Inter Mailand ist für Eintracht Frankfurt die bisher größte Herausforderung auf internationalem Parkett. Luciano Spallettis Mannschaft besticht durch Kompaktheit, Erfahrung und ein paar brillanten Einzelkönnern - muss sich derzeit aber auch mit einem hausgemachten Problem herumschlagen.
Eintracht Frankfurt und seine Fans freuen wie verrückt auf ein weiteres Highlight in dieser an Höhepunkten wahrlich nicht armen Saison. Am Donnerstag ist Inter Mailand zu Gast, 18-maliger italienischer Meister, mehrfacher Champions-League-Sieger, ein Schwergewicht des Weltfußballs.
Die ganz großen Erfolge der Nerazzurri sind zwar schon ein paar Jahre her, der Strahlkraft der Mailänder - nicht nur für die Eintracht - konnten die letzten eher dürren Jahre aber kaum etwas anhaben.
Offenbar ist sogar das Gegenteil der Fall: Zum Rückspiel im Giuseppe-Meazza-Stadion haben sich bereits rund 20.000 Frankfurter Fans angekündigt. Inter gesteht der Reisegruppe aus Deutschland nicht nur den Gästeblock, sondern auch große Teile des zweiten Rangs in seinem Wohnzimmer zu.
Inter mit einer soliden Saison
Die Rahmenbedingungen für zwei große Fußballspiele dürften also passen. Die Eintracht ist bärenstark unterwegs, getragen von einer immensen Euphorie und in der Europa League mit sieben Siegen aus acht Spielen (bei einem Remis) und als Donezk-Killer mittlerweile schon so etwas wie ein kleiner Geheimtipp auf den Finaleinzug. Davor gilt es aber, im Achtelfinale nun den Brocken aus Italien wegzuräumen. Und das dürfte schwer genug werden.
Nach ein paar wilden Jahren mit einigen Eigentümerwechseln, mehrfachen Umbrüchen im Kader und ständigen Querelen mit den eigenen Fans hat sich der FC Internazionale unter Luciano Spalletti wenigstens stabilisiert.
Inter spielt nach zwei vierten Plätzen in Folge auch in dieser Saison eine ordentliche Rolle in der Serie A, wenngleich es für die Schwarz-Blauen wie für den Rest der Liga mittlerweile zum guten Ton zu gehören scheint, Serienmeister Juventus Lichtjahre hinterherzuhinken.
Saisonziel Champions-League-Qualifikation
25 Punkte nach 26 Spieltagen beträgt der Rückstand auf den einstigen Rivalen, der den italienischen Klubfußball ebenso beliebig dominiert wie die Bayern zuletzt die Bundesliga. Inter orientiert sich längst an anderen Gegnern, an Napoli, Milan, Lazio oder der Roma. Die Teilnahme an der Champions League ist das erklärte Ziel - vom Scudetto palavern in Mailand nicht mal mehr die kühnsten Fantasten.
Trotz der Niederlage am Wochenende bei Kellerkind Cagliari ist die Mannschaft gut im Soll und könnte eigentlich gut gerüstet in die Vergleiche mit der Eintracht gehen - wäre da nicht der hausgemachte Streit mit dem wichtigsten Spieler der Mannschaft.
Die Icardi-Saga
Mitte Februar hatte Spalletti seinem Mittelstürmer Mauro Icardi die Kapitänsbinde weggenommen. Icardi befindet sich seitdem quasi im Streik, verweigerte erst die Reise nach Wien zum Europa-League-Spiel gegen den SK Rapid und macht seitdem zusammen mit seiner Frau Wanda Nara, die zugleich auch seine Managerin ist, den ganzen Klub verrückt.
"Es gibt gewisse Dinge im Umfeld dieses Jungen, die geregelt werden müssen. Diese Dinge beschämen die Mannschaft und den Verein", sagte Spalletti.
