Sam Kerr steht in London vor Gericht. Nach einer chaotischen Taxifahrt soll die Fußball-Ikone einen Polizisten rassistisch als "dumm und weiß" beleidigt haben. Ihr droht sogar eine Haftstrafe.

Mehr News zum Thema Fußball

Sam Kerr, eine der erfolgreichsten Fußballspielerinnen der Welt, steht derzeit vor dem Kingston Crown Court in London.

Die 31-jährige Kapitänin der australischen Nationalmannschaft und Star-Stürmerin des FC Chelsea muss sich gegen den Vorwurf verteidigen, den Metropolitan Police Officer Stephen Lovell rassistisch beleidigt zu haben. Kerr soll den Londoner Polizisten nach einer chaotischen Party-Nacht in London im Januar 2023 als "fucking stupid and white" bezeichnet haben.

Fußball-Stars übergeben sich in Taxi und verweigern Reinigungsgebühr

Der Abend begann für Kerr und ihre Verlobte Kristie Mewis, die für West Ham spielt, mit einem ausgelassenen Abendessen und Drinks in Clapham, einem Stadtteil im Südwesten Londons. Die beiden Profifußballerinnen feierten dabei Chelseas 3:2-Sieg gegen Liverpool im FA Cup, bei dem Kerr am selben Abend alle drei Tore geschossen hatte.

Gegen Mitternacht stiegen sie in ein Taxi, um nach Hause zu fahren. Doch was zunächst als harmlose Heimfahrt begann, eskalierte schnell. Nach Aussage des Taxifahrers habe sich eine der Frauen im Wagen übergeben, woraufhin er eine Reinigungsgebühr von 50 Pfund (60 Euro) verlangte. Als Kerr und Mewis sich weigerten zu zahlen, fühlte sich der Fahrer laut eigenen Aussagen provoziert, rief die polizeiliche Notrufzentrale an – und brachte die beiden Frauen daraufhin zur Polizeistation in Twickenham.

Chelsea-Star Sam Kerr (Mitte) Anfang Februar 2025 auf dem Weg ins Londoner Gericht.
Chelsea-Star Sam Kerr (Mitte) Anfang Februar 2025 auf dem Weg ins Londoner Gericht. © IMAGO / News Licensing

Während dieser 20-minütigen Taxifahrt, so berichteten Kerr und ihre Verlobte Mewis später, habe der Taxifahrer mehrfach plötzlich gestoppt, dann wieder beschleunigt und ihnen keine Möglichkeit gegeben, auszusteigen. Dabei habe Mewis angeblich angeboten, die Reinigungsgebühr zu zahlen, wenn die beiden Frauen aussteigen dürfen. Kerr schilderte, dass sie sich wie "als Geisel gehalten" gefühlt habe. "Es war extrem bedrohlich. Der Fahrer sperrte uns ein und fuhr einfach weiter," sagte Kerr.

"Ich fühlte mich in diesem Moment als Frau nicht geschützt. In diesem Moment fühlte ich mich sehr bedroht, wie ich behandelt wurde und fürchtete um mein Leben in diesem Taxi."

Sam Kerr vor Gericht

Am Dienstag sagte Kerr vor Gericht: "Ich habe mich sehr, sehr bedroht gefühlt. Ich bin ein sehr ehrlicher Mensch, und ich fühlte mich in diesem Moment als Frau nicht geschützt. In diesem Moment fühlte ich mich sehr bedroht, wie ich behandelt wurde und fürchtete um mein Leben in diesem Taxi."

Kristie Mewis versuchte, aus dem Taxi-Fenster zu fliehen

Die Situation eskalierte weiter, als das hintere Fenster des Taxis zu Bruch ging. Wie Kerr am Mittwoch vor Gericht aussagte, sei ihre Verlobte Mewis durch das zerbrochene Fenster geklettert, welches die West-Ham-Spielerin zuvor mit dem Fuß eingeschlagen habe. Dabei verletzte sich Mewis an den Händen. Als die Polizei eintraf, darunter Stephen Lovell, machte der Taxifahrer lautstark auf den Schaden aufmerksam.

Im Verlauf der Ermittlungen auf der Polizeidienststelle zeigte Kerr, laut "The Sun" die bestbezahlte Fußballerin der Welt, dem Polizisten Lovell ihre Banking-App, um zu beweisen, dass sie zahlungsfähig sei und das Geld für eventuelle Schäden begleichen könne. Doch die Spannungen nahmen weiter zu. In einem hitzigen Wortgefecht auf der Polizeistation bezeichnete Kerr Lovell als "fucking stupid and white".

