Weltweit sind mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht. Deutschland leistet bei der Aufnahme von Schutzsuchenden viel, doch es steht damit in der Welt nicht alleine da. Andere Länder haben gemessen an ihrer Bevölkerung mehr Menschen aufgenommen. Ein Überblick zu den wichtigsten Zahlen.

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Seit Jahren beschäftigt die Aufnahme von Flüchtlingen Deutschland. Seit Jahren treffen Schutzsuchende hierzulande auf Hilfsbereitschaft, aber auch auf Ängste, Sorgen und offene Ablehnung. Mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine hat das Thema noch einmal eine neue Dringlichkeit bekommen. Zum Ausmaß der Fluchtbewegung kursieren unterschiedliche Zahlen, die wir hier genauer unter die Lupe nehmen.

Ukraine: Mehr als 13 Millionen Flüchtlinge und Binnenvertriebene

Die russische Invasion in der Ukraine hat die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Nach Zahlen des UN-Flüchtlingskommissariats UNHCR wurden bisher knapp 8,2 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer außerhalb ihres Heimatlandes als Flüchtlinge registriert. Die Internationale Organisation für Migration schätzt, dass zudem 5,35 Millionen Menschen als Binnenvertriebene einzustufen sind: Sie haben also Schutz an einem anderen Ort innerhalb der Ukraine gesucht. Zusammen genommen sind das also mehr als 13 Millionen Menschen, die der Krieg gegen die Ukraine in die Flucht getrieben hat.

Etwas mehr als fünf Millionen Menschen haben bisher um Schutz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gebeten. Die Hauptaufnahmeländer in Mittel- und Zentraleuropa für ukrainische Flüchtlinge sind in absoluten Zahlen:

  • 1. Polen (1,58 Millionen, Stand 3. April 2023)
  • 2. Deutschland (1,06 Millionen, Stand 25. März 2023)
  • 3. Tschechien (504.352, Stand 2. April 2023)
  • 4. Großbritannien (198.700, Stand 28. März 2023)
  • 5. Italien (173.213, Stand 17. März 2023)

Fluchtbewegungen gibt es aber auch Richtung Osten oder Norden der Ukraine: Fast 2,9 Millionen Menschen aus dem Land sind offiziellen Angaben zufolge in Russland und Weißrussland angekommen. "Allerdings lässt sich für UNHCR nicht abschließend abschätzen, ob diese Menschen freiwillig dort sind und wie sie dort aufgenommen wurden", sagt Chris Melzer, Sprecher vom UNHCR Deutschland, gegenüber unserer Redaktion.

Etwas irreführend ist eine andere Zahl, die in den Medien (unter anderem auch auf unseren Portalen) in der Vergangenheit zu lesen war: Das UNHCR hat seit Kriegsbeginn inzwischen mehr als 20 Millionen Grenzübertritte aus der Ukraine registriert. Dabei handelt es sich aber eben um Grenzübertritte, nicht um Personen. Hat eine Person in den vergangenen Monaten zweimal die Grenze überquert (weil sie zwischendurch in die Ukraine ein- und dann wieder ausgereist ist), steht sie gleich zweimal in dieser Statistik.

Flüchtlinge im Verhältnis zur Bevölkerung: Deutschland im Mittelfeld

Als einwohnerstärkstes Land der Europäischen Union kann Deutschland eine große Zahl von Menschen einfacher aufnehmen und unterbringen als kleinere Staaten. Wichtig ist daher, die Zahl der ukrainischen Flüchtlinge ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung eines Landes zu setzen.

Der Mediendienst Integration hat beispielsweise errechnet: Der EU-Staat, der gemessen an der Gesamtbevölkerung die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen hat, ist Estland: Dort kommen 49,6 Kriegsflüchtlinge auf 1000 Einwohner. Danach folgen Tschechien (46,3 Kriegsflüchtlinge pro 1000 Einwohner) und Polen (41,5). Auch die Nicht-EU-Staaten Montenegro (53,9) und Moldau (41,9) leisten hier Besonderes.

Deutschland befindet sich bei dieser Art der Rechnung mit 12,8 ukrainischen Kriegsflüchtlingen pro 1000 Einwohnern im Mittelfeld – allerdings auch weit vor anderen größeren europäischen Staaten wie Italien (2,9 pro 1000), Großbritannien (2,4) und Frankreich (1,8).

Die Lage weltweit: Mehr als 100 Millionen Menschen auf der Flucht

Immer neue Kriege und Konflikte, dazu die Pandemie und die Erderwärmung: Viele Menschen haben den Eindruck, dass die Welt in den vergangenen zehn Jahren aus den Angeln geraten ist. Und schaut man sich globale Zahlen des UN-Flüchtlingskommissariats an, trifft dieser Eindruck offenbar zu.

