Der Platzverweis für Cristiano Ronaldo in der Champions League sorgt für viele Diskussionen. War er berechtigt? Oder hat der deutsche Schiedsrichter Felix Brych zu streng gehandelt? Was die Regeln sagen.

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Es war der Aufreger am ersten Spieltag in der Champions League: Cristiano Ronaldo ist mit einer Roten Karte des Feldes verwiesen worden - und das bei seinem ersten CL-Spiel für seinen neuen Klub Juventus Turin.

Was war geschehen? In der 29. Minute der Partie beim FC Valencia griff Juve über die linke Seite an, als es abseits des Spielgeschehens in der Strafraummitte zu einem Zweikampf zwischen Ronaldo und Jeison Murillo kam.

Murillo versuchte, Ronaldo mit den Armen am Weiterlaufen zu hindern, dieser versetzte seinem Gegenspieler daraufhin einen leichten Tritt gegen das Schienbein. Murillo ging recht theatralisch zu Boden, was Ronaldo so empörte, dass er sich herunterbeugte und dem Kolumbianer einen Sekundenbruchteil lang in die kurzen Haare griff und daran zog.

Anschließend kam es zu einer Rudelbildung, die der deutsche Schiedsrichter Felix Brych energisch auflöste.

Die Auseinandersetzung zwischen Ronaldo und Murillo hatte er selbst nicht gesehen. Doch sein Strafraumrichter Marco Fritz hatte sie beobachtet und rief Brych deshalb zu sich an die Torauslinie.

War es wirklich eine Tätlichkeit?

Man muss kein geübter Lippenleser sein, um zu verstehen, was er ihm sagte. "Rot Ronaldo", denn: "Er zieht ihn an den Haaren." Der Unparteiische tat, wie ihm empfohlen, und stellte den portugiesischen Superstar vom Platz. In seinem 154. Spiel in der Champions League sah "CR7" damit erstmals die Rote Karte.

Fritz und Brych hatten Ronaldos Vergehen als Tätlichkeit eingestuft. Diese liegt gemäß dem Regelwerk vor, "wenn ein Spieler ohne Kampf um den Ball übermäßige Härte oder Brutalität gegen einen Gegner, Mitspieler, Teamoffiziellen, Spieloffiziellen, Zuschauer oder eine sonstige Person einsetzt oder einzusetzen versucht."

Weiter heißt es dort: "Ein Spieler, der ohne Kampf um den Ball einem Gegner oder einer anderen Person absichtlich mit der Hand oder dem Arm an den Kopf oder ins Gesicht schlägt, begeht eine Tätlichkeit, es sei denn, die eingesetzte Kraft war vernachlässigbar."

Geschlagen hatte Cristiano Ronaldo seinen Gegner zweifellos nicht. Aber war der kurze Griff in die Haare von Murillo übermäßig hart oder brutal? Auch das wohl eher nicht – doch darüber kann man geteilter Meinung sein.

Manche Vergehen liegen in einem Graubereich und sind daher schwer einzuordnen, dazu gehört auch das von Ronaldo.

Für Ribéry gab es nur die Gelbe Karte

Ein Vergleich bietet sich an: Vor zwei Jahren hatte Franck Ribéry im Bundesligaspiel des FC Bayern München beim Hamburger SV seinen Gegenspieler Nicolai Müller während einer Spielunterbrechung kurz in die Wange gezwickt. Referee Felix Zwayer, der diesen Vorgang genau gesehen hatte, beließ es damals bei einer Gelben Karte.

Denn aus seiner Sicht waren die Voraussetzungen für eine Tätlichkeit nicht erfüllt. Für diese Bewertung gab es gute Gründe, doch auch für einen Feldverweis hätten sich Argumente finden lassen. Gemessen an Zwayers Entscheidung war die Rote Karte für Ronaldo jedoch schon hart.

Andererseits kann man der Ansicht sein, dass die im Fußball häufig zu beobachtende Unsitte von Spielern, dem Gegner ins Gesicht zu fassen, in seine Haare zu greifen, seine Wange eine Spur zu aggressiv zu tätscheln oder ihm gar mit dem Finger ins Auge zu pieksen, konsequent mit einem Platzverweis geahndet werden sollte.

Dem entgegen steht allerdings die Formulierung im Regelwerk, dass ein Schlag, bei dem die eingesetzte Kraft zu vernachlässigen ist, nicht als Tätlichkeit zu werten ist.

Wenn man den Sinn dieser Regelung zugrundelegt, gilt das sowohl für das Kneifen als auch das Ziehen an den Haaren.

Wurde Ronaldo seine Prominenz zum Verhängnis?

Ist es denkbar, dass Cristiano Ronaldo seine Prominenz gewissermaßen zum Verhängnis wurde? Wollte der Unparteiische Felix Brych sich womöglich auf keinen Fall nachsagen lassen, zu viel Respekt vor einem großen Namen zu zeigen?

Diese Annahme ist abwegig. Der Referee aus München gehört seit vielen Jahren zu den europäischen Top-Schiedsrichtern, hat eine Reihe von Spitzenspielen in der Champions League geleitet, darunter das Finale 2017. Zu seinen Stärken gehört es, die Spieler unabhängig von ihrem Bekanntheitsgrad zu behandeln.

Brych gilt aber ohnehin als ein eher strenger Referee, in dieser Eigenschaft ist er jedoch konsequent und berechenbar. Das war auch im Spiel zwischen Valencia und Juventus zu beobachten, ungeachtet der Roten Karte: Er verhängte gleich drei Strafstöße, alle waren korrekt.

Ohnehin sollte sich die Diskussion weniger um den Schiedsrichter drehen und dafür mehr um Ronaldo: Es gibt schlicht und einfach keinen vernünftigen Grund, seinen Gegner an den Haaren zu ziehen, wie kurz und leicht auch immer.

Wer das dennoch tut, riskiert nun einmal Rote Karte. So einfach ist das.

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