Der Polizist erklärte später vor Gericht, dass ihn diese Bemerkung tief verletzt habe. Er habe sich "gedemütigt" gefühlt. "Ich war schockiert und fühlte mich sofort herabgewürdigt," sagte Lovell im Zeugenstand. Auf die Frage der Verteidigung, warum diese Aussage erst in einer späteren Zeugenaussage im Dezember 2023 gemacht worden sei, erwiderte Lovell, dass er sich dennoch von Beginn an in seiner Würde verletzt gefühlt habe.

Kerr-Anwältin wirft Polizist vor, Aussage verändert zu haben

Besonders brisant ist der Vorwurf der Verteidigung, dass Lovell seine Aussage nachträglich geändert habe, um eine Anklage gegen Kerr durchzusetzen. Laut Kerrs Anwältin Grace Forbes hatte der Crown Prosecution Service (CPS) zunächst entschieden, dass Lovells erste Aussage nicht ausreiche, um Kerr anzuklagen. Erst als Lovell im Dezember 2023 – fast ein Jahr nach dem Vorfall – eine zweite Aussage machte, wurde die Anklage erhoben.

Kerrs Anwältin stellte dem Polizisten im Kreuzverhör die entscheidende Frage: "Der einzige Grund, warum Sie diese zweite Aussage gemacht haben, war doch, dass die CPS die Anklage abgelehnt hatte, oder?" Lovell bestritt dies. Er beharrte darauf, dass die Kommentare ihn "sofort schockiert und gedemütigt" hätten.

In einer freiwilligen polizeilichen Vernehmung am Morgen nach dem Vorfall im Frühjahr 2023 zeigte sich Kerr kooperativ und bedauerte ihr Verhalten. "Ich war offensichtlich betrunken und hätte nicht so konfrontativ sein sollen," erklärte die Stürmerin in einer Audiodatei der Vernehmung, die nun vor Gericht abgespielt wurde.

Die Verteidigung betonte, dass Kerr keine rassistische Absicht gehabt habe. "Niemand bestreitet die Worte, aber allein das Aussprechen solcher Worte reicht nicht für eine Verurteilung," argumentierte Forbes. "Kerrs Frustration richtete sich nicht gegen Lovells Hautfarbe, sondern gegen das Gefühl, ignoriert und nicht ernst genommen zu werden."

Sam Kerr vor Gericht: Höchststrafe von 26 Wochen möglich

Lovell musste im Zeugenstand einräumen, dass er Kerr hartnäckig verfolgen wollte. "Sie waren entschlossen, diese Person durch die Gerichte zu verfolgen, nicht wahr?" fragte Forbes. "Ja," antwortete der Polizist.

Die Verteidigung stellte zudem einen möglichen Zusammenhang zwischen Lovells zweiter Aussage und dem medialen Rummel um die Frauen-WM 2023 her, die sechs Monate nach dem Vorfall stattfand und bei der Kerr für die Gastgeber-Nation Australien spielte. Lovell bestritt jedoch, ein Fußballfan oder sich der Prominenz Kerrs bewusst gewesen zu sein.

Vor Gericht sagte Kerr: "Ich wünschte, ich wäre einfach nach Hause gegangen und hätte das alles am Morgen geklärt." Sie entschuldigte sich bei Lovell für den Vorfall und erklärte: "Ich verstehe, dass er seinen Job gemacht hat. Es tut mir leid, dass er in diese Situation geraten ist."

Die Anklage wegen rassistisch motivierter Belästigung könnte Kerr im schlimmsten Fall eine Haftstrafe von bis zu 26 Wochen einbringen. Die Verteidigung hofft jedoch auf einen Freispruch und argumentiert, dass Kerrs Verhalten zwar unangemessen, aber nicht strafbar gewesen sei.

Kristie Mewis und Sam Kerr erwarten Baby

Das Verfahren wird fortgesetzt. Kerr und ihre Partnerin Kristie Mewis sollen in den kommenden Tagen weitere Aussagen machen.

Kerr zog sich im vergangenen Sommer einen Kreuzbandriss zu und hat seitdem kein Spiel mehr für Chelsea bestritten. Ohne ihre Star-Spielerin scheiterte die australische Nationalmannschaft bei Olympia 2024 zum ersten Mal seit 2000 in der Gruppenphase.

Auch Mewis pausiert gerade, allerdings aus erfreulichen Gründen: Die US-amerikanische Mittelfeldspielerin ist schwanger mit dem ersten Kind des Paares, wie Kerr im vergangenen November überglücklich auf Social Media verkündete.

Verwendete Quellen

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.