Die Bundesliga spielt bei den klassischen Preisverleihungen im Fußball, wie dem Ballon d'Or oder auch der Weltfußballer-Wahl traditionell nur eine Nebenrolle. Das hat teilweise spezifische Gründe, unterstreicht aber auch grundsätzliche Probleme. Wir haben mit dem Experten Dr. Christoph Breuer von der Sporthochschule Köln darüber gesprochen.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Manche Dinge ändern sich offenbar nicht. Wie zum Beispiel die Nebenrolle der Bundesliga beim Ballon d’Or. Toni Kroos war in diesem Jahr auf Platz neun der beste Deutsche bei der Weltfußballer-Wahl. Bei den Mannschaften blieb Bayer Leverkusen nach einer historischen Saison ein Triumph verwehrt, ebenso wie Bayer-Trainer Xabi Alonso, der sic Carlo Ancelotti geschlagen geben musste. Jungstars wie Aleksandar Pavlovic oder Jamal Musiala waren in ihren Kategorien nicht einmal nominiert.

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Das sind Ergebnisse, die den Sport-Ökonomen Dr. Christoph Breuer nicht mehr überraschen. Denn das Dilemma hat einen bestimmten Grund, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion erklärte. "Das glamourhafte Marketing jenseits des 'klassischen Sports‘ wird im deutschen Profifußball nur extrem zurückhaltend betrieben", erklärt Breuer: "Andere Vereine wissen um die Bedeutung dieses Preises in der Aufmerksamkeitsökonomie und versuchen, ihre Spieler entsprechend zu positionieren."

Im Handstreich boykottiert

Das gilt dann auch in dem Fall, wenn ein Klub wie Real Madrid im Handstreich die ganze Veranstaltung boykottiert, weil man mit dem Ergebnis nicht einverstanden ist. Das mag ein Affront, unsportlich und eine Frechheit sein, spiegelt aber das grundsätzliche Selbstverständnis der "Königlichen" wider, die auch im positiven Sinne für ihre Aushängeschilder auf ähnlich auffällige Art und Weise trommeln und sie in Szene setzen. Ganz im Gegensatz zum FC Bayern, Borussia Dortmund und Co.

Die Passivität der Bundesliga liegt in einer traditionellen Zurückhaltung in Marketing-Segmenten, die sehr stark für eine extreme Kommerzialisierung stehen, begründet. Ein Problem laut Breuer: Die Klubs fürchten ein Stück weit die Kritik aus aktiven Fankreisen. Zum anderen scheinen sich die Vereine mit den glamourösen Auswüchsen des Profifußballs generell nicht so sehr zu identifizieren. "Aber wenn ich als Ziel habe, die Bundesliga in der Auslandsvermarktung insgesamt zu optimieren, muss ich mich auch auf diese Spielwiesen einlassen, die im globalen Bereich doch eine wesentlich stärkere Rolle in der Kommunikation zu spielen scheinen als in Deutschland", betont Breuer.

Erschwerend kommt hinzu, dass in Deutschland nach wie vor das Team im Mittelpunkt steht und eben nicht so sehr der einzelne Spieler, der Superstar. Was auch daran liegt, dass die absoluten Weltstars in der Bundesliga fehlen. Bayerns Harry Kane mag eine Ausnahme sein, er gewann bei der Gala die Gerd-Müller-Trophäe als bester Torjäger. Bei der Wahl für den Ballon d'Or wurde der Engländer aber lediglich Zehnter.

Zwei Probleme verstärken sich gegenseitig

An dieser Stelle verstärken sich zwei Probleme der Bundesliga gegenseitig: Zum einen der fehlende, kontinuierliche sportliche Erfolg auf internationaler Ebene, "weil sich im Prinzip nur Spieler positionieren können, die in den Finalrunden der Champions League mitspielen und häufig sogar als Zusatz aus Ländern kommen, in denen sie in deren Nationalmannschaften auch eine gewisse Rolle spielen können", so Breuer. "Und eine entsprechende Marketing-Zurückhaltung verstärkt das Ganze dann." Und schon muss man bei den wichtigsten internationalen Preisen der Konkurrenz regelmäßig den Vortritt lassen.

Dass die Bundesliga generell ein internationales Vermarktungsproblem hat, will der Sport-Ökonom so aber nicht stehen lassen. Der Begriff sei zu scharf formuliert, sagt er, "ich würde es eher Vermarktungszurückhaltung in bestimmten Segmenten nennen". Wobei das teilweise hausgemacht ist. Denn die Premier League ist mit ihrer Auslandsvermarktung die Benchmark in Europa, auch für die Bundesliga.

