Beim Spiel in Mainz fühlen sich die Schalker vom Schiedsrichter und vom Video-Assistenten in mehreren Situationen benachteiligt. Wenn man genauer hinsieht, bleibt allerdings nur ein Fehler übrig.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Alex Feuerherdt dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Nach dem Schlusspfiff bei der Begegnung des 1. FSV Mainz 05 gegen den FC Schalke 04 (2:2) war es Jochen Schneider ein Bedürfnis, öffentlich seinen Unmut zu bekunden. "Ich weiß nicht, was da in Köln los ist in dem Moment", sagte der sichtlich verärgerte Schalker Sportvorstand im Interview des Senders "Sky".

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Mit "Köln" war das dort ansässige Video-Assist-Center gemeint, in dem Tobias Reichel bei dieser Partie als VAR von Schiedsrichter Patrick Ittrich fungierte. Auf ihn fokussierte Schneider seine Kritik. Er fand: "Es reicht irgendwann." Schalke fühle sich "schlecht behandelt" und "benachteiligt".

Ittrich und Reichel hatten kein leichtes Amt an diesem Tag, in gleich vier kniffligen Strafraumsituationen war eine Abstimmung zwischen ihnen notwendig. Keine dieser Situationen endete so, wie die Schalker sich das gewünscht hätten. Mit drei Entscheidungen gingen sie ausdrücklich nicht konform.

Der erste Eingriff des VAR war völlig korrekt

Die erste davon traf der Unparteiische bereits nach sechs Minuten. Einen Zweikampf im Strafraum der Gäste zwischen Matija Nastasić und dem Mainzer Jonathan Burkardt hatte er als regelgerecht bewertet, weshalb die Partie erst einmal weiterlief.

Dann aber meldete sich der Video-Assistent zu Wort und riet zu einem On-Field-Review. Als Patrick Ittrich vom Monitor an der Seitenlinie wieder aufs Feld lief, erkannte er auf Strafstoß für die Mainzer. Dafür hatte Schneider kein Verständnis, das ursprüngliche Urteil des Referees war in seinen Augen "keine krasse Fehlentscheidung".

VAR Reichel hatte Ittrich auf etwas hingewiesen, das diesem auf dem Platz entgangen war: einen Tritt von Nastasić mit der Sohle auf den Knöchel und die Ferse von Burkardt. Dazu war es zwar vermutlich nur aus Versehen gekommen, doch die Absicht ist bei Foulspielen kein Kriterium.

Was auf dem Feld nur schwer zu sehen war, zumal sich der Zweikampf vor allem im Oberkörperbereich abgespielt hatte, zeigten die Bilder deutlich. Der Eingriff aus Köln war deshalb korrekt. Daniel Brosinski verwandelte den Strafstoß zum 1:0 für Mainz 05.

Für den zweiten Mainzer Elfmeter sprach nichts

Noch stärker in Rage versetzte die Schalker der zweite Elfmeter für die Hausherren kurz vor der Halbzeitpause. Nach einem Laufduell zwischen Ozan Kabak und dem Mainzer Philippe Mateta ging der Angreifer der Gastgeber im Strafraum zu Boden, Ittrich zögerte nicht und entschied erneut auf Strafstoß. Mateta trat selbst an und traf vom Punkt.

Für "Wahnsinn" hielt das Sportvorstand Schneider, und der Schalker Trainer Manuel Baum nannte die Entscheidung "ungeheuerlich". Was in der Echtzeit zumindest nach einem vertretbaren Pfiff aussah, wurde beim Betrachten der Wiederholungen tatsächlich immer fragwürdiger.

Lediglich der kurze Kontakt an Matetas Oberschenkel bei einer gleichzeitigen leichten Berührung im Fußbereich ließe sich bei pedantischer Regelauslegung vielleicht als regelwidrig einstufen. Doch beides war außerhalb des Strafraums geschehen und damit nicht elfmeterwürdig.

Außerdem hatte Mateta beim Versuch, Kabak auf Distanz zu halten, mit seiner Hand kurz in dessen Gesicht gegriffen. Für den Strafstoß sprach also eigentlich nichts. Trotzdem blieb es nach der Überprüfung in Köln bei der ursprünglichen Entscheidung, und die Schalker Ansicht, dass der VAR auch hier hätte eingreifen sollen, ist verständlich.

Paciencia mit viel Theatralik

Das tat er dann in der 50. Minute, als Kabak das vermeintliche 2:2 erzielt hatte. Diesmal gab es keinerlei Streit über die Intervention: Der Schalker hatte den Ball unmittelbar vor seinem Torschuss an den Arm bekommen, und weil ein Handspiel in einer solchen Situation ausnahmslos immer strafbar ist, durfte der Treffer nicht zählen.

Da Schiedsrichter Ittrich das Handspiel auf dem Feld aber nicht gesehen hatte, griff der Video-Assistent Tobias Reichel ein. Daraufhin wurde das Tor annulliert – und das vollkommen zu Recht.

Die vierte Situation, die den Schalker Unmut erregte, ereignete sich nach 84 Minuten, als Goncalo Paciencia von der linken Seite mit dem Ball in den Mainzer Strafraum eindrang.

Moussa Niakhaté hielt und zog im Kampf um die Kugel ein bisschen am Trikot des Schalkers, bevor er sich den Ball schließlich mit dem linken Fuß angelte. In diesem Moment ging Paciencia zu Boden – mit viel Theatralik.

Mit zweierlei Maß gemessen?

Daran, dass das Halten ursächlich für den Sturz war, kann man jedenfalls Zweifel haben, und die Regelhüter vom International Football Association Board (Ifab) haben kürzlich noch einmal darauf hingewiesen, dass ein Halten, mit dem der Gegner nicht entscheidend an der Fortbewegung gehindert wird, nicht bestraft werden soll.

Patrick Ittrichs Entschluss, weiterspielen zu lassen, war daher vertretbar. Ein Strafstoß wäre zwar keine völlig absurde Entscheidung gewesen, aber doch eine übertrieben harte. Für den Video-Assistenten gab es jedenfalls keinen Anlass einzugreifen.

Trotzdem protestierten die Schalker, was sicherlich auch daran lag, dass sie vorher eben ihrerseits einen solch übertrieben harten, ja, falschen Elfmeter hatten hinnehmen müssen – und nun der Meinung waren, dass mit zweierlei Maß gemessen wurde.

Eine Konzessionsentscheidung zu treffen, ist für den Schiedsrichter aber immer eine schlechte Idee. Denn damit bügelt er keinen Fehler aus, sondern begeht lediglich einen weiteren. Deshalb schied diese Option für Patrick Ittrich aus.

Damit lag der Knackpunkt letztlich bei der zweiten Elfmeterentscheidung für Mainz und dabei vor allem beim nicht erfolgten Eingriff des VAR. Bei den anderen strittigen Szenen passte sowohl die Kooperation zwischen Referee und Video-Assistent als auch die jeweilige finale Entscheidung. Das sollte in all der Aufregung nicht vergessen werden.

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