Im Oktober wird der Julius-Hirsch-Preis verliehen. In Zeiten, in denen der Einsatz gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung im Stadion und anderswo kein Konsens mehr zu sein scheint, nimmt seine Bedeutung noch zu.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Mit einer emotionalen Choreografie haben die Fans des SV Werder Bremen am Sonntag beim Spiel in Mainz Hersh Goldberg-Polin gedacht. Nach elf Monaten in Geiselhaft ist der 23-Jährige Anfang September von der Hamas ermordet worden. Goldberg-Polin zählte zu den Ultras von Hapoel Jerusalem und dort zur Gruppe "Brigada Malcha", die eine Fanfreundschaft mit Werder pflegen. Auch deshalb haben Fans an seinem Schicksal besonders Anteil genommen.

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Die schrecklichen Taten des 7. Oktober sind kein isoliertes Problem einer bestimmten Region, sondern haben Folgen überall auf der Welt – auch hier in Deutschland. Laut Bundesverband der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) gab es bei antisemitischen Vorfällen von 2022 auf 2023 eine Zunahme von über 80 Prozent, rund 4.800 wurden dokumentiert. Deutlich mehr als die Hälfte ereigneten sich nach dem 7. Oktober, bei extremer Gewalt, Angriffen und Bedrohungen waren es sogar zwei Drittel aller verzeichneten Vorkommnisse.

Hirsch ist einer von nur zwei jüdischen Nationalspielern

In einer Zeit, in der sich das politische Klima auf eine Weise verschärft, wie das in Deutschland zuletzt passiert, ist Antisemitismus auch im Fußball allgegenwärtig. Und das, obwohl es viele Initiativen gibt, die sich aktiv dagegen einsetzen. Umso wichtiger ist deren Arbeit und auch, sie sichtbar zu machen – und wirtschaftlich zu ermöglichen. Einen besonderen Stellenwert hat in diesem Zusammenhang der Julius-Hirsch-Preis, den der DFB seit 2005 jährlich vergibt.

Mit dem Preis wird einerseits Hirsch selbst gedacht. Der deutsch-jüdische Nationalspieler wurde zweimal Deutscher Meister: 1910 mit dem Karlsruher FV, 1914 mit der Spielvereinigung Fürth. Er ist neben Gottfried Fuchs einer von nur zwei jüdischen Spielern in der Geschichte der deutschen Nationalelf. Hirsch wurde im Vernichtungslager Auschwitz ermordet, in das er 1943 deportiert worden war. Mit seiner Geschichte und dem Preis erinnert die DFB-Kulturstiftung aber auch an all die anderen insbesondere jüdischen Opfer der Nazis.

Anerkennung, Sichtbarkeit und Preisgeld als Dreiklang

Die Erinnerung wachzuhalten bedeutet auch, sich mit den Gräueltaten auseinanderzusetzen – und nicht denen hinterherzulaufen, die bereit scheinen, sie zu wiederholen. In diesem Jahr wird die "Initiative für mehr gesellschaftliche Verantwortung im Breitensport Fußball" (IVF) ausgezeichnet, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Ehrenamtliche und Spieler*innen im Bereich der Amateur*innen für Diskriminierungsformen und Vorurteile zu sensibilisieren. Der zweite Platz geht an den Fanclub "Blau-Weiss statt Braun" des Karlsruher SC, der sich nach dem Abstieg 2000 gründete, um gegen das Aufkommen rechter Fangruppen vorzugehen. Der Club hält zudem die Erinnerung an seine ehemaligen Spieler Hirsch und Fuchs lebendig. Der dritte Preis geht traditionell in den Amateur*innenbereich, in diesem Jahr an den FC Hertha Bonn 1918 für seine Arbeit mit geflüchteten Kindern.

Anerkennung und Sichtbarkeit sind das eine, das andere ist ein Preisgeld in Gesamthöhe von 21.000 Euro. Der Einsatz gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung darf nicht an mangelnder Finanzierung scheitern, doch oft fehlen engagierten Ehrenamtlichen die Mittel, um ihre Arbeit zu erhalten oder in der Wirkung kontinuierlich auszubauen. Wie schnell in einer Gesellschaft Kipppunkte erreicht sein können, auch das zeigt sich seit dem 7. Oktober.

Der Einsatz gegen Antisemitismus ist eine der wichtigsten Lehren aus dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte, an dem damals auch Vereine und Fans munter mitwirkten. Auch darum ist der Julius-Hirsch-Preis so bedeutend und verdient aktuell ganz besondere Aufmerksamkeit.

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