Die Ergebnisse stimmen immer noch bei Borussia Dortmund - die Art des Fußballs unter Trainer Peter Stöger ist aber alles andere als attraktiv. Die Chancen auf eine dauerhafte Beschäftigung als BVB-Trainer stehen für den Österreicher deshalb mittlerweile nicht mehr ganz so gut.
Es soll mal eine Zeit gegeben haben, da galt André Schürrle bei den Fans von Borussia Dortmund als Inbegriff verfehlter Einkaufspolitik, als überbewerteter Profi, als eine 30 Millionen Euro teure Fehlinvestition.
Das ist noch gar nicht so lange her. Derzeit intoniert der Signal Iduna Park ein langgezogenes "Schüüüüüü", wenn der Nationalspieler an den Ball kommt.
Selbst ein gewöhnlicher Einwurf wird entsprechend akustisch untermalt. Die Zeiten ändern sich eben und beim Fußball geht es offenbar ganz besonders schnell.
Die Episode um André
Weil der BVB für eine Art Fußball stand, die wie herausgetrennt wirkt aus einem dieser DFB-Flyer: mutig, aggressiv, proaktiv.
Mit Thomas Tuchel spielte die Mannschaft auch nicht immer konstant, aber sie verfolgte einen klaren Plan und stach im Spiel mit dem Ball alleine schon deshalb heraus aus der spröden Masse der Bundesliga, weil Dortmund den Ballbesitzfußball und sein Positionsspiel pflegten und auf ein starkes Level hob.
Dann war
Das Ballbesitzspiel hat gelitten, auch deshalb wurden Dortmunder Spiele zu hektischen Veranstaltungen. Das klappte erst famos, dann weniger gut und am Ende blieb nur noch der Rauswurf des Trainers nach nicht einmal der Hälfte der Saison.
Ein paar schöne Grätschen, ein bisschen mehr Hingabe und Leidenschaft und schon rückten Spieler ins Rampenlicht, die vorher kaum beachtet wurden.
Das sagt ein bisschen was über diese Spieler aus, aber sehr viel über den Fußball, den der BVB gerade spielt und womit sich die Fans derzeit begnügen müssen.
Weit weg vom eigenen Anspruch
Borussia Dortmund ist so weit von seinem eigenen fußballerischen Anspruch entfernt wie seit Jahren nicht mehr.
Stöger hat nach dem wilden Bosz-Fußball für eine neue defensive Stabilität gesorgt und dabei einen starken Job gemacht. In der Liga ist die Mannschaft unter ihm auch nach neun Spielen noch ungeschlagen, nur sieben Tore hat der BVB in dieser Zeit kassiert - so wenige wie keine andere Mannschaft.
Die Borussia ist Zweiter und damit der beste vom Rest hintern den einteilten Bayern. Das ist die eine Seite der Geschichte.
Die andere ist deutlich weniger erfreulich. Nur 14 Tore aus den neun Spielen mit Stöger, drei davon beim Schlusslicht Köln, sind deutlich zu wenig.
Ein echtes Team-Tor, nach einer längeren Kombination aus dem Positionsspiel heraus erzielt, gab es schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr. Stattdessen hält die individuelle Klasse den BVB im Rennen um die Champions League.
Michy Batshuayi hat erst voll eingeschlagen, derzeit läuft es aber nicht mehr so beim Leihspieler aus London. Mario Götze spielt im Moment gut, ist an vielen Offensivaktionen beteiligt, dazu kommen der sehr emsige Schürrle und natürlich Marco Reus, der nach langer Verletzungspause sofort wieder funktioniert.
Sie alle sind in der Lage, eine Partie alleine zu entscheiden. Aber auf Dauer wird das nicht reichen. Es muss wieder ein nachvollziehbarer Offensivplan her. Und das ist Stögers Aufgabe.
Harsche Kritik von Zorc am Dortmunder Spiel
Nach dem mageren 1:1 gegen den FC Augsburg zürnte Sportdirektor Michael Zorc, die Mannschaft spiele "Beamtenfußball". Ob er damit auch den Trainer in die Pflicht genommen hatte, blieb unbeantwortet.
Im Januar hatte sich Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke noch voll des Lobes für Stöger geäußert.
"Ich glaube, dass die Fans Peter Stöger jetzt schon ins Herz geschlossen haben, weil er eine unaufgeregte Art hat. Er ist sehr authentisch und passt gut ins Ruhrgebiet", sagte der Geschäftsführer damals bei Sky und stellte sogleich eine Weiterbeschäftigung über den Sommer hinaus in Aussicht.
"Er hat in der Bundesliga noch kein Spiel verloren. Wenn wir weiterhin keines verlieren, wären wir schön blöd, wenn wir das nicht weitermachen würden. Wir sind zufrieden, weil er ein außergewöhnlich guter Trainer ist."
Stöger wurde als Notnagel verpflichtet, um den BVB nach einer verkorkst scheinenden Saison doch irgendwie in die Königsklasse zu führen.
Dass das Team derzeit mit Platz zwei voll im Soll ist, ist aber keine reine Eigenleistung, sondern auch einer schwachen Konkurrenz im Rennen um die begehrten Plätze geschuldet. Die Champions League ist die reine Pflicht für einen bestens aufgestellten Kader wie den des BVB.
Die Kür ist es, auch ansehnlichen Fußball zu spielen für die Fans. Und da tut sich die Mannschaft ungemein schwer.
"Nicht gekommen, um eine Ära zu prägen"
"Ich werde versuchen, meine Chance zu nutzen und dann sehen wir, was passiert. Wenn ich erfolgreich bin - es aber nicht weitergehen würde - hätte ich danach wahrscheinlich wieder gute Möglichkeiten. Wenn alles passt, bleibe ich", sagte Stöger im Januar.
Da schien es, als habe er die Mannschaft nicht nur stabilisiert, sondern könnte auch die nächsten Schritte einer inhaltlichen Entwicklung machen. Davon ist Stöger selbst nun offenbar wieder ein gutes Stück abgerückt.
"Ich bin nicht gekommen, um eine Ära zu prägen - sondern, um in einer außergewöhnlich schwierigen Situation weiterzuhelfen. Ich will nicht mit irgendeiner Spielphilosophie irgendwem die Erfolge wegnehmen", sagte Stöger bei "Amazon Music".
"Meine Aufgabe ist es, den Verein wieder in ruhigere Gewässer zu führen und sicher in die Champions-League-Plätze zu kommen und nicht, hier irgendetwas zu prägen. Deswegen habe ich auch noch keine Sekunde an eine mögliche Vertragsverlängerung gedacht. Wir werden uns diese Saison durchkämpfen müssen, denn der BVB wird bis zum Sommer keine ruhige Geschichte werden."
Das hört sich doch eher doch eher danach an, dass mit dem letzten Bundesligaspiel gegen die TSG Hoffenheim auch Stögers Amtszeit in Dortmund endet.
Es sei denn, die Mannschaft schafft es irgendwie sogar ins Finale der Europa League. Das findet wenige Tage danach in Lyon statt. Der Sieger qualifiziert sich übrigens für die Champions League in der kommenden Saison - gelingt Stöger dieser Coup, wird auch der letzte Kritiker verstimmen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.