Die Europäische Union ist nicht nur eine Wertegemeinschaft. Sie ist von jeher auch eine gemeinsame Wirtschaftszone. Was die Parteien zur Europawahl in der Wirtschafts- und Finanzpolitik versprechen und fordern, zielt deshalb auf einen entscheidenden Teil des europäischen Kernverständnisses ab.

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Einig sind sich alle großen oder größeren Parteien bei der Wirtschafts- und Finanzpolitik in dem Ziel, die europäische Wirtschaft stärken und damit das Wirtschaftswachstum im EU-Raum ankurbeln zu wollen. Gerade für Deutschland hat dieses Ansinnen eine große Bedeutung, ist die deutsche Industrie doch stark vom Export – gerade ins EU-Ausland – abhängig. Wie dieses Ziel erreicht werden kann, dazu gibt es allerdings unterschiedliche Vorstellungen.

CDU

Die CDU setzt auf die Soziale Marktwirtschaft nicht nur als deutsches, sondern auch als europäisches Leitbild in der Wirtschaftspolitik. Das meint für die Partei vor allem, dass der europäische Binnenmarkt nach Regeln des freien Wettbewerbs funktionieren soll, was die EU wiederum durch für alle verbindliche EU-Normen garantieren soll. Die einzelnen wirtschaftspolitischen Ansätze der EU-Mitglieder sollen deshalb in Zukunft noch stärker aufeinander abgestimmt werden. Diese Idee will die CDU um eine transatlantische Komponente erweitern: Sie ist für das Freihandelsabkommen mit den USA, kurz: TTIP.

In der Finanzpolitik setzt die CDU auf eine strengere Regulierung der Finanzmärkte sowie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer – aber auch darauf, dass von der Euro-Schulden-Krise betroffene Staaten umfassende Reformen anpacken, um wettbewerbsfähig zu werden. Nur Länder, die diese Veränderungen angehen, sollen EU-Hilfen erhalten. Insgesamt zeigt sich die CDU mit dem bisherigen Verlauf der Euro-Rettung zufrieden.

SPD

Um die europäische Wirtschaft voranzubringen, will die SPD vor allem die Position der Arbeitnehmer in Europa stärken, die nach ihrer Überzeugung erst die Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auf dem Kontinent sind. Der Ausbau des EU-Binnenmarktes und gute Marktbedingungen für wettbewerbsfähige Unternehmen dürften nicht zulasten der Menschen in den Betrieben gehen, heißt es im sozialdemokratischen Wahlprogramm. Die SPD will deshalb Lohn- und Sozialdumping den Kampf ansagen, einen europäischen Pakt für Mindestlöhne schmieden und europaweit den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen unterbinden.

Finanzpolitisch will die SPD eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber Steuersündern fahren und Steueroasen "trocken legen". Die Banken, Rating-Agenturen und die Finanzmärkte sollen strenger kontrolliert werden, das Geschäft von Spekulanten soll durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer unattraktiver werden.

Grüne

Für die Grünen steht der Begriff "Nachhaltigkeit" im Zentrum einer europäischen Wirtschaftspolitik. Klima- und Naturschutz sowie gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind aus Sicht der Partei keine Gegensätze, sondern zwei Seiten der selben Medaille. Die Energiewende wollen die Grünen als Chance begreifen. Alleine in Deutschland, so das Wahlprogramm, seien mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 400.000 Jobs entstanden oder gesichert worden. Nachhaltigkeit bedeutet für die Grünen auch, Forschung und Innovation zu stärken und in allen Lebensbereichen auf "grüne" Konzepte zu setzen. Bei der Mobilität will die Partei zum Beispiel das europäische Schienennetz ausbauen.

Den Grund für die Euro-Schulden-Krise sehen die Grünen darin, dass die Finanzpolitik in den EU-Staaten nicht nachhaltig gewesen sei. Um dies zu ändern, spricht sich die Partei für eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte aus. Der Euro-Rettungsschirm ESM soll zu einer "echten Gemeinschaftsinstitution innerhalb der EU-Verträge" ausgebaut werden, womit eine europäische Wirtschafts- und Finanzunion gebaut werden soll.

FDP

Getreu ihrer liberalen Grundhaltung spricht sich die FDP auf europäischer Ebene ebenfalls für mehr Soziale Marktwirtschaft und mehr Wettbewerb aus. Europäische Subventionen will die Partei zurückfahren. Die EU soll entbürokratisiert, die Arbeitnehmerfreizügigkeit noch weiter ausgebaut werden. Ausdrücklich spricht sich die FDP in ihrem Wahlprogramm dafür aus, "Landwirte als Unternehmer" zu stärken. Auch die FDP ist für TTIP, das Freihandelsabkommen mit den USA.

Finanzpolitisch bekennt sich die FDP klar zum Euro. Allerdings betont sie die Verantwortung eines jeden Mitgliedsstaates dafür, seine Haushaltspolitik verantwortlich zu führen. Für den Fall, dass diese nicht funktioniert, will die FDP die angedachten oder schon vorhandenen Sicherheitsnetze ausbauen. So spricht sich die Partei zum Beispiel dafür aus, ein Insolvenzrecht für EU-Staaten zu schaffen und Euro-Staaten die Möglichkeit zu geben, aus dem Euro auszutreten, ohne damit auch aus der EU zu fliegen.

Linke

Wo andere Parteien auf freien Wettbewerb auf den EU-Binnenmarkt setzen, setzt die Linke auf eine stärkere Regulierung der Marktkräfte, um "ruinösen" Wettbewerb zwischen einzelnen EU-Staaten zu vermeiden. Zusätzlich fordert die Partei eine Angleichung der Löhne in Europa sowie "die Arbeitsteilung der Geschlechter" zu überwinden. Prekären Arbeitsverhältnissen will die Partei einen Riegel vorschieben.

Mit Blick auf die Euro-Schulden-Krise und die Finanzpolitik sprechen sich die Linken für einen sofortigen "Kurswechsel" aus. Krisenländer, die europäische Hilfen erhalten, sollen demnach hohe Einkommen und Vermögen stärker als bislang besteuern, "um die Reichen an der Finanzierung der Krise angemessen zu beteiligen". Lohn- und Rentenkürzungen sowie der Abbau von Sozialleistungen sollen in den betroffenen Ländern dagegen ausgeschlossen werden. Banken sollen nach dem Willen der Linken verstaatlicht oder entmachtet und die Finanzmärkte stärker reguliert werden.

AfD

Bei allen Bekenntnissen zum EU-Binnenmarkt will die AfD die Wirtschaftspolitik in Europa wieder stärker nationalisieren. Wirtschaftspolitik, heißt es im Wahlprogramm der Partei, sei "eine Aufgabe der einzelnen Mitgliedsstaaten". Allerdings sollten Wettbewerbshemmnisse abgebaut und Interventionen des Staates in die Wirtschaft transparent gemacht werden. Das EU-Freihandelsabkommen TTIP mit den USA lehnt die Partei ab.

Als einzige größere Partei im Europa-Wahlkampf macht die AfD gegen den Euro als Gemeinschaftswährung Front. Der Euro in seiner jetzigen Form habe zu "einem Desaster" geführt, weil er nur eine einheitliche Geldpolitik in Europa zulasse, meint die Partei, die an den vielfältigen wirtschaftlichen Realitäten vorbeigehe. Die AfD will das Euro-Währungsgebiet deshalb entweder auflösen oder aber mindestens vollständig neu ausrichten. Jedes Land soll für die Stabilität seiner Finanzen selbst verantwortlich sein. Zugleich fordert die Partei eine stärkere Regulierung von Banken.

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