• Charles Leclerc hat in dieser Saison in zwei Rennen gepatzt.
  • An diesen Fehlern hat der Ferrari-Star besonders zu knabbern.
  • Der Monegasse sieht die ungewöhnlich schonungslose Selbstkritik als Grundlage für seine Weiterentwicklung.

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Manchmal kommt über den Funk eine kleinlaute Entschuldigung. Hin und wieder auch ein betretenes Schweigen, gefolgt von einem genervten Sorry. Oder aber man hört einfach nur einen lauten Schrei, wenn der ganze Frust raus muss. Denn Charles Leclerc ist speziell, wenn es um die Aufarbeitung der eigenen Fehler geht, um Selbstkritik. Der Ferrari-Star ist schonungslos, offen und ehrlich. Und gnadenlos. Ob nun im ersten Moment, wenn die Emotionen noch hochkochen, oder aber mit ein wenig Abstand – der 24-Jährige nimmt kein Blatt vor den Mund und steht dazu, dass er Mist gebaut hat.

"Ich bin mir gegenüber extrem unbarmherzig", gibt er bei der BBC zu. "Und auch wenn wir als Team zusammen siegen und verlieren – meine eigenen Fehler sind für mich am schwierigsten zu akzeptieren." Wenn es um die Fehler des Teams geht, ist er zwar nicht minder deutlich, vermeidet es aber, mahnend mit dem Finger auf seine Mannschaft zu zeigen.

Zwei folgenschwere Fehler

Zwei folgenschwere Fehler hat er in dieser Saison gemacht. In Imola drehte er sich auf Platz drei liegend, als er im Kampf um eine bessere Platzierung zu viel wollte. Er fing sein Auto ab und wurde am Ende Sechster. In Frankreich drehte er sich in Führung liegend komplett von der Strecke und schied aus. Was folgte, war der eingangs erwähnte Schrei. Blanke Wut auf sich selbst. "Was in Frankreich passiert ist, hat extrem wehgetan. Mein Dreher in Imola war ebenfalls schwierig zu verkraften, auch wenn damals der Punktverlust kleiner war, da ich weiterfahren konnte", sagte Leclerc.

In der Formel 1 geht jeder Fahrer anders mit Fehlern um. Die Tendenz geht allerdings oft hin zum Schönreden oder zur puren Verweigerung, Patzer zuzugeben. Das Buch der Ausreden ist ein ebenso legendärer wie fetter Schinken, mit einer unendlichen Auswahl an Ausflüchten. Michael Schumacher war zum Beispiel in seiner aktiven Zeit jemand, der öffentlich Fehler sehr selten einräumte.

Patzer gehören zur Entwicklung

"Ich fand schon immer, dass Fehler zur eigenen Entwicklung gehören. Es gibt niemanden, der immer alles richtig macht. Früher oder später kommt ein Patzer, es ist unvermeidlich", weiß Leclerc. Er verstehe es nicht, wenn jemand Fehler zu kaschieren versuche, schon gar nicht bei einem Rennfahrer, sagte er: "Ich mag es einfach nicht, Zeit mit Ausreden zu verlieren, denn genau dann verliert man Zeit und kommt nicht vorwärts."

Sicherlich wird auch die Zusammenarbeit mit Sebastian Vettel bei Ferrari eine Rolle dabei gespielt haben, denn auch der Deutsche ist selbstkritisch. Doch Leclerc war schon vorher so. Alfa-Romeo-Teamchef Frederic Vasseur hat laut eigener Aussage nur zwei Fahrer erlebt, die so gnadenlos mit sich selbst ins Gericht gehen: Leclerc und Lewis Hamilton. Selbst bei Siegen wird kritisch auf das Rennen geschaut, wenn es nicht perfekt war.

Doch wie arbeitet Leclerc seine Fehler konkret auf? Er wählt den mentalen Ansatz. Denn meist sei ein solcher Fehler Kopfsache, sagte er. Deshalb stellt er sich die Frage: "Was genau ging zu jenem Zeitpunkt in meinem Kopf vor? Nur wenn ich mich selber verstehe, kann ich als Formel-1-Pilot Fortschritte machen." Der Lohn: 2022 ist er die klare Nummer eins bei Ferrari und der erste Verfolger von Max Verstappen (Red Bull Racing), auch wenn der Rückstand neun Rennen vor Schluss bereits 80 Punkte beträgt.

Einige Dinge geändert

Trotzdem: Nicht nur er findet, dass diese Saison, seine fünfte in der Formel 1, seine bislang beste ist, was an diversen Faktoren liegt. Mentaltraining hilft ihm, "um immer 110 Prozent geben zu können, wenn man ins Auto steigt, egal was um einen herum passiert", sagt Leclerc. Daneben hat er in der Vorbereitung auf die Rennen Dinge geändert, aber auch in der Nachbereitung. "Ich konnte am Ende des letzten Jahres spüren, dass ich sehr müde war, und ich möchte nicht müde in den letzten Teil dieses Jahres gehen, weil ich weiß, dass es eine große Chance ist und ich einfach Rennen gewinnen will."

Das Rezept dagegen: Langeweile. "Nur zu trainieren und zu Hause zu bleiben, ist im Grunde mein neues Leben", so Leclerc: "Diät, Training und zu Hause bleiben. Es gibt also viel mehr langweilige Momente, wenn ich das so nennen kann, aber die sind sehr hilfreich und ich weiß, dass sie es sind. Und das macht einen Unterschied." Wie die ausgeprägte Selbstkritik auch.

Verwendete Quellen:

  • BBC.com: Charles Leclerc: Ferrari driver on honesty, learning from mistakes & downtime on the golf course
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