Die Begeisterung über Uli Hoeneß' Rückkehr auf den Thron des FC Bayern München war groß. Aber bremst der omnipräsente Präsident nicht auch wichtige Projekte aus?

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Uli Hoeneß ist seit November vergangenen Jahres beim FC Bayern wieder zurück in Amt und Würden. Hoeneß ist Präsident und Chef des Aufsichtsrats und hat damit beide Posten inne, die er vor der Verbüßung seiner Haftstrafe abgegeben hatte.

Als im November die Wahl zum Präsidenten anstand, hatte Hoeneß keinen Gegenkandidaten, am Ende triumphierte er mit einem fast nordkoreanisch anmutenden Wahlergebnis von 97,7 Prozent.

Die Veranstaltung im Audi Dome wurde zu einer beispiellosen Inthronisierung, der Saal platzte aus allen Nähten, vor der Halle warteten hunderte weitere Anhänger, die keinen Zutritt mehr bekamen.

Es war wie die Rückkehr eines lange vermissten Popstars, unter die lautstarken "Uli, Uli"-Rufe mischten sich im Publikum nur sehr vereinzelt auch ein paar Pfiffe. Offenbar war für diese kleine Schar an Mitgliedern Hoeneß längst nicht mehr "my president".

Reibungslose Rückkehr

Im Geschäftsjahr 2016 haben die Bayern 626,8 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, die Personalkosten beliefen sich auf 260,3 Millionen Euro. Die Mitgliederzahlen haben sich im letzten Jahrzehnt mehr als verdoppelt, derzeit hat der Klub fast 300.000 Mitglieder.

Wenn also ein Bundesligist von sich behaupten könnte, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor zu sein oder eine gesellschaftliche Instanz, dann die Bayern. Und doch funktionieren die Mechanismen ganz anders.

In der freien Wirtschaft oder in der Politik wäre die Rückkehr eines Verurteilten nicht so einfach verlaufen, sie wäre vermutlich unmöglich gewesen. Im Fußball geht so etwas offenbar problemlos.

938 Tage lagen zwischen Hoeneß' Amtsniederlegung im Mai 2014 und der Wiederwahl im November 2016. In dieser langen Zeit hat der FC Bayern einen Rekord nach dem anderen gebrochen, auf jeder Jahreshauptversammlung gab es noch schwindelerregendere Zahlen zu verkünden, die Internationalisierung des Klubs schreitet unaufhaltsam voran.

Vieles ging auch ohne Hoeneß

Karl-Heinz Rummenigge und Karl Hopfner hatten den Laden ganz gut im Griff, erste seit dem Rücktritt von Matthias Sammer schlingert der Klub in sportlichen Fragen ein wenig.

Die lange Suche nach einem Sportdirektor passt so gar nicht ins Bild der Bayern, bei denen doch alles immer zügig und hochglänzend abgearbeitet wird.

Im Gegenteil - das Thema entwickelt sich langsam zu einer nicht enden wollenden Geschichte. Als neulich Philipp Lahm seine Absage begründete, war auch die Rede von der Omnipräsenz Hoeneß' und dass diese ein Hemmschuh - womöglich nicht nur für Lahm - sei.


Tatsächlich hält sich das Gerücht, dass es auch Max Eberl wegen der allmächtigen Granden Hoeneß und Rummenigge vorzog, lieber in Mönchengladbach zu verlängern als nach München zu wechseln.

Hoeneß, der sich in den ersten Wochen seiner neuen Amtszeit recht zurückhaltend und wie angekündigt demütig verhielt, konnte das so natürlich nicht stehen lassen.

"Was mir weniger gefällt, ist, dass alles immer nach dem Motto dargestellt wird: Jeder, der den Job bekommt, muss vor mir oder Karl-Heinz Rummenigge Angst haben. Aber das Gegenteil ist der Fall", sagte Hoeneß der "Sport Bild".

Vielmehr könnten junge Manager "von unserer Erfahrung doch nur profitieren. Bessere Lehrmeister, die wissen, wie es geht, gibt es kaum. Stattdessen heißt es: Jetzt hat es wegen der Machtmenschen Hoeneß und Rummenigge mit Lahm nicht geklappt wie zuvor mit Sammer und Nerlinger."

Hoeneß-Freund Gerland übernimmt Nachwuchsleistungszentrum

Es soll aber Experten geben, die genau diese These stützen. Am Ende entscheidet der Patriarch. Ein gutes Beispiel ist die Neuausrichtung der Jugendabteilung, Hoeneß' Aufgabengebiet vor der Rückkehr als Präsident.

Die Bayern bauen in unmittelbarer Nähe der Arena ein neues Nachwuchsleistungszentrum, den Anschluss im Bereich der Jugendarbeit an die heimische und internationale Konkurrenz hat der Klub vor zehn Jahren schon verpasst.

Hoeneß selbst hatte die Nachwuchsarbeit als "Schwachstelle des Vereins" ausgemacht, die Bayern bezahlen für den Bau des neuen NLZ zwischen 80 und 90 Millionen Euro.

Alles soll neu werden, innovativ, auf dem aktuellen Stand, angetrieben von frischen Ideen. Aber die Leitung des sportlichen Bereichs wird ab kommender Saison Hermann Gerland übernehmen.

Der Tiger hat ganz sicher schon bewiesen, dass er ein gutes Händchen im Jugendbereich hat, war als U-23-Trainer erfolgreich und hat einige Talente entwickelt.

Aber es gibt auch Spieler die behaupten, nicht wegen, sondern trotz Gerland den Sprung in den Profibereich geschafft zu haben, die Verdienste des 62-Jährigen würden teilweise auch verklärt.

Gerland ist ein Hoeneß-Intimus und eine "einfache" Lösung des Problems, trotzdem wurde die Nachricht von der überwiegenden Mehrheit der Fans positiv angenommen.

Es hat sich kaum etwas geändert beim FC Bayern. Das ist auf der einen Seite eine sehr gute Nachricht, weil die Profis in den letzten Jahren nahezu unantastbar und überaus erfolgreich waren.

Andererseits kann die Jugendausbildung bei den Bayern eines ganz sicher nicht mehr vertragen: noch mehr Stillstand.

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