Offiziell ist Icardi verletzt. Erst hatte er angeblich eine Entzündung im Knie, später Rückenbeschwerden. Inoffiziell ist klar, dass sich die Wege von Klub und Spieler im Sommer nach sechs Jahren trennen.
Mit Icardi fehlt nicht nur eine Gallions- und Identifikationsfigur, sondern der gefährlichste Angreifer. Eine Begnadigung um des gemeinsamen sportlichen Erfolgs willen scheint quasi ausgeschlossen, was für die Eintracht ein beachtlicher Vorteil ist.
Die Stärke liegt in der Defensive
Inter ist wie fast alle italienischen Mannschaften - von Juventus, Napoli und den Überfliegern aus Bergamo einmal abgesehen - keine besonders wuchtige Offensivmaschine. Die 38 Tore in der Liga sind zwar recht homogen verteilt, aber eben auch keine Hausmarke nach schon 26 Spielen.
Icardi ist mit neun Treffern der mit Abstand gefährlichste Angreifer, aber eben verhindert. Mit Lautaro Martinez, Ivan Perisic und Keita Balde hat die Mannschaft zwar vernünftige Alternativen in der Hinterhand, aber keine herausragenden Knipser.
Die große Stärke von Spallettis Truppe ist das Spiel gegen den Ball. Im 4-2-3-1 liegt der Fokus ganz klar auf der Kontrolle des Zentrums, vor dem neuen Kapitän und Keeper Samir Handanovic verteidigt eine kleine Weltauswahl aus Ghana (Kwadwo Asamoah), den Niederlanden (Stefan de Vrij), Italien (Danilo D‘Ambrosio) und der Slowakei (Milan Skriniar) solide und körperlich robust.
Der Schlüsselspieler in Spallettis Defensivkonzept ist aber Marcelo Brozovic. Der kroatische Vize-Weltmeister ist der Anker vor der Abwehr, ein ungeheuer schlauer Spieler mit überragenden strategischen Anlagen.
Über Brozovic läuft auch der Aufbau im eigenen Ballbesitz. Zusammen mit Handanovic, D‘Ambrosio und dem Belgier Radja Nainggolan bildet Brozovic nicht nur die Achse der Routine, sondern auch das Rückgrat der Mannschaft. Dazu kommen ein paar hoffnungsvolle Talente, die der Mannschaft eine gute Mischung geben aus Jugendlichkeit und Erfahrung.
Ganz andere Herausforderung als Schachtjor
Frankfurt muss sich auf einen aggressiv und kompakt verteidigenden Gegner einstellen, die im Zweifel den mutigen, aber riskanten Weg nach vorne sucht. Inter dürfte deshalb eine ganz andere Herausforderung als Schachtjor werden, auch für das Sturm-Trio Haller, Jovic und Rebic.
Handanovic ist einer der besten Torhüter Europas und im (imaginären) direkten Vergleich mit Kevin Trapp wohl noch eine Klasse besser. Dafür stellt die Eintracht den eindeutig gefährlicheren Angriff.
Eintrachts Flügelspieler könnten das Spiel entscheiden
Die Entscheidung in beiden Spielen wird wohl auf den Flügeln fallen. Inters Fokus auf die Mitte des Spielfelds lässt Raum auf den Seiten, wo Frankfurt in seinem 3-4-3 mit den sehr wuchtigen Filip Kostic und Danny da Costa sehr gut aufgestellt ist. Inter verfügt über deutlich mehr internationale Erfahrung, das ist ein nicht zu unterschätzendes Gut.
Die Eintracht dagegen strotzt nur so vor Selbstvertrauen und scheint in dieser Saison gerade in der Europa League ihre Erfüllung zu finden. Für Inter und seine Fans dagegen ist die kleine Schwester der Königsklasse eher schmückendes Beiwerk. Deshalb stehen die Chancen des letzten deutschen Klubs im Wettbewerb gar nicht so schlecht.
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