Sam Kerr ist wegen angeblicher rassistischer Beleidigung eines Polizeibeamten angeklagt worden. Die Australierin ist die bekannteste Fußballerin ihres Landes, spätestens seit der Weltmeisterschaft 2023. Die 30-Jährige kommt aus einer Sportlerfamilie, ist ein Familienmensch und Anführerin ihrer Teams.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Victoria Kunzmann sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Seit vergangenem Sommer ist sie in ihrer Heimat Australien so gut wie jedem bekannt. Nicht nur dort: Die meisten Fußballfans werden ihr Gesicht schon einmal gesehen haben – denn Sam Kerr ist die bekannteste Fußballerin Australiens und war bei der Weltmeisterschaft im Sommer 2023 das Aushängeschild im Fußball für einen ganzen Kontinent.

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Vor einigen Tagen kamen Vorwürfe gegen sie ans Licht, sogar ein Prozess steht an. Angeklagt wurde die 30-Jährige laut Londoner Polizei wegen "schwerwiegenden rassistischen Vergehens". Sie soll einen Polizeibeamten in London, wo sie bei Chelsea unter Vertrag steht, nach einem Streit über erhöhte Taxigebühren im Stadtteil Twickenham beleidigt haben. Wie mehrere Medien berichten, unter anderem der "Guardian", soll Kerr ihn als "stupid white bastard" beschimpft haben.

Der Vorfall ereignete sich laut der Londoner Polizei bereits im Januar 2023. Kerr selbst bestreitet die Vorwürfe. Mit Prozessstart wird im Februar 2025 gerechnet. Vier Verhandlungstage sind laut britischer Medien vorgesehen.

Für Chelsea und Australien: Kerr ist die Rekordbrecherin

Seit nunmehr vier Jahren spielt Sam Kerr in London, beim FC Chelsea, und das äußerst erfolgreich: In bisher jedem Jahr gewann sie die englische Meisterschaft. In 128 Spielen bei den "Blues" schoss die Mittelstürmerin 100 Tore. In dieser Saison sind es erst vier in acht Spielen – und voraussichtlich werden vorerst keine mehr dazukommen, denn Kerr erlitt Anfang Januar einen Kreuzbandriss.

Damit fehlt Australien vermutlich auch bei den Olympischen Spielen ab Ende Juli die wichtigste Spielerin. Sam Kerr ist Rekordtorschützin mit 69 Toren in 128 Länderspielen. Bei der Heim-WM im vergangenen Sommer, bei der Australien Vierter wurde, steuerte die Kapitänin allerdings nur einen Treffer bei. Verletzungsbedingt kam sie erst ab dem Achtelfinale zum Einsatz.

Auch für einen anderen Titel reichte es bisher nicht: Beim Ballon D’Or, wurde sie bei der Wahl zur besten Fußballerin zweimal Dritte und vergangenes Jahr Zweite.

Teamplayerin und ständige Gefahr: Sam Kerr auf dem Fußballplatz

Kerr, die seit 2009 mit damals 15 Jahren im Nationalteam spielt, ist die Anführerin bei den "Matildas", wie Australiens Frauenfußball-Nationalmannschaft genannt wird. Während Trainer Tony Gustavsson und ihre Mitspielerinnen sie während der Gruppenphase schmerzlich vermissten, wollte sich Kerr nicht zu wichtig nehmen. "Sam hat gesagt, es gehe nicht um sie, es gehe um uns, um das Team", hatte der Trainer nach dem Sieg im Auftaktspiel gegen Irland gesagt.

Doch auch er hätte es lieber gesehen, seine Torjägerin wäre auf dem Platz gestanden. Denn Kerr beeindruckt mit Schnelligkeit, mit Sprungkraft beim Kopfball und mit viel Präzision beim Abschluss. "Sie ist eine ständige Gefahr, weil sie so gute Bewegungen hat", schwärmte Frankreichs Nationalspielerin Eve Perisset, Kerrs Teamkollegin bei Chelsea, während der WM. Die französische Flügelspielerin Kenza Dali ergänzte: "Sie ist eine außergewöhnliche Spielerin im Strafraum und beschäftigt die Verteidigerinnen."

Kerr wollte eigentlich Football spielen

Beim Fußball ist Sam Kerr nur gelandet, da sie im Football nicht weitermachen konnte: Denn eigentlich wollte die junge Australierin – wie ihr Bruder Daniel – Footballprofi werden. "Hundertprozentig wäre ich dabeigeblieben, wenn ich gekonnt hätte", zitiert die Deutsche Welle sie. "Fußball hat mir damals nicht so gut gefallen." Einen Football könne jeder in die Hand nehmen und ihn werfen und kicken. Für Fußball brauche man mehr Geschick.

Doch auch das hat sie. Kein Wunder, denn Sam Kerr, die in Freemantle an der Westküste geboren wurde, stammt aus einer sportlichen Familie. Ihr Vater, in Indien geboren, und ihr Großvater mütterlicherseits spielten in der West Australian Football League. Ihr Onkel war Jockey.

Sam Kerr spielte einige Jahre in ihrer Heimat Australien bei Perth Glory und Sydney FC, bis sie 2013 in die USA ging und in spielfreien Zeiten an ihre beiden Ex-Klubs verliehen wurde.

Seit vielen Jahren im Rampenlicht: Wie Sam Kerr seit Jahren Vorbild ist

Die Fans mögen die Fußballerin wegen ihrer authentischen Art, sie gibt sich natürlich und ehrlich, erzählt über ihre große Familie an der australischen Westküste und ihre Beziehung zur US-amerikanischen Fußballerin Kristie Mewis. Die US-Spielerin tröstete Kerr, nachdem die USA bei Olympia 2021 Australien im Spiel um Platz drei besiegt hatte. Kurze Zeit später bestätigten beide Athletinnen ihre Beziehung. "Wir sind keine privaten Menschen. Ich teile gern meine Geschichte und wer ich außerhalb des Fußballs bin", sagte Kerr damals. "Fußball macht nur fünf Prozent meines Lebens aus." Seit vergangenem September sind die beiden verlobt.

Bislang wurde die australische Stürmerin für ihre Authentizität, für ihre Erfolge auf dem Fußballplatz und die Verantwortung, die sie übernimmt, gefeiert. Man wird sehen, ob der Prozess diesem Bild schaden wird. Chelsea und der australische Fußballverband sagten, Kerr habe ihre Unterstützung.

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