Der BVB hadert nach der Niederlage in Paris mit dem Schiedsrichter - dabei müsste er sich an die eigene Nase fassen: Der Borussia fehlten Mut und Überzeugung und schon wieder brauchbare Lösungen in der Offensive.

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Matthias Sammer konnte sich nur schwer beruhigen. Eigentlich war Sammer in seiner Funktion als Experte beim übertragenden Sender "Amazon Prime" gefragt, die Dortmunder Partie gegen Paris Saint-Germain einzuordnen. Das gelang allerdings nur vereinzelt.

Vielmehr regte sich Sammer über grundsätzliche Defizite im deutschen Fußball auf: Über fehlende Aggressivität in Eins-gegen-Eins-Duellen, Angst vor Fehlern und überhaupt diese Hasenfüßigkeit, die sich im weitgehenden Verzicht auf die deutschen Tugenden bemerkbar machte. Kein Kampfgeist, kein Mut, kein Elan, keine Widerstandsfähigkeit.

Und dann knöpfte sich Sammer, im Hauptberuf immer noch auch Berater der Dortmunder Führungsetage, auch noch Schiedsrichter Jesus Gil Manzano vor. Ob er eigentlich von der Uefa gesperrt werden könnte, fragte Sammer laut Sport 1 noch einmal sarkastisch in die Runde am Stehpult - und legte dann los.

"Ich bin froh, dass bald die künstliche Intelligenz kommt. Wenn ich sehe, wie der Schiedsrichter über den Platz stolziert, macht das keinen Spaß. Ein Schiedsrichter auf dem Spielfeld muss eine gewisse Autorität haben, eine gewisse Natürlichkeit. Ich mag aber dieses Arrogante, dieses Abwinken nicht", sagte Sammer, der bei der Elfmeterszene zum vorentscheidenden 1:0 für Paris eine "totale Fehlentscheidung" erkannte und nicht eine "Vielleicht- oder Kann-Entscheidung."

Terzic: "Wir waren nicht mutig genug"

Der Handelfmeter für Paris, von Kylian Mbappe zum 1:0 verwandelt und damit der Türöffner für die Gastgeber in einer zähen Partie, war tatsächlich die Schlüsselszene des Abends. Und zum wiederholten Mal - wie auch im letzten Dortmunder Champions-League-Spiel im Frühjahr beim FC Chelsea - haderten die Schwarz-Gelben nicht zu Unrecht mit den Unparteiischen. Nur: Die ganze Wahrheit der 0:2-Niederlage in Paris war das eben auch nicht.

Dortmunds Trainer Edin Terzic versuchte sich gegen den Favoriten mit seinem Hochgeschwindigkeit-Angriff an einer ebenso überraschenden wie umfassenden taktischen Änderung. Terzic ging weg vom gewohnten 4-2-3-1 und stellte mit drei gelernten Innenverteidigern auf dem Platz auf eine Dreier- beziehungsweise Fünferkette gegen den Ball um. Dazu mussten beide Stoßstürmer auf der Bank Platz nehmen, stattdessen sollten die kleinen, wendigen Karim Adeyemi und Donyell Malen bei den erwünschten schnellen Vorstößen für Gefahr sorgen.

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Schon nach einer guten Viertelstunde aber war klar, dass dieser Plan nicht aufgehen würde. Statt die massive Präsenz und die doppelte Absicherung in der Abwehr dafür zu nutzen, immer wieder auch aggressiv auf den ballführenden Gegner herauszustechen, verharrten Dortmunds Spieler zu sehr in ihren Positionen. Der BVB bekam deshalb kaum richtigen Druck auf den Ball, verteidigte stattdessen tief am eigenen Strafraum. Das gelang zwar bis auf einen Pfostenschuss des Gegners ganz gut - diese Abwehrschlacht über 90 Minuten zu bestehen, konnte aber kaum gut gehen.

Zumal die Idee, den Gegner nach einem eigenen Ballgewinn mit zwei, drei schnellen vertikalen Pässen zu erwischen, überhaupt nicht aufging. Zur Pause hatte die Borussia nur 22 Prozent Ballbesitz, jeder Angriff versandete nach zwei, maximal drei Pässen schon wieder. Das Team kam kaum einmal geordnet über die Mittellinie und verschaffte sich im Ballbesitz auch nicht die dringend notwendige körperliche und auch geistige Erholung, konnte keine Kraft schöpfen im eigenen Ballbesitz.

"Wir können es nett formulieren und sagen: Der Respekt war zu groß. Oder wir sprechen es klar an und sagen: Wir waren nicht mutig genug", kritisierte Terzic laut "Kicker" nach der Partie die schlampige Umsetzung seiner Idee. "Es steckt in uns, aber wir haben es zu spät gezeigt."

Die Offensive bleibt das Problem

Das Problem der ersten Saisonspiele wurde in Paris noch einmal deutlich sichtbar: Dem BVB fehlt es in der Offensive an klaren Abläufen, an einem Plan B und C, wenn die erste Idee nicht funktioniert. Das mag in Paris auch der veränderten Grundordnung und der Ausrichtung geschuldet gewesen sein, aber wie viel weiter andere Mannschaften sind, ist kaum noch zu übersehen.

"Wir sind nicht sauber genug", sagte Kapitän Emre Can und meinte damit die missglückten Versuche, den Ball akkurat von einem Mitspieler zum nächsten zu bekommen. Das hat man in einem ähnlichen Wortlaut schon vor vier Wochen nach dem Spiel gegen Köln gehört, verbessert hat sich seitdem wenig.

Das Spiel mit dem Ball bleibt die Königsdisziplin für den BVB, die vier Tore vom Wochenende gegen Freiburg sollten darüber auch nicht hinwegtäuschen. Viel Zeit bleibt dafür nicht. Am Wochenende warten sehr robuste Wolfsburger, danach ein Auswärtsspiel in Hoffenheim, gegen Milan ist der BVB im ersten Champions-League-Heimspiel in zwei Wochen dann schon ein bisschen unter Druck.

Verwendete Quelle:

  • Sport1.de: Bizarrer Sammer-Auftritt wegen Schiri
  • Kicker.de: Zu viel Respekt vor Paris: Terzic legt den Finger in die BVB-Wunde
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