Spektakel in Essen: Zwei Spielerinnen unter dem Radar

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Justin Kraft sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Acht Tore, mehrere Wendungen und jede Menge Tempo: Die SGS Essen und RB Leipzig lieferten sich ein spektakuläres und unterhaltsames Duell. Für beide mit Blick auf die Punkteausbeute zu wenig. Während Essen es verpasste, Kontakt nach oben herzustellen, hätte Leipzig mit einem Sieg am 1. FC Köln vorbeiziehen können.

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Zwei Protagonistinnen des torreichen Remis waren Spielerinnen, die im Saisonverlauf häufig etwas unter dem Radar fliegen. Für Essen ist Natasha Kowalski in dieser Saison eine Art Lebensversicherung. Die 20-Jährige sucht die offensiven Duelle, entwickelt stets Zug zum Tor und ist zudem eine der besten Standardschützinnen der Liga. Nach ihrem Doppelpack kommt sie auf fünf Tore und drei Assists – acht Scorerpunkte sind geteilter zweiter Platz in der Bundesliga mit fünf weiteren Spielerinnen.

Auf der anderen Seite konnte Vanessa Fudalla ebenfalls einen Doppelpack erzielen – ihre Saisontore fünf und sechs. Die 22-Jährige macht in dieser Saison aus wenigen Chancen viele Tore. Auch sie ist damit eine Art Lebensversicherung für ihr Team. Leipzig hat sich laut Datenverteiler "FBref" in der gesamten Saison erst 8,6 Expected Goals erspielt – zweitschlechtester Wert der Bundesliga.

Die Statistik sagt vor allem aus, dass die Qualität der herausgespielten Chancen eher gering ist. Mit 14 tatsächlich erzielten Toren ist das Team allerdings sehr effizient – deutlich effizienter als die Konkurrenz. Fudalla kommt derzeit auf 1,4 Expected Goals. Sie ist mit ihren sechs Treffern also ein Paradebeispiel der Leipziger Effizienz.

Eintracht Frankfurt: Eine weitere Saison im Schatten der Großen

"Die zwei Tore hinten raus gehen mir wirklich auf den Keks, weil das Ergebnis null dem Spielverlauf entspricht", sagt Eintracht-Trainer Niko Arnautis nach der 0:3-Niederlage beim VfL Wolfsburg der ARD. Die SGE haderte. Mit der eigenen Chancenverwertung, mit einer Entscheidung der Schiedsrichterin beim Führungstreffer der Wolfsburgerinnen, als Torhüterin Stina Johannes womöglich gefoult wurde – es lief einfach nicht für Frankfurt.

"Ich bin sehr enttäuscht, da war heute mehr für uns drin", sagte auch Nationalspielerin Sara Doorsoun. Gerade gegen Wolfsburgerinnen, die im Moment sehr verunsichert auftreten und nicht die Durchschlagskraft vergangener Jahre mitbringen, war damit zu rechnen, dass Frankfurt eine Chance haben würde.

Genutzt haben sie diese jedoch abermals nicht. Wie schon in den vergangenen Jahren muss die SGE die Konkurrenz ziehen lassen. In einer Saison, in der man lange gut mitzuhalten schien, reicht es offenbar wieder nicht. Arnautis sprach von einem "Bonusspiel" in Wolfsburg. Vielleicht ist es Teil des Problems, dass man sich in Frankfurt kleiner macht, als man tatsächlich ist.

Die gute Nachricht: Nach dem Auswärtsspiel in Leipzig hat man daheim gegen den FC Bayern die Möglichkeit, den Eindruck relativ schnell zu korrigieren.

TSG Hoffenheim: Nicht mal im Schatten der Großen

Die Rolle, die Eintracht Frankfurt in der Bundesliga spielt, hatte die TSG vor nicht allzu langer Zeit noch inne. Mittlerweile ist man dem Bundesliga-Mittelfeld aber näher als der Bundesliga-Spitze. Eine Entwicklung, die einem Club nicht gefallen kann, der sich selbst als progressiv versteht, was die Entwicklung des Fußballs der Frauen angeht.

Bisher hat sich die Verpflichtung von Stephan Lerch nicht bezahlt gemacht. Die TSG spielt zu behäbig in eigenem Ballbesitz und ist defensiv zu anfällig für Konter. Talent ist im Kader durchaus vorhanden. Doch Lerch hat bisher noch keine Ausrichtung gefunden, in der dieses optimal zum Vorschein kommt. Statt wie ursprünglich geplant um den dritten Platz zu spielen, deutet derzeit viel darauf hin, dass es ein Kampf um den vierten Platz wird.

Ena Mahmutovic: Zu mehr berufen

Der MSV Duisburg erkämpft sich in Freiburg den dritten Punkt der Saison. Wobei es wohl treffender wäre, würde man es so formulieren: Ena Mahmutovic erkämpft dem MSV Duisburg den dritten Punkt der Saison.

Mahmutovic ist zugleich ein gutes Beispiel dafür, warum Statistiken nicht immer so aussagekräftig sind, wie sie gern interpretiert werden. Die 20-Jährige pariert nur 56,4 Prozent der Abschlüsse, kassiert 2,85 Tore pro 90 Minuten – jeweils im Ligavergleich schwache Werte.

Doch ihre Reflexe sind beeindruckend. Sie hat das Pech, dass die MSV-Abwehr nicht Bundesliga-Niveau hat. Auch gegen den SC Freiburg parierte sie wieder Abschlüsse, die womöglich bei der einen oder anderen Torhüterin mit deutlich besserer Abwehrquote ins Tor gegangen wären. Mahmutovic gehört die Zukunft. Womöglich auch im DFB-Team. Man darf gespannt sein, wohin ihr weiterer Weg führt.

Schiedsrichterinnen: Die Diskussionen gehen weiter

Nachdem der 1. FC Nürnberg ein Statement veröffentlicht hatte, in dem es vor allem darum ging, strukturelle Probleme im Schiedsrichterwesen anzugehen, wurde eine Woche maßgeblich über eine Sache diskutiert: Der Club fordert Männer. Eine verkürzte wie auch irreführende Darstellung dessen, was tatsächlich in der Stellungnahme stand.

Der wesentliche Punkt war es nämlich, mittelfristig Strukturen zu verbessern, die Ausbildung von Frauen zu fördern und so auch die Qualität der Unparteiischen zu erhöhen. Geprägt wird das Thema nun aber zu großen Teilen von unsinnigen Geschlechterfragen.

Auch am Wochenende gab es wieder strittige Szenen. Beispielsweise ein Elfmeter für die SGS Essen, nachdem Natasha Kowalski im Strafraum zu Fall kam. Eine Situation, die streitbar ist. Kowalski wird am Oberkörper getroffen und geschoben. Reicht das für einen Elfmeter? Vielleicht nicht.

Die Entscheidung der Schiedsrichterin wurde aber nicht nur von Fans in den sozialen Netzwerken, sondern auch von Experten derart einseitig beleuchtet, dass vieles sich wieder auf eine Frage zuspitzte: Wann dürfen endlich die Männer ran?

Schaut man sich an, wie sehr diese im Fußball der Männer Woche für Woche in der Kritik stehen, dann verwundert die Überzeugung, dass sich damit alle Probleme in Luft auflösen würden, schon etwas. Es ist an der Zeit, die vom FCN angestoßene Debatte richtig zu führen und auf die wesentlichen Punkte einzugehen, statt Frauen abermals nach hinten zu drängen und alles beim Status-quo zu belassen. Es geht um Strukturen – nicht um Mann oder Frau.

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