Budenzauber zwischen Neujahr und dem ersten Rückrundenspieltag: Lange gehörte das wie selbstverständlich zur Bundesliga-Winterpause. Doch mittlerweile trauen sich fast keine Profimannschaften mehr in die Halle. Warum eigentlich?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Julian Münz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der vor wenigen Wochen verstorbene Abderrahim Ouakili war kein außergewöhnlicher Bundesligaspieler. Seine Karriere führte ihn in den 90er Jahren über Mainz 05 - damals noch Zweitligist - über 1860 München, damals immerhin Bundesligist, zu Tennis Borussia Berlin und schließlich wieder zurück nach Mainz. Später sollte er noch in Griechenland und beim Karlsruher SC die Schuhe schnüren. Ouakili war zweifellos begabt, aus der Masse der Bundesligaprofis herausstechen konnte er aber selten.

Mehr News zum Thema Fußball

Doch in der Halle war alles anders. Wer an einem oder mehreren Januarmorgen des Jahres 2001 beim damals noch als DSF firmierenden Sportsender einschaltete, sah den Marokkaner, wie er auf dem Kunstrasen mit wehendem Mainz-05-Trikot flink an den Gegenspielern vorbeidribbelte, wie er feine Pässe spielte und vor dem Tor eiskalt abzog. Ouakili war der letzte Torschützenkönig der im selben Jahr abgeschafften Hallenmasters.

In den 90ern und 2000er Jahren gehörten die mit Bundesligastars gespickten Turniere auf Hallenboden mindestens genau so zur Bundesliga-Winterpause wie die vogelwilden Wechselgerüchte. So sehr, dass sogar der DFB selbst ab 1988 als Schirmherr des Hallenpokals firmierte. Hier duellierten sich die Sieger mehrerer kleinerer Hallenturniere darum, wer die beste Mannschaft unter dem Dach sei. Auch der große FC Bayern und Borussia Dortmund maßen sich damals in den Hallen des Landes mit anderen Profiteams. Und sie gingen dabei am Ende oft leer aus - was zugegebenermaßen auch daran lag, dass der Hallenpokal in ihren Trophäensammlungen nie einen höheren Stellenwert erreichte.

Hallenturniere verbanden Kommerz und Fannähe

Die in der Winterpause nahezu täglich stattfindenden Hallenturniere waren dafür ein Ort, an denen kommerzielles Fußball-Entertainment auf gelebte Fannähe traf. Fast alle Turniere trugen Sponsorennamen, meistens regionale Biermarken, selbst das Spielfeld war noch mit Werbeschriftzügen tapeziert. Und die kurzen Spielzeiten eigneten sich perfekt für regelmäßige Werbepausen des beteiligten Fernsehsenders. Dafür gaben die Spieler auch gerne vom Spielfeld direkt an der Bande Interviews. Und zwischen den Spielen war auch noch Platz für ein paar Autogramme vor der Tribüne.

Dadurch vermittelten die Turniere auf engem Raum eine Fannähe, die in den (damals noch weitläufigeren) Fußball-Stadien fehlte. Dazu gab es schönen Fußball auf engem Raum zu sehen, vor allem dank Spielern wie Ouakili, die mal so durch die gegnerischen Reihen tanzen konnten, wie sie es auf dem Großfeld nie gedurft hätten. Der Ehrgeiz stand vor allem denen ins Gesicht geschrieben, die im Bundesligaalltag eher eine kleine Rolle spielten - mit Folgen: Statt erfolgsverwöhnten Allstars jubelten gegen Ende der Hallenmasters-Ära die Nachwuchstalente und Zweitreihenspieler aus Unterhaching und Fürth, für die Hachinger blieb es sogar der einzige nationale Titel, den der Verein jemals gewinnen konnte.

Nachdem die vom DFB offiziell ausgetragene Hallenmeisterschaft 2001 eingestampft wurde, blieben die regionalen Turniere noch ein paar Jahre fester Bestandteil des Jahresanfangsprogramms. Dann starben auch sie aus - weil sich nur noch wenige Profiteams fanden, die Lust hatten, die unliebsamen Termine noch vor dem Trainingslager in ihr Rahmenprogramm zu schieben. Und weil die anfangs noch den ganzen Januar überdauernde Winterpause schließlich auf ein paar Wochen Weihnachtsferien reduziert wurde.

Mittlerweile sind die Turniere ein Relikt der Vergangenheit - zumindest, wenn man von Traditionsturnieren mit Ex-Profis absieht, bei denen man aber weniger über das Fußballerische staunt als darüber, wie schnell sich der Körper eines Profisportlers in einen beachtlichen Wohlstandsbauch verwandeln kann. Hallenturniere mit Profibeteiligung sind hingegen mehr oder weniger Geschichte.

Auch Lukas Podolski vermisst Hallenturniere

Das ist schade. Denn gerade in Zeiten, in denen kein Turnier zu groß, zu kompliziert oder zu irrelevant zu sein scheint, um es nicht doch noch in den sowieso schon überfüllten Terminkalender zu pressen, erscheint es seltsam, ausgerechnet auf eine der Kultveranstaltungen des modernen Fußballs zu verzichten.

Klar, dass das enge und wendige Spiel durchaus den ein oder anderen Bänderriss verursachte, kann man nicht abstreiten. Gerade die ambitionierten Klubs nutzten diese Ausrede am Ende gerne, um doch schon früher nach Marbella oder Belek zu fliegen, als in den Hallen mittelgroßer, bundesligaferner Städte wie Oldenburg oder Riesa ihre Stammelf aufs Spiel zu setzen. Aber war es am Ende wirklich die Halle schuld, oder nicht doch das fünfte Pflichtspiel in drei Tagen? Statistiken gibt es dazu keine, bezweifelt werden darf es aber durchaus.

Das findet übrigens auch Lukas Podolski - er organisierte in diesem Winter in Gummersbach das einzige Hallenturnier in Deutschland, an dem auch Profimannschaften teilnahmen. Und ärgerte sich darüber, dass aus den höherklassigen Ligen dann doch nur der FC Schalke und der SC Paderborn vertreten waren. "Ich finde es schade, dass viele Mannschaften nicht kommen. Es heißt dann immer wegen Verletzungsgefahr und all so einem Scheiß", monierte Podolski mit deutlichen Worten. Und hielt ein kleines Plädoyer für die Rückkehr der Hallenturniere: "Ich bin auf der Straße und in der Halle groß geworden. Vier gegen Vier, viel Action, viele Tore, das ist doch genau das, was die Leute wollen."

Podolski hat deshalb nebenbei auch ein Konkurrenzprodukt ins Leben gerufen: die "Baller League", die mit schnellem Hallenfußball vor allem das jüngere Publikum ansprechen soll. Auf dem Rasen stehen vor allem Amateurspieler. Und wollen, übersehen auf dem großen Feld, genauso auftrumpfen wie einst Ouakili.


JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.