Ein Schalker Spieler prüft gleich zweimal intensiv die Grenzen des Video-Assistenten, um sich anschließend in Phrasen zu hüllen. Ein Düsseldorfer leidet derweil unter den strengen Maßstäben, die bei der Weltmeisterschaft im Sommer gesetzt wurden.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne

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Mark Uth versuchte, sich nicht selbst zu belasten, aber auch keine allzu offensichtliche Ausrede zu gebrauchen. "Es ging sehr, sehr schnell", sagte der Stürmer des FC Schalke 04 nach der Partie gegen Hannover 96 (3:1) zu der Szene in der 56. Minute, in der er einen Elfmeter bekommen hatte. "Ich habe den Ball gespielt und eine Berührung gespürt. Bei dem Tempo reicht das dann."

Außerdem gebe es doch den Video-Assistenten. Der könne "ja eingreifen, wenn es eine Schwalbe sein sollte". Das tat er aber nicht, der Strafstoßpfiff von Schiedsrichter Markus Schmidt blieb unwidersprochen. Nabil Bentaleb verwandelte den Elfmeter zum 1:0 für die Schalker.

In der Realgeschwindigkeit sprach viel für ein Foul: Uth hatte den Ball nach einer Abwehr des Hannoveraner Schlussmanns Philipp Tschauner an der Torlinie als Erster erreicht. Als der Gästekeeper vergeblich mit den Händen nachgesetzt hatte, war er spektakulär zu Boden gegangen.

Die Wiederholungen zeigten jedoch, dass Uth von Tschauner nur geringfügig an Knie und Fuß berührt worden war. Dass das "bei dem Tempo reicht", wie Uth gaubte, kann man jedenfalls infrage stellen. Aber war es auch ein eindeutiger Fehler, bei dem der Video-Assistent hätte eingreifen müssen?

Nein - zumindest dann nicht, wenn dessen Eingriffsschwelle prinzipiell hoch liegen soll, der Unparteiische die Situation zudem aus gutem Blickwinkel beobachtet hat und ein Kontakt nun mal nicht zu bestreiten ist.

Beinstellen des Verteidigers oder Treten des Stürmers?

Andererseits hatte es in diesem Spiel zuvor eine äußerst niedrigschwellige Intervention aus der Kölner Videozentrale gegeben. Wiederum war Mark Uth beteiligt, der nach 32 Minuten im Zweikampf mit Josip Elez im Strafraum der Gäste zu Fall gekommen war.

Der Hannoveraner Abwehrspieler hatte sein Bein genau in dem Moment zum Ball bewegt, als Uth zum Schuss ausgeholt hatte. Dadurch traf der Schalker Stürmer schließlich den Fuß seines Gegners, bevor er selbst zu Boden ging.

Eine schwer zu überblickende, regeltechnisch schwierige Situation, in der sowohl ein Beinstellen des Verteidigers - weil Elez den Ball nicht traf - als auch ein Treten des Angreifers als Vergehen in Betracht kamen.

Schiedsrichter Schmidt entschied zunächst auf Foul von Elez und gab einen Strafstoß. Dann aber schaltete sich sein Video-Assistent ein.

Es kam schließlich zu einem Review am Spielfeldrand, woraufhin der Unparteiische den Elfmeter zurücknahm und stattdessen einen Freistoß für Hannover 96 gab.

Uth kritisiert den Schiedsrichter: "Wahnsinn"

Schmidt hatte beim Begutachten der Bilder also ein Offensivvergehen gesehen, was Uth für "Wahnsinn" hielt. Auch der Schalker Manager Christian Heidel ärgerte sich über die Korrektur: "Niemand wird behaupten, dass das" - gemeint war der Elfmeterpfiff - "eine glasklare Fehlentscheidung ist". Der zweite Strafstoß für die Gastgeber wirkte im Vergleich jedenfalls fragwürdiger.

Trotzdem war es korrekt, dass der Video-Assistent nicht noch einmal die Eingriffsschwelle so weit senkte. Auch wenn ihn Heidels Bemerkung - "Bei unserem Elfer hatten wir ein bisschen Glück, da hat es sich dann ausgeglichen" – nicht gerade begeistert haben dürfte.

Im Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach und Fortuna Düsseldorf (3:0) gab es ebenfalls einen Strafstoß: Als der Düsseldorfer Kaan Ayhan den Ball nach einem Schuss von Alassane Plea im Strafraum der Gäste mit dem rechten Unterarm spielte, zögerte Schiedsrichter Felix Brych nicht, auf den Elfmeterpunkt zu zeigen.

Ayhan wurde außerdem verwarnt, was zwangsläufig war. Denn wenn, wie hier geschehen, ein Torschuss durch ein als strafbar eingestuftes Handspiel blockiert wird, ist eine Gelbe Karte unbedingt vorgeschrieben. Denn dieses Vergehen wird regeltechnisch als Verhinderung eines aussichtsreichen Angriffs gewertet.

Fortunas Trainer Friedhelm Funkel sagte gleichwohl nach der Begegnung: "Für mich war es einfach kein Elfmeter." Er fragte: "Wo sollen die Leute denn hin? Die blocken den Schuss doch nicht absichtlich mit der Hand."

Strengere Maßstäbe seit der WM

Auch Ayhan selbst fand Brychs Entscheidung nicht in Ordnung: "Ich versuche, den Ball abzublocken, und kriege den an den Ellenbogen. Ich habe mir die ganze Zeit selbst die Frage gestellt, wie ich hingehen soll."

Tatsächlich drehte sich der Düsseldorfer ein wenig aus der Schussrichtung, allerdings mit angespanntem Arm, den er vor den Körper hielt. Der Ball kam aus kurzer Entfernung, jedoch nicht überraschend auf ihn zu.

Die WM in Russland hat in Bezug auf das Handspiel noch einmal neue Maßstäbe gesetzt. Die Auslegung ist zugunsten der angreifenden Mannschaft strenger geworden. Deshalb war Brychs Strafstoßentscheidung korrekt und somit auch kein Fall für eine Intervention des Video-Assistenten.

Es sei "nun mal eine Vergrößerung der Körperfläche, wenn die Hand oder der Arm vom Körper weg geht", befand der Mönchengladbacher Sportdirektor Max Eberl zu Recht. "Wenn es eine klare Entscheidung gewesen wäre, wäre in Köln eingeschritten worden", merkte er überdies an.

"Klar war es nicht, kompliziert war es trotzdem, aber nicht völlig unberechtigt." Daran wird man ihn vielleicht erinnern müssen, wenn in einer ähnlichen Situation einmal ein Strafstoß gegen sein Team gepfiffen werden sollte.

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