• Alpine leckt nach dem Verlust von Supertalent Oscar Piastri immer noch die Wunden.
  • CEO Laurent Rossi denkt laut darüber nach, die Nachwuchsakademie zu schließen.
  • Auch Mercedes-Teamchef warnt, dass man in Zukunft möglicherweise mehr Anwälte als Talente beschäftigt.

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Sebastian Vettel war treu. Lewis Hamilton auch. George Russell sowieso, Esteban Ocon ebenfalls. Sie alle bewiesen Anstand und Loyalität ihren Förderern gegenüber, auch wenn das vor allem bei den beiden Letztgenannten als Mercedes-Junioren keine Selbstverständlichkeit war. Russell fuhr immerhin drei Jahre lang in einem hoffnungslos unterlegenen Williams, Ocon setzte zwischenzeitlich sogar ein Jahr lang aus. Beide sind inzwischen feste Formel-1-Größen. Doch sind die vier noch die Vorbilder für den Nachwuchs – oder nur noch ehrenwerte Ausnahmen? Denn der Fall Oscar Piastri schreckt eine ganze Branche auf, nachdem der Australier bewiesen hat, dass Loyalität selbst bei Nachwuchsfahrern offenbar nicht mehr ganz oben auf der Prioritätenliste steht.

Bei Alpine leckt man nach dem vertraglichen und menschlichen Desaster immer noch die Wunden – und zieht drastische Konsequenzen in Erwägung. "Wenn du dich dazu entscheidest, Geld einzusparen, indem du in keine Fahrer investierst, und dann mit dem gesparten Geld die Fahrer zu dir holst, ist das ein anderer Zugang", sagte Alpine-CEO Laurent Rossi bei "The Race“.

Schließt Alpine das Nachwuchsprogramm?

Er wisse deshalb nicht, ob er weiterhin Fahrer ausbilden wolle, sagte er: "Die Alternative ist, die Piloten mit einem Vertrag an dich zu ketten, den sie vielleicht nicht gut finden." Bedeutet: "Wir stellen derzeit ernsthaft infrage, ob wir mit dem Programm weitermachen, nachdem wir die Pflichten gegenüber unseren derzeitigen Nachwuchsfahrern erfüllt haben", so Rossi, der glaubt, dass nicht nur Alpine durch die Piastri-Posse einen Kratzer abbekommen hat, sondern auch der Sport selbst.

In der Alpine-Nachwuchsakademie stehen im Moment noch die Formel-2-Piloten Jack Doohan und Oliver Caldwell sowie der amtierende Formel-3-Sieger Victor Martins und dessen F3-Kollege Caio Collet unter Vertrag. "Wir rätseln, ob wir noch neue Fahrer in das Programm aufnehmen sollen, denn warum sollten wir?", so der Alpine-CEO. "Wir haben uns für alle anderen verbrannt."

Fatale Entwicklung

Für viele Nachwuchsfahrer wäre so eine Entwicklung eine schlechte Nachricht. Eine Karriere, die im Idealfall in die Formel 1 führt, kostet vom Kartsport an gut und gerne zehn Millionen Euro, die Nachwuchsfahrer in der Regel über Sponsoren finanzieren. Oder sie docken in den Nachwuchsakademien an, wo sie gefördert werden. Sportlich, aber eben auch finanziell. Piastri war seit 2020 bei Alpine. Die Franzosen haben viel Geld in die Entwicklung des 21-Jährigen gesteckt. Die Früchte erntet ab 2023 aber McLaren.

"Die Teams investieren sehr viel Geld in die Juniorprogramme", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Zu sehen, dass du dich aus etwas hinausmanövrieren kannst, wenn du clever bist, ist nicht gut für diese Branche." Dabei geht es gar nicht darum, dass das Manöver rechtlich in Ordnung war, schließlich hat ein Schiedsgericht den Wechsel für sauber befunden. Es geht auch um Integrität und Loyalität. Keine Frage: Alpine hat in der Causa Piastri haarsträubende Fehler gemacht. Die Kaltschnäuzigkeit aber, mit der der Australier seine Karriere schon in so jungen Jahren vorantreibt, hat einige überrascht, ironischerweise in einem Geschäft, das den Nachwuchsleuten das Abgezockte im Grunde vorlebt.

Glaube an Integrität

Doch Wolff glaubt noch an so etwas wie Integrität, "aber wenn man dann etwas verdienen kann und die Möglichkeit in der Formel 1 kommt, dann heißt es plötzlich: 'Sorry'", so Wolff. Darum habe er auch mit dem Fahrermanagement aufgehört, verrät er. Man müsse positiv bleiben, meint der Österreicher, "Talente finden und sie entwickeln und dann auf ihren Charakter hoffen“, so Wolff: "Oder wir werden noch mehr Anwälte für noch strengere Verträge beschäftigen."

Nicht alle sehen die Zukunft der Nachwuchsarbeit schwarz. "Du musst nur darauf achten, welche Verträge bestehen, wenn du ein solches Programm hast. Lando [Norris] hätte McLaren vor ein paar Jahren einfach nicht verlassen können, weil wir die richtigen Verträge hatten“, sagte McLaren-Teamchef Andreas Seidl. Und Alfa-Romeo-Teamchef Fred Vasseur verweist darauf, dass es auch anders geht und nennt Vettel und Hamilton als positive Beispiele. "Die sind beim Team geblieben und sind Weltmeister geworden." Bleibt die Frage, ob sie weiterhin die Vorbilder sind - oder irgendwann die Ausnahmen.

Verwendete Quellen:

  • The Race: Alpine considering end to F1 academy after Piastri saga
  • Pressekonferenzen

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