Mihai-Alexandru Hash ist der erfolgreichste YouTuber Rumäniens. Seine Karriere als Influencer begann mit einer Comedyshow, doch irgendwann wollte er mehr als nur Quatsch machen. Seither informiert er seine Follower über Politik. Er fühlt sich verpflichtet, seine Popularität zu nutzen - in einem Land, dessen zutiefst korrupte Regierung den Glauben an die Demokratie erschwert und wo bei Wahlen zwei Drittel der Menschen zu Hause bleiben.

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Als Mihai-Alexandru Hash seinen gut bezahlten Job bei einer Insolvenzverwaltung schmiss, um als Influencer zu arbeiten, hat ihn nicht nur seine Mama für verrückt erklärt. Doch er war sich seiner Sache sicher.

"Wenn du herausgefunden hast, was du zu tun liebst, kannst du nicht einfach damit aufhören, auch wenn alle sagen, dass das Mist ist", sagt er vergangenen Woche bei einem Treffen in Brüssel.

Was der heute 32-Jährige liebt, ist zu posten, auf YouTube, Facebook, Instagram, Twitter. Heute ist er der erfolgreichste YouTuber Rumäniens. 1,5 Millionen Menschen folgen ihm - kein schlechter Schnitt, wenn man bedenkt, dass Rumänien nur rund 20 Millionen Einwohner hat. Zum Vergleich: LeFloid, der 2015 das erste YouTube-Interview mit Angela Merkel geführt hat, hat unter rund 83 Millionen Deutschen drei Millionen Follower.

"Ich wollte mich einmischen"

Acht Jahre ist es her, dass Mihai-Alexandru Hash - so sein Künstlername, mit dem er seinen Geburtsnamen zwischenzeitlich auch offiziell ersetzt hat - seinen YouTube-Kanal gestartet hat. Er begann mit einer Comedy-Show, die er bis heute regelmäßig veröffentlicht. Nach zehn Monaten war seine Community auf 10.000 Menschen gewachsen, nach drei Jahren auf 800.000. Die Leute mochten, was er tat und er verdiente Geld durch Werbung und Sponsoring.

So weit, so gut, doch Mihai-Alexandru Hash wollte mehr. "Ich habe mich selbst nie als besonders witzig empfunden und hatte nie vor, Komiker zu werden. Es ist einfach so passiert", sagt er. "Eine Seite von mir war damit zufrieden, aber die andere wollte nicht nur Spaß machen, sondern sich einmischen."

Fortan veröffentlichte er neben den spaßigen Clips auch politische Beiträge und die Nutzer störten sich nicht daran. Im Gegenteil. Sie haben ihn ermuntert, damit weiterzumachen.

So findet sich auf seinen Seiten in den sozialen Netzwerken heute eine kunterbunte Mischung: Sein flammender Appell, an der Europawahl teilzunehmen, steht zwischen Fotos von schicken Autos, für die er eine Leidenschaft hegt. Seine Interviews mit prominenten Gesprächspartnern wie dem ehemaligen rumänischen Ministerpräsidenten Dacian Ciolos, der estnischen Präsidentin Kersti Kaljulaid oder Großbritannien Ex-Premier Tony Blair wechseln sich mit Fotos von Reisen und Produktionen seiner Marketing-Agentur "Viral Studios" ab.

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Project Stratos © YouTube

Der Influencer erreicht vor allem junge Menschen. Zwölf Prozent seines Publikums seien minderjährig, der Großteil zwischen 20 und 30 Jahre alt. Für Politiker und politische Institutionen macht ihn das zum interessanten Muliplikator: Im Februar war er als einer von fünf internationalen YouTubern eingeladen, von der Münchner Sicherheitskonferenz zu berichten. Beim TV-Duell der Eurovision zur Europawahl saß er live im Brüsseler Plenarsaal, von wo der Schlagabtausch der Spitzenkandidaten übertragen wurde.

Kritik an Rumäniens Regierung

Nicht nur sein Publikum unterscheidet Mihai-Alexandru Hash deutlich von Journalisten, sondern auch die Art, wie er berichtet. Das journalistische Neutralitätsgebot kann ihm gestohlen bleiben. Er thematisiert nur, was ihm persönlich wichtig ist, sagt offen, dass er Tony Blair sehr sympatisch findet und bei wem die Dinge anders liegen.

Er setzt sich für mehr Demokratie ein und für die europäische Integration - und macht keinen Hehl daraus, dass er Rumäniens Regierung um den mehrfach vorbestraften Parteichef der Sozialdemokraten, Liviu Dragnea, lieber heute als morgen stürzen sehen würde.

"Ich fühle mich verpflichtet, etwas zum Wandel in Rumänien beizutragen", sagt er. "Ich habe die Stimme, damit geht auch Verantwortung einher." Die Generation, die während der Diktatur des kommunistischen Diktators Nicolae Ceausescu aufgewachsen ist, sei "stehlen, lügen und bestechen" gewohnt. Viele hätten die Mentalität dieser Jahre, dass eben jeder schauen müsse, wo er bleibt, nie abgelegt. Und das zeige sich eben auch in ihrer Art, Politik zu machen.

Follower wünschen sich eine Mihai-Partei

Rumänien krankt vor allem an der allgegenwärtigen Korruption und liegt deshalb auch mit Brüssel über Kreuz. Im Korruptionsindex von Transparency International ist Rumänien 2018 unter 180 untersuchten Staaten auf Rang 61 gelandet.

In den vergangenen Jahren hat das rumänische Parlament die Strafen für Bestechung und Amtsmissbrauch immer weiter gelockert, zuletzt im April, trotz scharfer Warnungen der EU-Kommission. Dem Land droht deshalb ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags. Im schlimmsten Fall könnte es sein Stimmrecht im Rat verlieren.

Die Politikverdrossenheit im Land ist immens: Nur 32 Prozent der Stimmberechtigten nahmen 2014 an der Europawahl teil, im EU-Durchschnitt waren es 43 Prozent. Ähnlich gering ist das Interesse an nationalen Wahlen. Weniger als 40 Prozent der Wähler gaben bei der Parlamentswahl 2016 ihre Stimme ab. Zum Vergleich: bei der Bundestagswahl 2017 lag die Wahlbeteiligung bei 76 Prozent.

Dass es im August Massenproteste gegen die Regierung von Ministerpräsidentin Viorica Dancila gab und seither immer wieder Tausende Rumänen auf die Straße gegangen sind, lässt Mihai-Alexandru Hash hoffen. Die junge Generation müsse endlich an die Macht, sagt er.

Einige seiner Follower hätten da schon eine Idee, wie das klappen könnte: In den Kommentaren unter seinen YouTube-Videos gibt es immer wieder Stimmen, die ihm vorschlagen, eine neue Partei zu gründen und bei der nächsten Präsidentschaftswahl anzutreten.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Mihai-Alexandru Hash
  • Münchner Sicherheitskonferenz: "Internationale Youtuber bei der Münchner Sicherheitskonferenz"
  • Bundeszentrale für Politische Bildung: Wahlbeteiligung nach Staaten bei der Europawahl 2014
  • Bundeszentrale für Politische Bildung: Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl
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