Die Bundesliga-Schiedsrichter erläutern inzwischen häufiger ihre Entscheidungen. Diese Transparenz ist gut, weil sie für mehr Verständnis sorgt – auch dann, wenn man einer Erklärung mal nicht zustimmen mag. So wie bei einem Handspiel in Dortmund.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Alex Feuerherdt sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Wie sehr sich die Unparteiischen in der Fußball-Bundesliga seit dem Beginn dieser Saison bemühen, erklärungswürdige oder strittige Entscheidungen gegenüber der Öffentlichkeit zu erläutern, ist auffällig und bemerkenswert. Häufiger als zuvor äußern sie sich nach einem Spiel in Interviews, zumeist gegenüber dem Fernsehen.

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Diese Transparenz ist gut, denn sie kann dafür sorgen, dass Überlegungen, Entscheidungsfindungen und Regelauslegungen der Unparteiischen für das Publikum begreiflicher werden. Und selbst wenn nicht immer alle jeder Erklärung vollumfänglich zustimmen, so tragen die Ausführungen doch zu mehr Verständnis für die Referees bei.

So gab Schiedsrichter Daniel Siebert am Freitagabend nach dem Abpfiff der Partie Borussia Dortmund – TSG 1899 Hoffenheim (1:0) bereitwillig Auskunft zu einer Szene, die nach 31 Minuten für Aufregung bei den Hausherren sorgte.

Da wollte der Dortmunder Marius Wolf im Strafraum der TSG den Ball vor das Tor schlagen, doch der in der Nähe positionierte Hoffenheimer Ozan Kabak lenkte den Ball mit dem linken Unterarm ins Toraus. Siebert entschied auf Eckstoß für den BVB, dabei blieb es auch nach der Überprüfung durch Video-Assistent Christian Dingert.

Der Unparteiische sagte später, er habe eine relativ gute Sicht auf die Szene gehabt, deren Ablauf er so beschrieb: "Wir sehen den Spieler Kabak, der die Arme auf dem Rücken verschränkt hat, also eigentlich alles dafür tut, um das Handspiel zu verhindern. Und dann geht die Hand ein bisschen raus, er will sozusagen diese Handposition lösen."

Das, so der Referee, sei für ihn nicht strafbar gewesen, schließlich sei die Hand "im Vergleich näher zum Körper gewesen, als dass sie weggestreckt war". Es bleibe damit nur noch die Frage zu beantworten: "Geht die Hand aktiv in die Flugbahn oder nicht?"

Das verneinte Siebert: "Ich habe es eher so gesehen, dass der Spieler seine Armposition lösen möchte, um sich fortzubewegen." Der Schiedsrichter bewertete die Bewegung also als natürlich und nicht als Versuch, den Ball abzulenken oder aufzuhalten.

Es spricht mehr für als gegen die Strafbarkeit von Kabaks Handspiel

Er räumte aber ein, auch mit der Argumentation für eine Strafbarkeit des Handspiels von Kabak leben zu können. Tatsächlich gab es für eine solche Bewertung gute Gründe: Der Ball kam für den Hoffenheimer nicht unerwartet, dieser hatte ihm das Gesicht zugewandt, die auf dem Rücken verschränkten Arme waren ein weiteres Anzeichen dafür, dass er mit einer Hereingabe rechnete.

Als Wolf den Ball schließlich abspielte, neigte sich Kabak leicht nach rechts – und nahm den linken Arm genau in dem Moment von seinem Rücken, als der Ball links an ihm vorbeizufliegen drohte. Er fuhr ihn nicht sonderlich weit aus, aber doch weit genug, um ihn in die Flugrichtung des Balles zu bewegen und die Kugel dadurch ins Toraus abzulenken.

Das sah nicht mehr nach dem Vorhaben aus, das Handspiel auf jeden Fall zu vermeiden und sich einfach nur fortzubewegen, sondern eher nach dem Versuch, sich breiter zu machen und damit die Trefferfläche für den Ball zu vergrößern.

Bei der Bewertung von Handspielen gibt es weiterhin einen Ermessensspielraum, aber hier sprach doch deutlich mehr für die Strafbarkeit, weshalb ein Elfmeter für die Dortmunder die deutlich bessere Entscheidung gewesen wäre. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Zeitlupe eine Handlung häufig bewusster erscheinen lässt, als sie es in der Echtzeit war.

