In München, Leipzig und Berlin gibt es am ersten Rückrundenspieltag nach kuriosen Vorkommnissen jeweils einen indirekten Freistoß, zwei davon sogar für die angreifende Mannschaft im gegnerischen Strafraum. Die Unparteiischen sind aufmerksam, ein Tor fällt jedoch nicht aus diesen Szenen.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

Mehr News zur Bundesliga

Als in der Partie zwischen dem FC Bayern München und Borussia Mönchengladbach (1:2) rund 77 Minuten gespielt waren, deutete eigentlich nichts darauf hin, dass es gleich ein wenig Stress geben könnte. Die Gäste hatten den Ball auf Höhe der Mittellinie ins Seitenaus gespielt, und vor dem dadurch fälligen Einwurf für die Gastgeber wollten die Gladbacher gerne zwei Spieler auswechseln. So weit, so normal.

Ein Betreuer reckte auch schon die elektronische Nummerntafel in die Höhe, László Bénes und Patrick Herrmann standen bereit. Doch dann schnappte sich Thomas Müller plötzlich den Ball und führte blitzschnell den Einwurf aus. Schiedsrichter Daniel Siebert ließ ihn gewähren, damit war der Wechsel zwangsläufig auf die nächste Spielunterbrechung verschoben.

Die Gladbacher Bank war hörbar unzufrieden damit, während die Münchner einen raschen Angriff auf das Tor der Borussia ausführten. An dessen Ende gab es einen Torschuss von Robert Lewandowski, den Torhüter Yann Sommer aber festhalten konnte. Alles schien sich in Wohlgefallen aufzulösen, doch plötzlich pfiff der Unparteiische.

Mehr noch: Daniel Siebert verwarnte den Mönchengladbacher Kapitän Lars Stindl, der sich wort- und gestenreich beim Referee darüber beklagt hatte, dass dieser dem schnellen Einwurf den Vorzug gegenüber dem Wechsel gegeben hatte. Außerdem erkannte der Schiedsrichter auf indirekten Freistoß für die Bayern etwa 30 Meter vor dem Mönchengladbacher Tor – dort hatte Stindl so lautstark gemosert.

Warum der Gladbacher Kapitän sich zu Unrecht aufregt

Es war eine vollkommen richtige Entscheidung des souverän leitenden Unparteiischen. Dass er der schnellen Spielfortsetzung den Vorrang vor der Auswechslung gegeben hatte, ging in Ordnung, zumal die Gladbacher nicht verletzungsbedingt in Unterzahl waren und Siebert auch noch kein Handzeichen gegeben hatte, um seine Zustimmung zum Wechsel anzuzeigen.

Ohnehin passte die Entscheidung zu seiner großzügigen, dem Spielfluss förderlichen Linie. Und wenn sich der Schiedsrichter dazu entschließt, das Spiel zu unterbrechen, um einem Spieler die Gelbe Karte wegen unsportlichen Verhaltens zu zeigen, sehen die Regeln nun mal einen indirekten Freistoß für den Gegner vor. Auch wenn es selten dazu kommt, dürfte das doch weithin bekannt sein.

Statt bei knapper Führung in Ballbesitz zu bleiben, sah sich Borussia Mönchengladbach also einem gegnerischen Freistoß in der Nähe des eigenen Tores gegenüber. Auf weitere Proteste verzichteten die Borussen dann auch. Es kommt, zumindest im Profifußball, nicht allzu häufig vor, dass ein Unparteiischer das laufende Spiel wegen zu heftiger Proteste anhält. Daniel Siebert hat insoweit auch bewusst ein Zeichen gesetzt.

Weshalb Poulsens "hohes Bein" keinen Strafstoß zur Folge hat

In der Begegnung von RB Leipzig gegen den 1. FSV Mainz 05 (4:1) gab es ebenfalls eine Rarität zu beobachten, nämlich einen indirekten Freistoß für das angreifende Team im Strafraum der verteidigenden Mannschaft. Allerdings war hier nicht unsportliches Verhalten der Grund, sondern vielmehr gefährliches Spiel.

Als solches gilt, wie es im Regelwerk steht, "jede Aktion beim Versuch, den Ball zu spielen, durch die jemand verletzt werden könnte […], und schließt eine Aktion ein, durch die ein nahestehender Gegner aus Angst vor einer Verletzung am Spielen des Balls gehindert wird". Zu einem Körperkontakt kommt es dabei nicht, das unterscheidet das gefährliche Spiel vom Foul.

