Sanés Leistungen bei der Nationalmannschaft waren durchwachsen. Kommt der Saisonstart für ihn zu früh?

Steffen Meyer
Eine Kolumne
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Er ist der Toptransfer des frisch gebackenen Triple-Siegers. Und damit gleichzeitig wohl auch der spannendste Neuzugang der gesamten Bundesliga. Leroy Sané (24) soll den FC Bayern München nach seinem Wechsel von Manchester City in den nächsten Jahren prägen.

Doch erstmal gilt es für den Nationalspieler, überhaupt wieder richtig Tritt zu fassen. Wie weit ist Sané nach seinem Kreuzbandriss? Und was kann seine Rolle in München sein? Die insgesamt wenig überzeugenden Spiele der Deutschen Fußballnationalmannschaft in der Nations League boten hier erste wichtige Erkenntnisse.

Irgendwie ist es für Sané ja eine durchaus undankbare Situation. Er wurde vor einigen Monaten vom FC Bayern als großer Hoffnungsträger verpflichtet. Die Aufgabe für die kommenden Jahre war klar. Ein erneuter Champions-League-Titel sollte her. Nun muss sich der Ex-Schalker in eine Mannschaft integrieren, die gerade zum zweiten Mal in der langen Geschichte des Clubs das Triple gewonnen hat und damit das größte Ziel bereits erreicht hat.

Noch dazu war Sané eine lange Zeit weg vom Spielgeschehen. Nach seinem Kreuzbandriss im August 2019 stand er für Manchester City nur noch einmal auf dem Feld. Für 11 Minuten beim bereits entschiedenen Premier League-Spiel gegen Burnley. Sané, der schon deutlich früher im Jahr wieder ins Training einstieg, musste sich auch wegen der Corona-Pause lange gedulden und verpasste so quasi ein komplettes Jahr. Eine schwierige Situation kurz vor dem Start der neuen Bundesligasaison.

Sané wirkt nach seinem Comeback gelöst und motiviert

Sané lässt sich das bisher jedoch nicht anmerken. Hört man ihn aktuell in Interviews sprechen oder beobachtet ihn bei Trainingseinheiten, überwiegt offenbar die Freude über die Rückkehr auf den Platz und die neuen Aufgaben, die vor ihm liegen. Gelöst und klar wirkt der 24-Jährige, der mit seinem früheren Schulkameraden Leon Goretzka und weiteren Weggefährten aus der Nationalmannschaft wie Joshua Kimmich und Serge Gnabry in München auf ein erstaunlich vertrautes Umfeld trifft.

Apropos Nationalmannschaft: Die beiden Duelle gegen Spanien und die Schweiz in der Nations League vor wenigen Tagen waren für Sané ein enorm wichtiger Test. Und für alle anderen eine Chance, seine Form nach der langen Pause zu begutachten.

Die gute Nachricht vorweg: In Sachen Tempo und Explosivität hat Sané kaum etwas eingebüßt. Wer sich Sorgen machte, dass der Kreuzbandriss seine Geschwindigkeit und Agilität auf dem Feld beeinträchtigt, kann nach den Auftritten gegen Spanien und Schweiz beruhigt aufatmen.

Sané spielte sicher nicht überragend, aber sein Tempo und Zug zum Tor waren in vielen guten Ansätzen schon wieder so stark wie vor der Verletzung. Das ist enorm wichtig für den FC Bayern, denn Sané soll vor allem Dribbelstärke, Geschwindigkeit und Torgefahr vom Flügel ins Spiel bringen.

Probleme beim letzten Pass

Probleme hatte Sané in anderen Bereichen. Er lief sich in beiden Länderspielen mehrmals fest oder verlor bei vielversprechenden Situationen am Strafraum den Ball, weil er sich falsch entschied oder das Timing nicht stimmte. Besonders auffällig war das bei einer Szene kurz vor der Halbzeit am Sonntag gegen die Schweiz, als Sané bei einem vielversprechenden Gegenstoß nicht nur den Ball verlor, sondern auch noch über seine eigenen Füße stolperte und hinfiel. Doch so ungelenk die Szene auch aussah - der FC Bayern kann trotz der insgesamt durchwachsenen Leistung zufrieden auf die beiden Auftritte Sanés blicken.

Dass er nach einer so langen Pause noch Schwierigkeiten mit dem Rhythmus und der Entscheidungsfindung hat, ist normal und erwartbar. Das kommt mit mehr Spielpraxis schnell zurück. Vor allem dann, wenn Sané mit seinen Münchner Kollegen nicht nur trainiert, sondern auch regelmäßig unter Wettkampfbedingungen auf dem Platz steht.

Mehr Variabilität in der Bayern-Offensive

Und noch etwas war bei Sanés Auftritten in der Nationalelf auffällig: Er klebte nicht an der Außenlinie, sondern driftete vom Flügel immer wieder sehr geschickt in zentralere Positionen. Entweder im Dribbling mit dem Ball am Fuß oder als Anspielstation im 8er und 10er Raum. Dass daraus in beiden Spielen nicht noch mehr Torgefahr entstand, lag an den Problemen beim letzten Pass. Diese Rolle als einrückender Flügelspieler könnte auch für den FC Bayern, der ohne echten Zehner agiert, sehr interessant sein.

Denn die extreme läuferische Intensität der letzten Wochen, die am Ende ein Schlüssel für das Triple waren, wird der FC Bayern nicht über eine Saison durchhalten können. Es wird für Flick deshalb darum gehen, mit der Mannschaft andere Wege zu finden, dem Spiel einen Stempel aufzudrücken und erfolgreich zu sein. Eine höhere Variabilität mit mehr Positionswechseln in der Offensive kann dafür durchaus ein Ansatz sein.

Sané passt gut zu Müller und Gnabry

Sané, der sich genau wie Serge Gnabry grundsätzlich auf der rechten Seite etwas wohler fühlt, könnte zum Beispiel gemeinsam mit Müller, Lewandowski und Gnabry ein solch fluides Viereck bilden. Alle vier Offensivspieler könnten dabei immer wieder Positionen tauschen oder in zentralen Räumen Überzahlsituationen schaffen. Sané bringt dafür jedenfalls einiges mit und kann dadurch mehr sein als ein klassischer Flügelangreifer.

Knapp eine Woche vor dem Saisonstart der Bundesliga lässt sich also festhalten: Sané ist gewiss noch längst nicht da, wo er hin will und wo ihn der FC Bayern in den kommenden Jahren braucht. Doch er wirkt fit, spielfreudig und hochmotiviert. Und das kann dem Rekordmeister, der nach wohlverdientem Triple-Urlaub erst jetzt so richtig ins Mannschaftstraining einsteigt, schon ab Spieltag eins - und damit früher als erwartet - richtig gut tun.

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