Die Bundesliga ist zurück! Oder auch nicht… Was war gut am ersten Spieltag, worüber durfte man sich freuen? Und was passte nicht oder hat dann doch für einigen Ärger gesorgt? Eine Bestandsaufnahme.

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Von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder stammt der herrlich einfältige Satz "Zum Regieren brauche ich Bild, BamS und Glotze" und vermutlich muss man so etwas formulieren, wenn man als erster und bis heute einziger Medienkanzler der Republik gelten mag. Dank "Bild, BamS und Glotze" hat auch die Fußball-Bundesliga seit diesem Wochenende wieder Einzug gehalten in die deutschen Wohnzimmer, was in den Tagen vor dem ersten Post-Coronapausen-Spieltag immer noch fast zwei Drittel der Fans für eine falsche Entscheidung hielten.

Wie sich das Meinungsbild nach den ersten 16 Partien der deutschen Eliteligen - in der Bundesliga beschließen Werder Bremen und Bayer Leverkusen den Spieltag erst am Montagabend, in der zweiten Liga fiel die Partie Hannover gegen Dresden wegen Dynamos Mannschaftsquarantäne aus - verändert hat, dürfte sich erst in den kommenden Tagen und vielleicht Wochen zeigen. Erste Hinweise darauf, wie sich Geisterspiele anfühlen und was erstaunlich positiv, anderes aber erwartungsgemäß schlecht gelaufen ist, hat das erste Wochenende schon angedeutet. Eine Bestandsaufnahme.

Erster Bundesliga-Spieltag in Corona-Zeiten: Das war gut

Wenn es Leute gab, die bereits Entzugserscheinungen hatten nach acht Wochen ohne die Bundesliga, dann haben die nun ihr Methadon bekommen. Die Liga ist zurück, ist man geneigt zu sagen. Denn das stimmt faktisch ja auch und im günstigsten Verlauf für die Klubs drückt die DFL ihren Plan auch durch und beendet die Saison. Es gäbe dann also sportlich ermittelte Entscheidungen, was nur im Sinne des Spiels sein kann.

Es ist viel diskutiert worden über das zweifelhafte sportliche Niveau, welches die Mannschaften nach acht Wochen Wettkampfpause und nach nur einer guten Woche im vollen Mannschaftstraining anbieten könnten. Manch einer spekulierte sogar auf sagenhafte Offensivspektakel, ein 5:5 sei möglich und so weiter. Tatsächlich konnte man zwar die eine oder andere Mannschaft erkennen, die in der Schlussphase ihrer Partie etwas ausgezehrt daher kam, grundsätzlich war das fußballerische Niveau aber völlig in Ordnung. Wo Bundesliga drauf stand, war aus rein ästhetischen Gesichtspunkten fast immer auch Bundesliga drin.

Noch fehlten zwar belastbare Werte, aber gefühlt hat sich die Netto-Spielzeit etwas erhöht. Es wird auch nach Unterbrechungen etwa durch ein Foulspiel schneller weitergespielt, die Schauspieleinlagen und Dreifach-Rollen der Spieler nach handelsüblichen Fouls gab es deutlich weniger zu sehen als mit Fans im Stadion. Die Spieler verzichteten auch auf die großen Sperenzien, was sehr angenehm zu beobachten war.

Ein weiterer Faktor: Die leidigen Debatten mit dem Schiedsrichter oder dessen Assistenten wurden auf ein verträgliches Maß heruntergefahren. Es gab keine Rudelbildungen, wie man sie in einem aufgeputschten Stadien leider immer noch viel zu häufig sieht, die Schiedsrichter konnten in einem "normalen" Ton mit den Spielern sprechen und umgekehrt. Das galt im Übrigen auch für Unterbrechungen durch den VAR. Gefühlt ging die Entscheidungsfindung in den meisten Fällen schneller vonstatten als in einem voll besetzten Stadion.

Auch aus spieltaktischer Sicht waren einige kleinere Veränderungen auszumachen, die dem Spiel als solches durchaus zuträglich sein könnten. Viele Mannschaften spielten einen ruhigeren Fußball, besonders jene, die ohnehin schon eher auf Ballbesitz und ein kontrolliertes Aufbauspiel ausgelegt sind.