Gefährlich spielt zum Beispiel, wer mit "hohem Bein" zum Ball geht, während sich der Kopf eines gegnerischen Spielers in der Nähe befindet. So geschah es in dieser Partie nach 41 Minuten, als der Leipziger Yussuf Poulsen im eigenen Strafraum nur knapp das Haupt des Mainzer Spielers Aaron verfehlte, als er so akrobatisch wie riskant den Ball mit weit erhobenem Fuß spielte.

Schiedsrichter Deniz Aytekin unterbrach die Partie völlig zu Recht und entschied auf indirekten Freistoß für die Mainzer etwa 14 Meter vor dem Tor der Hausherren. Anschließend überprüfte der Video-Assistent die Szene noch einmal. Denn wenn sich herausgestellt hätte, dass Poulsen seinen Gegenspieler sogar getroffen hat, wäre aus dem gefährlichen Spiel ein Foul geworden und somit ein Elfmeter fällig gewesen.

Aber der VAR hatte zu Recht keine Einwände. So kam es zum Freistoß für die Gäste im Sechzehnmeterraum der Leipziger, doch Anton Stach scheiterte mit seinem Schuss schließlich an der Abwehrmauer von RB.

Für Schwolows Torverhinderung gibt es zu Recht keine Karte

Auch im Spiel Hertha BSC – 1. FC Köln (1:3) kam es zu einem indirekten Freistoß im Strafraum, jedoch aus einem anderen Grund. In der 66. Minute spielte der Berliner Niklas Stark den Ball mit dem Fuß zu seinem Keeper Alexander Schwolow zurück, dabei verschätzte er sich allerdings beim Timing und bei der Passstärke.

Der Schlussmann der Herthaner musste sich jedenfalls arg strecken, um den Ball mit der Hand am eigenen Tor vorbeizulenken und so zu verhindern, dass es zu einem Eigentor kommt. Es war einer der seltenen Verstöße gegen die sogenannte Rückpassregel. Doch der Unparteiische Alexander Sather, ursprünglich Vierter Offizieller und nach der Halbzeitpause für den verletzten Spielleiter Tobias Stieler eingesprungen, war aufmerksam und ergriff die richtigen Maßnahmen.

Er sprach den Kölner einen indirekten Freistoß am Torraum zu – und zeigte Schwolow zu Recht keine Karte. Zwar hatte der Torwart mit seiner unerlaubten Aktion ein Tor verhindert, doch im Regelwerk heißt es unmissverständlich: "Berührt der Torhüter den Ball unerlaubterweise innerhalb des eigenen Strafraums mit der Hand/dem Arm, wird ein indirekter Freistoß, aber keine Disziplinarmaßnahme verhängt."

Denn grundsätzlich dürfen die Keeper im eigenen Strafraum den Ball ja mit den Händen berühren – deshalb wird ein Verstoß von ihnen gegen die "Rückpassregel" als rein technisches Vergehen bewertet und auf die persönliche Strafe verzichtet.

Was indirekte Freistöße von direkten unterscheidet

Grundsätzlich gilt bei indirekten Freistößen, dass aus ihnen ein Tor nicht direkt erzielt werden kann, daher kommt auch ihre Bezeichnung. Das bedeutet: Außer demjenigen, der den Freistoß ausführt und den Ball damit ins Spiel bringt, muss ein weiterer Spieler – ganz egal, ob es sich dabei um einen Mit- oder um einen Gegenspieler handelt – den Ball zumindest berühren, damit ein aus dem Freistoß resultierender Treffer zählt.

Wird ein indirekter Freistoß jedoch direkt ins gegnerische Tor geschossen, dann geht es mit einem Abstoß weiter. Hat aber ein Spieler den Ball nach der Ausführung auch nur leicht berührt, dann gilt das Tor.

Übrigens kann man als Spieler oder Zuschauer ganz einfach erkennen, ob ein Freistoß direkt oder indirekt ist: Bei indirekten Freistößen hebt der Schiedsrichter vor der Ausführung einen Arm. Was aber passiert, wenn er daran einmal nicht denkt und der folgende Freistoß direkt verwandelt wird? Auch für diesen Fall haben die Regeln vorgesorgt: Der indirekte Freistoß müsste dann wiederholt werden.

An diesem Bundesligaspieltag der kuriosen indirekten Freistöße kam es dazu jedoch nicht. Denn zum einen fiel daraus gar kein Tor, zum anderen hatten die Schiedsrichter jeweils daran gedacht, einen Arm zu heben. Wie sie überhaupt auf diese auch für sie seltenen Situationen durchweg gut vorbereitet waren.

Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "Einblick" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.