Tatsächlich ist die Zahl der Flüchtlinge laut UNHCR von Jahr zu Jahr gestiegen. Die Zahl der Menschen, die in ihre Heimat zurückkehren konnten, sei dagegen weiter gefallen. Filippo Grandi, der Hohe UN-Kommissar für Flüchtlinge, hat vor dem UN-Sicherheitsrat gesagt: "Es scheint, als hätten wir verlernt, Frieden zu schließen." Chris Melzer, UNHCR-Sprecher in Deutschland, fügt hinzu: "Und vergessen wir nicht, dass wir hier nicht von Menschen sprechen, die aus wirtschaftlichen Gründen freiwillig ihre Heimat verlassen und zurückkehren könnten. Nein, es geht um Männer, Frauen und Kinder, die gewaltsam vertrieben wurden, die vor schweren Menschenrechtsverletzungen, Verfolgung und Krieg geflohen sind."

In den 1990er-Jahren und den Nullerjahren schwankte die Zahl der Flüchtlinge weltweit stets um die 40 Millionen. Seit 2011 aber ist ihre Zahl beständig gestiegen. Ende 2021 hatte sie sich innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt: auf 89,3 Millionen Menschen. Das war aber noch vor der russischen Invasion in der Ukraine.

Mitte 2022 – aktuellere Zahlen gibt es noch nicht – waren dem UNHCR-Halbjahresbericht zufolge weltweit 103 Millionen Menschen auf Flucht. Wichtig ist: Die Mehrheit dieser Menschen (rund 60 Millionen) sind Binnenvertriebene. Sie sind also innerhalb ihres eigenen Landes geblieben, statt Schutz im Ausland zu suchen.

Etwa drei Viertel der Schutzsuchenden weltweit stammen dem UNHCR-Halbjahresbericht aus dem August 2022 zufolge aus diesen fünf Ländern:

  • 1. Syrien (6,8 Millionen)
  • 2. Venezuela (5,6 Millionen)
  • 3. Ukraine (zu diesem Zeitpunkt noch 5,4 Millionen)
  • 4. Afghanistan (2,8 Millionen)
  • 5. Südsudan (2,4 Millionen)

Diese Aufstellung macht deutlich: Es besteht nur wenig Hoffnung, dass sich an diesen Zahlen schnell etwas ändert. Denn für die Bürgerkriege, Wirtschaftskrisen oder internationalen Konflikte in diesen Staaten besteht derzeit wenig Aussicht auf Entspannung.

Deutschland unter den wichtigsten Aufnahmeländern

Am Ende noch einmal ein Blick auf Deutschland: Auch wenn andere Staaten gemessen an der Gesamtbevölkerung mehr zu schultern haben, spielt Deutschland in Sachen Flüchtlinge immer noch eine wichtige Rolle – auch im globalen Maßstab.

Weltweit haben – ebenfalls Stand Mitte 2022 – diese Staaten die meisten Schutzsuchenden aufgenommen:

  • 1. Türkei (3,7 Millionen)
  • 2. Kolumbien (2,3 Millionen)
  • 3. Deutschland (2,2 Millionen)
  • 4. Pakistan (1,5 Millionen)
  • 5. Uganda (1,5 Millionen)

Menschen in Arbeit und in der Grundsicherung

Für Flüchtlinge aus der Ukraine gilt in der Europäischen Union die sogenannte Massenzustromrichtlinie. Sie erhalten direkt nach der Registrierung einen Aufenthaltstitel und damit auch das Recht auf eine medizinische Grundversorgung und Sozialleistungen. Und sie können direkt arbeiten.

Eine direkte Integration in den Arbeitsmarkt scheitert in der Praxis allerdings häufig noch an mangelnden Deutschkenntnissen. Der Bundesagentur für Arbeit zufolge hatten im vergangenen Januar 159.000 Ukrainerinnen und Ukrainer einen Arbeitsplatz in Deutschland. Im Januar 2022 (also vor der russischen Invasion und der Fluchtbewegung) waren bereits 64.785 ukrainische Beschäftigte gemeldet. Seit diesem Zeitpunkt sind also rund 94.000 Beschäftigte hinzugekommen. Laut einer Studie verschiedener Bundesinstitutionen hatten im vergangenen Oktober vergangenen Jahres 17 Prozent der Geflüchteten aus der Ukrainer im erwerbsfähigen Alter eine Arbeitsstelle in Deutschland.

Im März dieses Jahres waren laut Bundesagentur für Arbeit rund 484.000 erwerbsfähige Personen aus der Ukraine bei Jobcentern und Arbeitsagenturen als arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldet. Rund 449.000 davon haben das Recht auf Sozialleistungen, zudem rund 221.000 nichterwerbsfähige Personen (zum Beispiel Kinder). Diese Zahlen umfassen allerdings auch Menschen, die derzeit nicht arbeiten können - weil sie etwa Kinder betreuen oder Integrationskurse besuchen.

Verwendete Quellen:

  • Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigte aus der Ukraine - Deutschland, Bundesländer und Regionaldirektionen (Monatszahlen)
  • Bundesagentur für Arbeit: Berichterstattung zu den Auswirkungen der Fluchtmigration aus der Ukraine auf den deutschen Arbeitsmarkt und die Grundsicherung für Arbeitsuchende
  • Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland (IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung)
  • Mediendienst Integration: Flüchtlinge aus der Ukraine
  • Internationale Organisation für Migration: Ukraine — Internal Displacement Report — General Population Survey Round 12 (16 - 23 January 2023)
  • UNHCR: Figures at a glance
  • UNHCR: Midyear Trends 2022
  • UNHCR: Ukraine Refugee Situation
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