Fast täglich werden Transfers von europäischen Spielern in die saudi-arabische Pro League vermeldet. Die Einnahmen für die hiesigen Klubs sind teils enorm, weil für die schwerreichen Investoren aus dem Ölstaat Geld keine wirkliche Rolle spielt. Dadurch könnte allerdings das Financial Fairplay (FFP) der UEFA ausgehebelt werden.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Constantin Eckner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Ehemalige Spieler des englischen Premier-League-Klubs FC Chelsea treffen sich wohl immer häufiger am Flughafen von Riad. Denn seit ein paar Wochen wechseln nach und nach Fußballer von den Londonern zu Teams in die Pro League von Saudi-Arabien. Der jüngste Transfer war jener von Torwart Edouard Mendy für kolportierte 18,5 Millionen Euro zu Aufsteiger Al-Ahli SFC.

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Mendy hatte in der abgelaufenen Saison zwar nach einer Schulterverletzung seinen Stammplatz an Kepa Arrizabalaga verloren, aber mit 31 Jahren und der Leistungsbilanz der vergangenen Jahre zählt Mendy eigentlich noch nicht zum alten Eisen. Ein Verkauf kommt Chelsea aber trotzdem sehr gelegen, denn die Londoner hatten nach einem Eigentümerwechsel im vergangenen Jahr selbst horrende Summen für neue Spieler ausgegeben.

Ein Transferminus von 543 Millionen Euro

Die Marschroute der Eigentümer rund um den US-Investor Todd Boehly lautete zu jener Zeit, eine Art "Trial-and-Error"-Verfahren mit Spielern anzuwenden. Es wurden reihenweise Neuzugänge vorgestellt und man wollte im Saisonverlauf sehen, wer sich von diesen behaupten könnte. 611 Millionen Euro an Ausgaben in Form von Ablösesummen standen lediglich 68 Millionen Euro an Einnahmen gegenüber – Handgelder und weitere Boni sind da noch nicht einmal einberechnet. Heraus sprang allerdings ein 12. Platz in der Premier League – das schlechteste Resultat seit 1994.

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Neu-Trainer Mauricio Pochettino möchte jedoch nicht mit einem aufgeblähten Kader arbeiten und auch das Financial Fairplay könnte perspektivisch zum Problem für Chelsea werden. Die FFP-Regularien der Uefa zählen für Europapokalteilnehmer, was die "Blues" in der kommenden Saison nicht sind. Aber sie möchten natürlich so schnell wie möglich wieder in die Champions League.

Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman möchte WM 2030 ins Land holen

Neben Mendy konnte Chelsea zudem bereits Kalidou Koulibaly für 23 Millionen Euro nach Saudi-Arabien verkaufen. Ein Wechsel von Hakim Ziyech in den Golfstaat steht ebenfalls seit längerem im Raum. Ablösefrei ging zudem N'Golo Kanté zu Al-Ittihad Klub. Weitere könnten folgen. Generell werden die saudischen Investoren, die spätestens seit ihrem Einstieg bei Newcastle United so richtig Blut geleckt haben, weiter Spieler und auch Trainer mit viel Geld in ihre sportlich mittelklassige Liga locken. Mendy beispielsweise soll elf Millionen Euro Grundgehalt jährlich erhalten und kann bis zu drei Millionen an Boni zusätzlich einstreichen.

Al-Ahli, Al-Ittihad, Al-Hilal und Al-Nassr gehören alle dem "Public Investment Fund" (PIF), dem Kronprinz und Premierminister Mohammed bin Salman – oft nur "MBS" genannt – vorsitzt. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, die WM 2030 nach Saudi-Arabien zu holen und über den Sport ein besseres Image für sein aufgrund der Menschenrechtslage oft kritisiertes Land aufzubauen.

Untersuchungen zu Chelsea und anderen gefordert

Aufgrund der Transferaktivitäten mit den Geldern des PIF wird allerdings der europäische Transfermarkt durcheinandergebracht. Denn die Summen, die aus Saudi-Arabien geboten werden, sind des Öfteren marktunüblich. Zudem können sich Vereine von Profis trennen, die entweder überaltert sind oder zuletzt keine große Rolle spielten. Dadurch werden zusätzliche Millionen eingenommen, was wiederum das Financial Fairplay beeinflusst. Dieses besagt, dass Klubs über drei Jahre hinweg nur einen Verlust von 60 Millionen Euro verbuchen dürfen.

Dabei werden Einnahmen aus Transfers, Ticketverkäufen, TV-Rechteerlösen, Werbung und Merchandise den Ausgaben durch Transfers, Gehältern, Finanzierungen und Dividenden entgegengestellt. Ab 2025/26 dürfen Gehälter, Transfers und Beratergebühren nur noch 70 Prozent des gesamten Umsatzes eines Klubs ausmachen.

Was beispielsweise in der Vergangenheit bereits aus Bilanzen gestrichen wurde, waren marktunübliche Sponsorenverträge, weil diese laut Uefa die Einnahmenseite verfälschten.

Laut der Zeitung "The Telegraph" rufen englische Top-Klubs mittlerweile dazu auf, die Transferaktivitäten von Chelsea oder auch den Wolverhampton Wanderers in Bezug auf Saudi-Arabien zu untersuchen, denn dahinter wird ein Freifahrtschein raus aus einem möglichen FFP-Schlamassel gesehen.

Verwendete Quellen:

  • telegraph.co.uk: European rivals of Chelsea and Wolves call for inquiry into Saudi spending spree
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