. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag nicht alle Meinungsunterschiede ausräumen können. "Man muss nun sehen, ob die Koalition überhaupt vier Jahre hält", meint der Politikwissenschaftler. "In den Koalitionsvertrag ist praktisch eine Sollbruchstelle eingearbeitet: Dort steht, dass man sich nach zwei Jahren die Ergebnisse anschauen will."

In der Tat haben CDU, CSU und SPD an das Ende ihres Vertrages geschrieben: "Zur Mitte der Legislaturperiode wird eine Bestandsaufnahme des Koalitionsvertrages erfolgen, inwieweit dessen Bestimmungen umgesetzt wurden oder aufgrund aktueller Entwicklungen neue Vorhaben vereinbart werden müssen."

Martin Schulz soll bei den Verhandlungen drohend darauf hingewiesen haben, dass zu diesem Zeitpunkt auch ein SPD-Parteitag anstehe.

Auch wenn er inzwischen schon nicht mehr Vorsitzender ist – die sozialdemokratische Basis wird die Arbeit der GroKo sehr genau beobachten.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.