Kein "Sichtlinienabseits" beim dritten Frankfurter Tor

Auch Sieberts Kollege Felix Brych stand nach dem Spiel am Samstagabend zwischen Eintracht Frankfurt und RB Leipzig (4:0) Rede und Antwort. Dabei ging es insbesondere um das Tor zum 3:0 für die Hessen in der 67. Minute.

Nach einem Eckstoß für die Hausherren schoss Mario Götze aufs Leipziger Tor, den Schuss konnte Torhüter Peter Gulasci zwar abwehren, aber der Ball landete so bei Tuta, der ihn aus kurzer Entfernung einschob. Der Torschütze selbst war dabei knapp nicht im Abseits, dafür aber Daichi Kamada, der sich zwischen Götze und Gulasci befand.

Nicht zum ersten Mal in dieser Saison stellte sich die Frage: War der Spieler in der Sichtlinie des Keepers, und versperrte er diesem dadurch den Blick zum Ball? Mit den Fernsehbildern war das kaum aufzulösen, einige Perspektiven schienen dafür zu sprechen, während die Hintertorkamera eher den Schluss nahelegte, dass Gulasci freie Sicht hatte.

Felix Brych erklärte schließlich im Interview des Senders Sky, warum er das Tor anerkannte und der VAR nicht eingriff: Nach dem Regelwerk liege in einer solchen Situation nur dann ein strafbares Abseits vor, wenn sich ein Spieler eindeutig in der Sichtlinie des Gegners befinde, sagte er. "Das haben wir nicht so bewertet, weil Peter Gulacsi den Ball eben die ganze Zeit gesehen hat."

Der Schlussmann habe auch "ziemlich gut reagiert". Deshalb habe das Schiedsrichterteam angenommen, "dass er den Ball gesehen hat", und damit "war das ein Tor für uns". Eine nachvollziehbare Bewertung.

Uremović hält Demirović – und hat Glück

Eine knifflige Entscheidung hatte auch Schiedsrichter Harm Osmers in der Begegnung des FC Augsburg gegen Hertha BSC (0:2) nach 23 Minuten zu treffen. Da lief der Augsburger Ermedin Demirović mit dem Ball am Fuß nach einem Steilpass seinem Gegenspieler Filip Uremović davon, der ihn wenige Meter vor dem Strafraum der Gäste in zentraler Position durch ein Halten zu Fall brachte.

Schiedsrichter Harm Osmers musste hier beurteilen, ob Uremović durch das Foulspiel eine klare Torchance verhindert, also die "Notbremse" gezogen hatte. Er entschied sich jedoch gegen eine Rote Karte und verwarnte den Herthaner lediglich. Auch nach der Überprüfung der Entscheidung durch VAR Pascal Müller änderte sich daran nichts.

Eine äußerst schwierig zu bewertende Szene, denn ob der ebenfalls mitgelaufene Berliner Marvin Plattenhardt ohne das Foulspiel seines Mitspielers den Abschluss noch hätte verhindern können, lässt sich nicht eindeutig sagen.

Plattenhardt war einerseits mit Tempo unterwegs, und der Ball rollte ein kleines Stück in seine Richtung. Möglich deshalb, dass er Demirović noch entscheidend hätte stören können. Andererseits zog sich das Halten von Uremović über einige Meter hin und bremste den Augsburger schon vor dessen Sturz. Da war Plattenhardt noch ein Stück weiter entfernt als in jenem Moment, als Demirović fiel.

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Insgesamt sprechen die Fernsehbilder eher für einen Feldverweis als für eine Gelbe Karte, aber sie widerlegen die Entscheidung des Unparteiischen nicht eindeutig. Das Foulspiel nicht als Vereitelung einer offensichtlichen Torchance zu bewerten, war daher zumindest kein klarer und offensichtlicher Fehler, sondern eine Entscheidung im Ermessensbereich von Harm Osmers.

Dass der VAR nicht intervenierte, war daher auch richtig – zumal auch ein On-Field-Review die Zweifel nicht beseitigt hätte. Bei einer Roten Karte hätte der VAR aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht interveniert. Manchmal ist eben nicht nur eine Entscheidung möglich und vertretbar.

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