Drei Pflichtspielniederlagen gab es beim FC Bayern zuletzt im Jahr 2015 unter Pep Guardiola, als die Meisterschaft schon in trockenen Tüchern war. Bis zuletzt, denn der Rekordmeister verlor nacheinander gegen Bayer Leverkusen, Lazio Rom und den VfL Bochum. Die Meisterschaft ist im weite Ferne gerückt, intern brodelt es gleich auf mehreren Ebenen. Und noch dazu scheint auch der Titel in der Champions League alles andere als realistisch zu sein, wenn denn überhaupt das Viertelfinale erreicht wird.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Manuel Behlert sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Als Reaktion auf die Entwicklungen der vergangenen Woche und einen schwachen Start in das Jahr 2024 gab der FC Bayern nun bekannt, dass für Tuchel im Sommer Schluss ist, ein Jahr vor Vertragsende. Das sei das Ergebnis eines intensiven Austausches gewesen. Der Trainer, der vor knapp einem Jahr als Nachfolger von Julian Nagelsmann installiert wurde, hat die gesteckten Ziele und Weiterentwicklungen nicht erreichen können. Die jetzt beschlossene Trennung im Sommer kann aber nur der Anfang vieler Umwälzungen beim erfolgreichsten Klub in Deutschland sein.

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Thomas Tuchel: Nicht frei von Fehlern

Der Trainer ist auf keinen Fall der Alleinschuldige an der aktuellen Situation. Was oft als Floskel daherkommt, trifft beim FC Bayern vollends ins Schwarze. Schon vor der Saison hat Tuchel klar aufgezeigt, welche Bereiche des Kaders noch optimiert werden können. Ein 6er kam nicht, die Abwehr war zu dünn besetzt. Die Belastung konnte nicht entsprechend gesteuert werden, Spieler mussten nach Verletzung frühzeitig wieder aufgestellt werden und ein Teufelskreis entstand.

Beim FCB stand quasi nie der gesamte Kader zur Verfügung und selbst der wäre schon hier und da auf Kante genäht gewesen. Dass Leon Goretzka mehrfach als Innenverteidiger starten oder Dayot Upamecano gleich zweimal aus dem Lazarett in die Startaufstellung rücken musste, spricht Bände. Trotzdem ist auch der Trainer nicht frei von Fehlern. Mit dem vorhandenen Spielermaterial hätte durchaus eine klarere Spielidee auf dem Platz festzustellen sein müssen.

Noch dazu war die unglückliche Kommunikation des Trainers in der einen oder anderen Situation nicht zuträglich. Joshua Kimmich wurde öffentlich geschwächt, auch wenn Tuchel im Kern damit richtig lag, ihn nicht als klassischen 6er zu sehen. Auch die mehrfache Wiederholung der Tatsache, dass er keine genaue Idee habe, warum die Mannschaft gute Trainingseindrücke nicht auf den Platz bekommt, hätte eleganter gelöst werden können.

Thomas Tuchel

FC Bayern und Tuchel trennen sich im Sommer

Die jüngsten Misserfolge haben Spuren hinterlassen. Der FC Bayern München und Trainer Thomas Tuchel werden im Sommer getrennte Wege gehen. Über die Nachfolge kann nur spekuliert werden. (Photocredit: picture alliance/empics/Richard Sellers)

Tuchels Abschied ist nur der Anfang

Natürlich ist ein Trainer oftmals das schwächste Glied in einer Kette und muss gehen, wenn die Krise "ausgewachsen" ist. Eine aktuelle Bestandsaufnahme beim FC Bayern zeigt aber, dass es damit diesmal nicht getan sein kann. Aktuellen Medienberichten zufolge sollen auch diesmal Teile des Kaders kein ideales Verhältnis zum Trainer haben, dazu gehört auch der bereits erwähnte Kimmich. Ähnliche Tendenzen mit teils variierendem Personal gab es auch bei Julian Nagelsmann und anderen Vorgängern auf dem Trainerposten.

Das zeigt, dass ein Teil des Problems auch innerhalb des Kaders zu finden ist. Einige Spieler wirken satt, wiederum andere scheinen sich auf einem großen Vertrag "auszuruhen", zumindest bringen sie keine konstanten Leistungen auf hohem Niveau. Es scheint, dass der Kader in seiner derzeitigen Zusammenstellung fast schon untrainierbar ist, wenn mehrere der besten Trainer der Welt an ihre Grenzen kommen. Bayern darf sich nicht weiter zu einer Wohlfühloase entwickeln, sondern der Konkurrenzkampf muss verschärft werden.

Das stieß Tuchel bereits an, bekam seine Wünsche aber nicht umgesetzt, zumindest nicht konsequent. Dass zum jetzigen Zeitpunkt die Trennung bereits feststeht, heißt aber nicht, dass der Kader nicht revolutioniert wird, im Gegenteil. Vielmehr scheint es eher so, als würde man beim Rekordmeister der Meinung sein, ein neuer Trainer, der in diesem Umfeld noch "unverbraucht" ist, solle den Umbruch moderieren und ohne Vorbehalte an die Aufgabe herangehen.

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Der gesamte Kader kommt auf den Prüfstand

Theoretisch besteht natürlich die Gefahr, dass Tuchel jetzt zur "lame duck" wird und sich der Negativtrend fortsetzt. Sportdirektor Christoph Freund und Bald-Sportvorstand Max Eberl werden aber genau unter die Lupe nehmen und beobachten, welcher Spieler sich in den vergangenen Wochen und Monaten der Saison wie verhält. Abgesehen von den jüngsten Neuverpflichtungen wie Harry Kane, Bryan Zaragoza, Min-jae Kim oder Sacha Boey scheint kaum ein Spieler unantastbar zu sein. Der Hunger und die Gier müssen wieder zurückkehren, um Bayern wieder die typische Bayern-Identität mit auf den Weg zu geben.

Beim Rekordmeister wurden in den vergangenen Jahren einige Fehler in der Kaderplanung gemacht. Thiago Alcântara wurde bis heute nicht, Robert Lewandowski zu spät ersetzt. Und permanent wurden verschiedene Spielerprofile gescoutet, eine klare Marschroute gab es nicht. Das führt dazu, dass es eine ungesunde Aufteilung zwischen athletisch und technisch starken Spielern im Kader gibt. Der Sommer 2024 bringt jetzt die Chance mit sich, einmal komplett aufzuräumen.

In München müssen sich neue Hierarchien entwickeln. Kaum ein Stein darf auf dem anderen bleiben, wenn langfristiger Erfolg und ein klarer Plan das Ziel sein sollen. Dabei müsse viele Fragen beantwortet werden, fast alle potenziellen Transfers hängen mehr oder weniger zusammen. Unter welchem Trainer die Neuausrichtung passiert, wird die Zukunft zeigen. Klar ist erst einmal nur, dass es viele Veränderungen geben wird und muss.

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