• Die FDP ist bei der Wahl in Niedersachsen aus dem Landtag geflogen.
  • Bei den Liberalen werden die Stimmen nach einer deutlicheren Abgrenzung von SPD und Grünen noch lauter.
  • Christian Lindner erteilt einem Rechtsruck aber eine Absage und betont: "Ich führe die FDP."
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Busch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Bijan Djir-Sarai wollte am Sonntagabend nicht in Floskeln verfallen. Der FDP-Generalsekretär zeigte in der "Berliner Runde" in der ARD deutlich seine Enttäuschung über das Ergebnis der Niedersachsen-Wahl. Und er verheimlichte auch seine geringe Begeisterung für das Ampel-Bündnis im Bund nicht: "Meine Partei hat nach wie vor große Probleme mit dieser Koalition", sagte Djir-Sarai.

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Das Regieren mit SPD und Grünen hat der FDP bisher offenbar kaum genutzt - eher im Gegenteil. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Frühjahr ging den Liberalen die Regierungsbeteiligung verloren. In Niedersachsen flogen sie am Sonntagabend mit 4,7 Prozent sogar aus dem Landtag. Man stelle sich dort nun auf die außerparlamentarische Opposition ein, die Bundespartei werde "politische und logistische Unterstützung" leisten", sagt Christian Lindner am Montagvormittag. Das klingt nach Krisenstimmung.

Lindner drückt auf die Bremse: "Keine Sache für den Herbst"

"Es gelingt uns gegenwärtig nicht, für unser politisches Profil hinreichend Unterstützung zu organisieren", räumt der Parteivorsitzende und Bundesfinanzminister Lindner ein. Die Liberalen haben in den vergangenen Monaten immer wieder deutlich gemacht, wo sie anderer Meinung sind als SPD und Grüne: in der Corona-Politik, bei der Schuldenbremse oder der Zukunft der letzten Atomkraftwerke.

Genützt hat ihnen das bei den Landtagswahlen zwar nicht. Trotzdem will die Partei die eigenen Standpunkte nun eher mehr statt weniger deutlich machen. Man müsse "die Positionslichter anschalten", nennt Lindner das.

Überstürzen will er aber nichts. Im kommenden Frühjahr steht der nächste Bundesparteitag an. Bis dahin werde man die Themen "ganz ruhig miteinander besprechen", sagt Lindner am Montag. "Das ist keine Sache für den heutigen Tag oder den Herbst."

FDP-Abgeordneter: Ampel-Koalition ist "Mühlstein um unseren Hals"

Fraglich bleibt, ob die Partei bis dahin stillhält. Denn dort rumort es. Die Vertreterinnen und Vertreter einer besonders marktfreundlichen Politik hadern schon seit Beginn mit dem Ampel-Bündnis. Nach der herben Niederlage in Niedersachsen werden Fragen und Zweifel noch lauter.

"Die Ampel-Koalition hängt wie ein Mühlstein um unseren Hals", schreibt der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler auf Twitter. "Wir verlieren zunehmend unsere marktwirtschaftliche Glaubwürdigkeit". Die FDP müsse "mutiger werden und den Rücken gerade machen".

Besonders drastisch äußert sich ebenfalls auf Twitter Thomas Sattelberger, der sein Bundestagsmandat in diesem Jahr niedergelegt hat. "Die Ampel-Koalition ist politische Vergewaltigung der FDP", schreibt Sattelberger.

Der rechte Parteiflügel weist besonders darauf hin, dass rund 40.000 bisherige FDP-Wählerinnen und -Wähler bei dieser Niedersachsen-Wahl ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben. "Es ist bitter, zu sehen, wie viele FDP-Wähler zur AfD abgewandert sind. Es ist noch bitterer, zu realisieren, dass es absehbar war", schreibt dazu die Bundestagsabgeordnete Katja Adler auf Twitter.

Eine schwierige Konstellation

Parteichef Christian Lindner erteilt einem Rechtsruck am Montag allerdings eine klare Absage: Die Partei dürfe nun nicht der AfD hinterherlaufen. "Das kann kein guter Rat sein. Wir stärken unser Profil in der Mitte und sind da attraktiv für die Menschen."

Lindner will in erster Linie mit gutem Regieren überzeugen – was in dieser Krise keine einfache Aufgabe ist. Der Koalitionsvertrag der drei Ampel-Parteien wurde im vergangenen Herbst als "Gelbe Seiten" bezeichnet – weil die Handschrift der FDP angeblich so deutlich war. Doch die drei Parteien haben sich auf zahlreiche typische SPD- und Grünen-Projekte geeinigt: höhere Renten und höherer Mindestlohn, Einführung des Bürgergelds, massiver Ausbau der erneuerbaren Energien.

Der FDP fällt die schwierige Aufgabe zu, diese Ideen zu finanzieren und gleichzeitig die von ihr verteidigte Schuldenbremse einzuhalten. Durch den russischen Krieg in der Ukraine, seine Folgen für die Energiepreise und die lauten Rufe nach Staatshilfen für Bürgerinnen, Bürger und Firmen ist das noch schwieriger geworden.

Lindners Machtwort: "Ich führe die FDP"

Kann diese Koalition also überhaupt noch funktionieren? Noch hält die FDP an der Ampel fest. In einer so schweren wirtschaftlichen und politischen Krise käme eine Regierungskrise zur völligen Unzeit. Neuwahlen wären den Bürgerinnen und Bürgern wohl kaum zu vermitteln – und die Aussichten der Liberalen wären dort angesichts der aktuellen Umfragen nicht gerade rosig.

Christian Lindner ist seit Jahren die unangefochtene Führungsfigur der FDP: Die Partei ist bisher vor allem auf ihn ausgerichtet. Doch wenn eine Partei Mandate und damit auch Macht und Arbeitsplätze verliert, kann das den Personen an der Spitze gefährlich werden. "Das sind Momente, wo man als Vorsitzender nervös werden sollte", sagte der Politikwissenschaftler Thorsten Faas am Montag im Fernsehsender Phoenix.

Zwei Lager stehen sich bei den Liberalen gegenüber: Auf der einen Seite diejenigen, die den marktwirtschaftlichen Kurs der Partei noch deutlicher machen wollen und notfalls auch die Koalition platzen lassen würden. Auf der anderen Seite diejenigen, die jetzt vor allem durch konstruktive Zusammenarbeit in der Koalition überzeugen und den Streit mit den Ampel-Partnern leiser führen wollen.

Parteichef Lindner will ebenfalls an der Ampel festhalten. "Ich führe die FDP. Und mein Führungsanspruch ist, dass wir Schaden von diesem Land abwenden und Deutschland Schritt für Schritt liberaler, moderner, digitaler und weltoffener machen." Das ist durchaus als Machtwort zu verstehen. Dass Lindner es überhaupt sprechen muss, zeigt, wie ernst die Lage für die Liberalen ist.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenz der FDP
  • DasErste.de: Berliner Runde
  • Twitter-Profile von Katja Adler, Thomas Sattelberger und Frank Schäffler
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