Den Rückstand auf die Premier League verkürzen

Das Ziel lautet daher schon länger, dass man den Rückstand auf die Premier League zumindest verkleinern will, denn mit einem Erlös aus der Vermarktung der internationalen Medienrechte laut "FAZ" in Höhe von rund 214 Millionen Euro pro Saison ist für die Bundesliga noch jede Menge Luft nach oben. Damit lässt man die italienische Serie A (213 Millionen Euro) knapp hinter sich, hat aber gegen La Liga (669 Millionen) oder die Premier League (2,2 Milliarden) noch keine Chance.

Und da spielt auch der Ballon d’Or durchaus eine Rolle, denn "wenn ich die Zielstellung habe, dass ich in allen Bereichen meine Einnahmen maximiere und es mir darum geht, im globalen Ausland die Marke Bundesliga oder auch die Klubmarken auf möglichst vielen Wegen zu stärken, sollte man diesen Wettbewerb stärker in den Blick und ernst nehmen".

Was vor allem an der Zielgruppe liegt, denn wie Breuer betont, gibt es "einschlägige Befunde, dass jüngere Fans und Konsumenten gerade im Ausland den Fußball viel stärker über einzelne Stars wahrnehmen und sich zunehmend mehr über Spieler als über Klubs identifizieren". Nicht wenige Fans wechseln dann sogar den Verein, um ihrem Superstar weiter zu folgen und ihn zu unterstützen.

Attraktiver für die sich wandelnden Fan-Interessen

Ganz unabhängig von individuellen Auszeichnungen wie dem Ballon d‘Or sollte sich die Bundesliga laut Breuer deshalb stärker daran orientieren, "wie man zukünftig attraktiver für die sich wandelnden Fan-Interessen und Bedürfnisse jüngerer Generationen sein kann, weil es in dem Bereich viel Potenzial gibt". Das Bewusstsein dafür sei bei der DFL aber bereits stark vorhanden, wie zum Beispiel die jüngste Diskussion um den Aufbau einer digitalen Plattform zeige, so Breuer.

Die Krux: Die Liga steht sich selbst im Weg, weil man in manchen Bereichen die letzten Vermarktungsschritte nicht geht. Ein typisches Beispiel sind die günstigeren Stehplätze, zu denen sich die meisten Vereine bekennen. In einer Liga, die von starken, auf Traditionen bestehenden Fangruppen durchzogen ist, wäre eine Abkehr davon undenkbar. "Auch das dynamische Pricing von Tickets, das in anderen Ländern mittlerweile doch weit verbreitet ist, lehnt man hierzulande ab", so Breuer: "Das zeigt, dass man einerseits sagt, man wolle den Abstand zur Premier League nicht größer werden lassen, aber gleichzeitig nicht alle zur Verfügung stehenden Hebel in Bewegung setzt."

Kann die Bundesliga sich verbessern?

Der Grat ist schmal zwischen der Wahrung der Traditionen und dem Fan als Mittelpunkt einer nachhaltigen Wertschöpfung im Profifußball sowie der Nutzung neuer Marketing-Möglichkeiten. "Wenn der heimische Fan in Deutschland andere Präferenzen hat, spielt das natürlich eine Rolle", sagt Breuer.

Das sorgt dann unter dem Strich dafür, dass die Bundesliga hinsichtlich des Erfolgs der Auslandsvermarktung klar hinter der englischen Liga und auch hinter den Topklubs der spanischen Liga steht. Und das könnte auch noch eine Weile so bleiben. Denn laut Breuer ist es "extrem schwierig, diese Positionierung zu verbessern. Denn das gelingt vor allem über dauerhaften sportlichen Erfolg".

Deutsche Klubs im Halbfinale oder Finale der Champions League sollten also nicht mehr die Ausnahme sein, sondern zur Regel werden. "Denn ohne eine attraktive sportliche Kernleistung können auch noch so pfiffige Marketingmaßnahmen global kaum Wirkung entfalten", sagt Breuer: "Wenn diese gegeben ist, dann macht es aber durchaus Sinn, zukünftig auch mehr die Glamourkarte zu spielen". Damit die Bundesliga die Nebenrolle dann doch irgendwann loswird.

Über den Gesprächspartner:

  • Dr. Christoph Breuer ist Leiter des Instituts für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln. Das international ausgerichtete Institut beschäftigt sich mit Fragestellungen, die an den Schnittstellen des Sports mit der Wirtschaftswissenschaft angesiedelt sind.

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