Es ist zum Verzweifeln: Die Zahl der Handelfmeter steigt dramatisch - doch die Handregel ist nur noch Auslegungssache, wie die BVB-Pleite in Paris zeigt.
Voriges Wochenende setzte
Zwei Tage später holt ihn das Thema in der Champions League ein: Sein Kollege
BVB-Berater Matthias Sammer rastete am Amazon-Mikrofon aus und sprach von einer Fehlentscheidung mit fatalen Folgen: "Der Elfmeterpfiff und das damit zusammenhängende 1:0 ist spielentscheidend und beeinflusst den Ausgang des Spiels.“ Denn, so
Die Regeln sagen: "Finger weg!"
"Nicht jede Ballberührung eines Spielers mit der Hand bzw. dem Arm gilt im Fußball als Handspiel", schreibt die Deutsche Fußball-Liga (DFL) auf ihrer Website und braucht die Länge eines halben Romans, um zu erklären, wann ein Handspiel strafwürdig ist und wann nicht. Die Ausführungen sind mit einer lustigen Überschrift betitelt, die für das ganze Thema gilt: "Finger weg!"
Die aktuelle Regel sagt:
- Ein Spieler berührt den Ball absichtlich mit der Hand oder dem Arm (zum Beispiel durch eine Bewegung der Hand oder des Arms zum Ball hin).
- Ein Spieler berührt den Ball mit der Hand oder dem Arm und vergrößert seinen Körper aufgrund der Hand- bzw. Armhaltung auf unnatürliche Art. Diese unnatürliche Vergrößerung des Körpers liegt vor, wenn die Hand- oder Armhaltung weder die Folge einer Körperbewegung des Spielers in der jeweiligen Situation ist noch mit dieser Körperbewegung gerechtfertigt werden kann. Mit der vorgenommenen Hand- oder Armhaltung geht der Spieler das Risiko ein, dass der Ball an seine Hand oder seinen Arm springt und er dafür bestraft wird.
- Ein Spieler befördert den Ball direkt mit der Hand oder dem Arm ins gegnerische Tor. Dabei ist es unerheblich, ob das Handspiel absichtlich oder unabsichtlich erfolgt.
- Ein Spieler trifft ins Tor, unmittelbar nachdem er den Ball mit der Hand oder dem Arm berührt hat. Auch in diesem Fall spielt es keine Rolle, ob das Handspiel absichtlich oder unabsichtlich erfolgt ist.
Seit Jahren verzweifeln Profispieler wie Weltmeister Mats Hummels genau wie Trainer und Journalisten an dieser einfachen Frage: Wann ist Hand Hand? Zwischendurch kamen neue Bestimmungen, die Licht in Grauzonen bringen, und Erklärungen, die Zweifel beseitigen sollten. Woche für Woche, siehe Champions League am Dienstag, geraten die Schiedsrichter in Erklärungsnot.
Die Bundesliga-Schiedsrichter können nur anwenden, was ihnen das Regelwerk vorschreibt. Erklären können sie ihre Pfiffe im Einzelfall sehr gut. Was ärgerlich ist: Ähnliche Fälle werden zu oft unterschiedlich ausgelegt, sodass die beteiligten Spieler das Gefühl für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns verlieren. Darüber entbrennt dann jedes Mal Streit.
"Die Zahl der Handelfmeter hat sich in der Bundesliga stark erhöht. Waren in der Saison 2015/2016 nur 14 Prozent aller Elfmeter "Handelfmeter“, so stieg diese Zahl in der Saison 2020/2021 auf 23 Prozent. Dies ist insbesondere auf mehr Technik (z.B. mehr Kameras) und mehr Personal, z.B. den VAR, zurückzuführen, die viel mehr Handspiele sichtbar machen als zuvor.“ So schreibt es die DFL.
Kovac fordert Klarheit
Es muss den Verantwortlichen im Schiedsrichterwesen zu denken geben, wenn VfL Wolfsburgs Trainer Niko Kovac in einer Pressekonferenz sagt: "Das mit der Handspielregel ist für mich ein Desaster. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Das hat keine Hand, hat keinen Fuß mehr. Das ist Willkür. Das ist für mich keine einheitliche Linie." Er will ja nichts Böses, sondern nur: Klarheit.
Diese Klarheit aber vermisst
Denn laut DFL liegt in diesen Fällen kein Handspiel vor:
- Prallt der Ball vom Kopf, Fuß oder dem restlichen Körper eines Spielers ab und berührt dabei den Arm oder die Hand desselben Spielers oder eines Spielers in der Nähe, gilt das nicht als Handspiel.
- Ein Kontakt des Balls mit der Schulter gilt nicht als Handspiel.
- Waren Arm oder Hand beim Ballkontakt nah am Körper und wurde der Körper demnach nicht unnatürlich größer gemacht, liegt ebenfalls kein Handspielverstoß vor.
- Berührt ein Spieler den Ball nach einem Sturz mit seiner Hand oder seinem Arm, wird dieser Vorgang selten als Handspiel gewertet, außer der Spieler streckt die Arme oder Hände während des Sturzes seitlich oder senkrecht vom Körper weg.
- Unabsichtliches Handspiel bei einer Torvorlage gilt seit der Saison 2021/2022 nicht mehr als strafbares Handspiel.
Absicht oder nicht? Maßgebliche Berührung ja oder nein? Natürliche Handbewegung oder doch Vergrößerung der Körperfläche? Man wird verrückt. Patrick Ittrich, Schiedsrichter aus Hamburg, muss auf X zugeben: "Wenn wir jetzt neben der Bewertung des Handspiels an sich auch noch bewerten müssen, wie deutlich der Kontakt war, wird es noch grauer."
Verwendete Quellen:
- X-Profil von Mats Hummels, Stand 21.9.2023
- Sport 1: Bizarrer Sammer-Auftritt wegen Schiri
- bundesliga.com: Das absichtliche Handspiel beim Fußball: "Finger weg!“
- NDR: "Desaster, Willkür": Wolfsburg-Coach Kovac kritisiert Handspielregel
- X-Profil von Patrick Ittrich, Stand 21.9.2023
Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier. Fever Pit'ch ist der tägliche Fußball-Newsletter von Pit Gottschalk. Jeden Morgen um 6:10 Uhr bekommen Abonnenten den Kommentar zum Fußballthema des Tages und die Links zu den besten Fußballstorys in den deutschen Medien.
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