Die Passquoten waren deshalb leicht höher als sonst, weil sich der eine oder andere ohne die obligatorischen Pfiffe nach dem fünften, sechsten Fehlpass doch noch einen weiteren leistete und deshalb behutsamer aufbaute - im Mittelfeld war das Risiko dann aber doch plötzlich höher als sonst. Gerade jüngere Spieler mit kreativer Expertise wagten mehr, es wurde nicht nur auf die üblichen Zwei-Kontakt-Passfolgen vertraut, um vor das gegnerische Tor zu gelangen, sondern öfter mit nur einem Kontakt versucht zu spielen und es gab gefühlt auch mehr Dribblings als üblich.

Das war nicht gut

Auf der Hand liegt natürlich die im wahrsten Sinne des Wortes sterile Atmosphäre. Das hat mit Bundesliga herzlich wenig zu tun und erwies sich als so schlimm wie befürchtet. Natürlich hat das ein bisschen was von "Alte Herren, 19:00 Uhr, Flutlicht-Atmosphäre", sagte Bayerns Thomas Müller.

Dem Fußball geht seine Emotionalität komplett ab. "Die Welt bewundert unser Geister-Märchen" jubelt trotzdem die "Bild". Eine zumindest gewagte These. "Eine Liga ist zurück, der Fußball aber nicht", fasst die spanische Zeitung "El Mundo Deportivo" zusammen.

Ob und wie lange das Konzept der DFL standhalten wird, kann nach einem einzigen Spieltag nicht beantwortet werden. Es ist noch nicht einmal der erste kleine Schritt getan und es warten noch sehr viele Unwägbarkeiten, vor allen Dingen natürlich gesundheitlicher Natur. Es ist deutlich zu früh für die großen Jubelarien, das Konzept und damit die Fortführung der Saison steht weiter auf wackeligen Beinen.

Und trotzdem gab es eine Jubeldebatte. Zufällig war es mal wieder Hertha BSC, das für Unmut sorgte. Die DFL-Empfehlung über die Momente nach einem Torerfolg schossen Herthas Spieler und auch Trainer Bruno Labbadia in den Wind und waren sich danach auch keiner großen Schuld bewusst. Dass Labbadia zunächst mit Vorlagengeber Maximilian Mittelstädt den Ellbogen-Jubel zelebrierte, dem Spieler dann eine Sekunde später durchs Gesicht wischte… nun ja.

Den zu engen Körperkontakt zu Mitspieler Marko Grujic, manche wollten gar einen Kuss erkannt haben, erklärte Abwehrspieler Dedryck Boyata am Sonntag via Instagram: "Es war weder ein Kuss noch Jubel. Ich entschuldige mich dafür, dass ich meine Hände auf das Gesicht von Marko Grujic gelegt habe. Ich habe ihm Anweisungen für eine Standardsituation gegeben."

Karl-Heinz Rummenigge hat die Schlagworte "Solidarität" oder "Demut", welche die Klubs in den Diskussionen mit der Politik gerne ins Feld führten, offenbar schon wieder vergessen. Anders ist Rummenigges Breitseite gegen den DFB und dessen Präsidenten Fritz Keller nicht zu erklären. Rummenigge echauffierte sich - in der Sache wohl auch zu Recht - darüber, dass es ja der DFB sein, der in den letzten Jahren ein schlechtes Bild abgebe. Das Timing seiner Tirade war aber gelinde formuliert eher suboptimal.

Ein Ärgernis gab es in der Zweitligapartie von Wehen-Wiesbaden gegen den VfB Stuttgart: In der Nachspielzeit kam es zu einer umstrittenen Elfmeterszene, der VAR musste einschreiten. Eine derart wichtige Entscheidung in solch einer Spielphase ist ein Geschenk für den übertragenden Sender, in diesem Fall "Sky": Die fehlende Transparenz bei der Kommunikation zwischen Schiedsrichter und VAR im Kölner Keller ist seit jeher ein massiver Kritikpunkt. Nun muss die DFL die Entscheidungsfindung derzeit nicht via Videotafel in ein leeres Stadion übermitteln.

Aber zu Hause an den Bildschirmen hätte sich der eine oder andere sicher gefreut, diese Sequenz in Reinkultur zu verfolgen. Umso wichtiger wäre es also gewesen, der Diskussion zwischen Schiedsrichter Sascha Steegemann und Videoassistent Robert Kampka zu lauschen - doch leider wurde dies den Zuschauern verwehrt.

Verwendete Quellen:

  • Kicker: Müller: "Das hat natürlich was von Alte Herren, 19 Uhr"
  • Sky: Rummenigge kritisiert DFB-Boss Keller: "Vor eigener Tür fegen"
  • Twitter/VfB
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