DBB-Rekordnationalspieler Patrick Femerling erklärt im Interview mit unserer Redaktion, worauf es im Spiel gegen die USA ankommt und in welcher Hinsicht ihn das DBB-Team beeindruckt. Außerdem gibt Femerling einen Weltmeistertipp ab.

Ein Interview

Herr Femerling, wie groß ist Ihre Erleichterung über den deutschen Halbfinal-Einzug bei der Basketball-WM, der am Ende gegen Lettland noch richtig in Gefahr geraten ist?

Mehr News zum Thema Sport

Patrick Femerling: Ich habe mich wirklich darüber gefreut und fand es auch verdient am Ende. Aber die Letten waren schon ein sehr unangenehmer und würdiger Gegner, die am Ende auch den Sieg sozusagen auf der Hand hatten. Am Ende hat es aber für Deutschland gereicht und jetzt ist die Chance auf Edelmetall greifbar nah, was auch in der Mannschaft als Ziel ausgegeben wurde.

Wie groß ist das Signal nach außen vom DBB-Team, dass auch die Olympia-Qualifikation bereits gesichert ist?

Das ist großartig, denn ein vorheriges Qualifikationsturnier hätte man gewinnen müssen. Das wäre ein Höhepunkt vor dem Höhepunkt gewesen, wie es bei den Olympischen Spielen 2021 der Fall war. Das ist deutlich schwieriger, da allein schon in der Qualifikation eine Menge Arbeit steckt. Jetzt hat man nur einen Höhepunkt mit dem olympischen Turnier selbst, was den Sommer im Nationalteam möglicherweise auch etwas verkürzt und dadurch den Spielern mehr Regeneration ermöglicht. Im Moment ist das alles ein schöner Nebeneffekt, aber der Fokus liegt mehr auf dem Medaillengewinn bei dieser Weltmeisterschaft.

Femerling: "Unglaubliche mannschaftliche Geschlossenheit"

Das deutsche Team ist als einzige Mannschaft im Turnier noch ungeschlagen. Was hat Ihnen bislang am meisten imponiert an den Leistungen des DBB-Teams?

Ich fand es sehr schön zu sehen, wie homogen die Mannschaft spielt. Es ist unfassbar, wie jeder Spieler, egal in welcher Rolle er spielt, auf den Punkt bereit ist zu spielen und seine Top-Leistung abzuliefern. Jeder macht die Dinge, die die Mannschaft von ihm braucht. Sinnbildlich dafür steht David Krämer, der als 12. Mann im Kader nur ganz wenig spielt, aber emotional voll involviert ist und jederzeit bereit ist, aufs Feld zu gehen. Es gibt eine unglaubliche mannschaftliche Geschlossenheit, die auch beim Staff wie Trainern, Ärzten, Physios und Athletiktrainern weitergeht.

Was ist eine mögliche Erklärung für die Leistung von Dennis Schröder, der gegen Lettland nur vier seiner 26 Wurfversuche verwandeln konnte und wie groß ist die Chance, dass so etwas nochmal passiert?

Die Erklärung ist ganz einfach, denn Dennis Schröder ist auch ein Mensch. Bei Dirk Nowitzki gab es früher auch immer ein Spiel, wo nichts lief. Es kommt einfach vor, dass es bei NBA-Stars auch mal Tage gibt, an denen nichts zusammenläuft. Es hat nichts geklappt von den Sachen, die sonst überwiegend funktionieren. Ich habe aber keine Angst, dass ihm so etwas bei der WM noch einmal passiert. Schröder arbeitet sehr hart im Training und ist sehr selbstkritisch. Außerdem hat er in der Mannschaft die volle Unterstützung, wie bereits nach der Schlusssirene gegen Lettland zu sehen war, als er von seinen Teamkollegen in die Mitte genommen wurde. Er wird den Tag einfach aus seinem Gedächtnis streichen.

Nun geht es gegen Team USA, den Gold-Favoriten. Was zeichnet den deutschen Halbfinal-Gegner besonders aus, neben der Tatsache, dass zwölf Spieler aus der NBA im Team sind?

Es ist eine sehr, sehr athletische Mannschaft, mit einer physischen Stärke, die so keine andere Mannschaft vorweisen kann. Ballverluste oder "lange Rebounds" werden gnadenlos mit dem Tempogegenstoß bestraft. Dadurch können sie viele Punkte in kurzer Zeit erzielen. Fast jeder Spieler ist in der Lage, Topscorer zu sein. Sie sind aber in ihrer Offensive durchaus vielseitiger, als es zunächst den Anschein macht. Die Mannschaft wird auch mental bereit sein für das Spiel, denn die Niederlage gegen Litauen war der Warnschuss zur rechten Zeit.

Femerling erklärt: Darauf kommt es gegen die USA an

Worauf wird es für das deutsche Team in der Partie ankommen?

Die Mannschaft braucht viel Bewegung im Spiel, denn dann entstehen immer wieder Lücken in der US-Defensive. Gleichzeitig gilt es Fehler zu minimieren und aber auch die Gegenspieler im Eins gegen Eins sowie den Korb zu attackieren. Außerdem braucht es einen guten Start in die Partie, speziell in der Defensive, damit die USA sich nicht gleich in einen kompletten Rausch spielen. Man sollte versuchen, das eigene Tempo der Partie aufzuzwingen.

Lesen Sie auch:

Kommen wir nun noch kurz zu einem Gesamteindruck. Was hat Sie bislang bei der Weltmeisterschaft am meisten überrascht?

Als Mannschaft auf jeden Fall Lettland, eine schöne "Cinderella-Story". Natürlich ist das immer eine gute Basketballmannschaft, aber diese Leistung und diese Konstanz über das gesamte Turnier hatte ich so nicht erwartet, insbesondere da mit Kristaps Porzinigis ihr bester Spieler gefehlt hat. Das war sehr imposant. Auf der anderen Seite überrascht es mich, dass Spanien nicht den Sprung unter die besten Vier geschafft hat, als Europa- und Weltmeister. Das haben nicht viele kommen sehen, dass die dominierende Mannschaft in Europa in den vergangenen Jahren nicht dabei ist. Positiv gilt es noch hervorzuheben, dass der Südsudan sich bei der ersten WM-Teilnahme direkt für Olympia 2024 qualifiziert hat. Das ist etwas ganz Besonderes für die Spieler und die Verantwortlichen dort.

Dann bleibt nur noch eine Frage zum Schluss: Wer wird Basketball-Weltmeister?

Für mich gibt es da nur eine Antwort: Deutschland. Natürlich wird es ein unfassbar schwerer Weg, aber ich bin voller Zuversicht und wünsche mir, dass das klappt. Es wäre eine unglaublich schöne Geschichte.

Über die Person: Patrick Femerling ist Basketball-Rekordnationalspieler mit 221 Länderspielen und gewann mit dem deutschen Team WM-Bronze (2002) sowie EM-Silber (2005). Er spielte unter anderem für Berlin, Barcelona, Panathinaikos Athen und Olympiakos Piräus.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.