- Den Titel kann Ferrari in dieser Saison wohl abhaken: Charles Leclerc hat nach 13 Rennen 80 Punkte Rückstand auf Max Verstappen.
- Ferrari-Teamchef Mattia Binotto findet, dass der Traditionsrennstall trotz vieler Fehler nichts ändern muss.
- "Sie müssen ruhiger bei Entscheidungen sein", sagte der frühere Ferrari-Pilot Felipe Massa.
Eines muss man Mattia Binotto lassen: Dem Ferrari-Teamchef merkt man die peinliche Pannenserie in dieser Saison kaum an. Wenn der Italiener mal wieder ein Taktik-Desaster oder einen schmerzhaften Ausfall des Ferrari F1-75 erklären muss, macht er das in bester Autoverkäufer-Manier.
Mit einer stoischen Ruhe und beeindruckender Gelassenheit versucht er, selbst sportlich fragwürdige Darbietungen als Erfolg an den Mann zu bringen. Sein Fazit nach 13 Rennen der laufenden Saison lautet dann auch: "Es gibt nichts, das wir ändern müssten."
Viele Tifosi werden das fraglos anders sehen, denn Ferrari lässt in diesem Jahr eine große Chance leichtfertig liegen. Trotz eines sieg- und auch titelfähigen Autos ist der Zug bei 80 Punkten Rückstand von
Fehler wiederholen sich
Leider klappt das zu selten, denn viele Fehler wiederholen sich, der größte Helfer für Verstappen auf dem Weg zum zweiten Titel sei in diesem Jahr Ferrari, spotten Kritiker. Und das ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man sich die Pleiten und Pannen bis zur Sommerpause anschaut. Wir haben genau das getan und dabei mal nachgerechnet, wie viele Punkte Ferrari und Leclerc weggeworfen haben.
Bereits im vierten Rennen in Imola waren es sieben Punkte, weil Leclerc auf Platz drei liegend zu viel wollte, sich drehte und nur Sechster wurde. Im sechsten Lauf in Barcelona gab sein Motor den Geist auf, was Leclerc 25 Punkte kostete.
Im siebten Rennen in Monaco war es die Strategie – Charles Leclerc fuhr von der Pole Position nicht zum Sieg, sondern wurde deshalb nur Vierter. Futsch waren weitere 13 Zähler. Fahrer, Technik, Strategie: Drei Rennen, drei verschiedene Probleme als Blaupause für die weiteren Wochen.
Fahrer, Technik oder die Strategie
Beim achten Saisonrennen in Baku war es erneut der Ferrari, der Leclerc mit einem Motorschaden in Führung liegend im Stich ließ – 25 weitere Punkte musste der Monegasse abschreiben. In Silverstone beim zehnten Rennen patzte dann mal wieder das Team. Leclerc lag vorne vor seinem Teamkollegen Carlos Sainz, als Ferrari bei einer Safety-Car-Phase Sainz in die Box holte, Leclerc auf alten Reifen draußen ließ und dem eigenen Titelkandidaten einmal mehr wertvolle Punkte klaute – erneut 13 an der Zahl, denn Leclerc wurde nur Vierter.
Zwei Rennen später in Frankreich patzte dann mal wieder Leclerc, als er in Führung liegend abflog und so 25 mögliche Punkte liegen ließ. Der "krönende" Abschluss vor der Sommerpause war dann erneut ein Strategie-Schlamassel: Ferrari setzte in Ungarn bei Leclerc auf die falsche (Reifen)-Taktik, wodurch er Sechster wurde, anstatt den Sieg zu feiern. Was ihn weitere 17 Punkte kostete.
Macht unter dem Strich 125 Zähler. Zugegeben, das wäre die theoretische Maximalausbeute gewesen, und nichts trifft diese Rechnung besser als der Spruch "Hätte, hätte, Fahrradkette". Doch die stattliche Anzahl zeigt, was bei einem halbwegs runden Saisonverlauf möglich gewesen wäre: ein offener WM-Kampf auf Augenhöhe mit Verstappen und Red Bull Racing. Man darf dabei nicht vergessen, dass die Patzer rund um Sainz noch nicht eingerechnet sind, die sind eine Geschichte für sich.
Felipe Massa: "Sonst könnte er dafür bezahlen"
"Ich mag ihn als Person, aber die Ergebnisse sind nicht da", sagte der frühere Ferrari-Pilot Felipe Massa, der Binotto aus seiner Zeit bei den Roten gut kennt, bei Sky Sports. "Er ist ein Teil davon. Sie müssen ruhiger bei Entscheidungen sein und verstehen, was passiert, weil viele Fehler, die zu Beginn der Saison in Bezug auf die Strategie passiert sind, immer noch passieren", so Massa, der klarstellt: "Das ist etwas, das nicht passieren darf. Er muss die Dinge schnell ändern, sonst könnte er dafür bezahlen."
Eine Statistik veranschaulicht das Titel-Dilemma noch etwas deutlicher: In den vergangenen acht (!) Rennen stand Leclerc nur ein einziges Mal auf dem Podest, als Sieger in Österreich. Das ist nicht nur viel zu wenig für einen Titelanwärter, das schreit eigentlich nach Veränderungen, nach Konsequenzen.
Binotto unter Druck
Doch Binotto macht weiter auf Berufs-Optimist. Leclerc werde als ein Anführer bei Ferrari "weiter daran arbeiten, das Team aufzubauen und auch sich selbst Schritt für Schritt aufzubauen, indem er jedes Rennen als eine Chance für einen Sieg betrachtet", sagte Binotto.
Die Stimmung sei trotz allem noch immer gut, betonte der Teamchef: "Wir gewinnen und verlieren zusammen. Ich glaube, dass wir noch immer über viel Potenzial verfügen.“ Keine Frage: Für Binotto steigt der Druck. Er wird nach der Sommerpause daran gemessen werden, ob Ferrari dieses Potenzial endlich konstant abrufen kann. Oder ob nicht doch etwas geändert werden muss.
Verwendete Quellen:
- Pressekonferenzen
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