Der Wechsel von Neymar zu Paris St.-Germain steht bevor und die Fußballwelt steht Kopf. Der Deal stellt nicht nur alles bisher Dagewesene in den Schatten, sondern erschüttert das Financial Fairplay in seinen Grundfesten.

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Bis Mittwoch war das Bruttoinlandsprodukt der Marshallinseln kaum jemandem bekannt. Der Inselstaat im westlichen Ozeanien erwirtschaftete zuletzt 183 Millionen Euro pro Jahr, was eine erstaunliche Zahl ist für ein Volk von nur rund 70.000 Einwohnern.

Neymar da Silva Santos Junior wird in diesen Tagen zum teuersten Spieler, den der Fußball je gesehen hat. Für 222 Millionen Euro festgeschriebener Ablöse wird der Brasilianer vom FC Barcelona zu Paris St.-Germain wechseln.

Ein einziger Mensch, in diesem Fall ein Fußballprofi, ist mehr wert als das Bruttoinlandsprodukt eines Landes. Genauer gesagt sogar von vier Ländern: Die Marshallinseln, Kiribati, Nauru und Tuvalu. Nun ist es nicht so, dass dieser Irrsinn noch für große Bestürzung oder Aufregung sorgen würde - in der Hinsicht ist der Profifußball im Jahr 2017 schon längst jenseits von Gut und Böse.

Das Financial Fairplay als Papiertiger

Das Schmierentheater um Neymar und seine diskutablen Begleitumstände aber werfen grundlegende Fragen auf. In erster Linie jene nach der Durchsetzbarkeit des Financial Fairplay (FFP). Die Europäische Fußball Union Uefa hat sich einst dafür feiern lassen, das FFP zum Schutz vor zügellosen Klubs und Investoren eingeführt zu haben.

Der Wettbewerb sollte damit geregelt und in einigermaßen nachvollziehbaren Bahnen gehalten werden. Kein Klub soll über einen Zeitraum von drei Jahren mehr Geld ausgeben als er eingenommen hat. Das Defizit darf in keinem Fall 45 Millionen Euro überschreiten.

Drakonische Strafen wurden angekündigt und - besonders bei kleineren Klubs - in den letzten Jahren auch schon umgesetzt. Die Uefa kann Vereine mit Geldstrafen büßen lassen, sie aus den europäischen Wettbewerben ausschließen, die Kadergröße einschränken oder die Verpflichtung neuer Spieler untersagen.
Barcelona ist das schon mal passiert, derzeit darf etwa auch Atletico Madrid bis kommenden Winter keine neuen Spieler zukaufen.

Brachial mit dem Vorschlaghammer

Nach den vielen Weichspülertricks trauen sich nun aber erstmals ein Klub, ein Spieler und eine dritte Partei, das löchrige FFP fulminant auszuhebeln: Paris St.-Germain, Neymar und ein paar Scheichs packen den Vorschlaghammer aus. Diese ominöse dritte Partei ist dabei gar kein Investor oder Gönner oder Mäzen. Sondern der Fonds „Oryx Qatar Sports Investments“, über den der Emir von Katar verfügt. Also ein Staat.

Ein Staat, der jüngst von seinen arabischen Nachbarstaaten isoliert wurde, bei dem der Amüsierbetrieb Fußball aber deutlich weniger Berührungsängste hat. PSG und seine katarischen Geldgeber haben offenbar kein Problem damit, das Kontrollgesetz der Uefa mit einem Bauerntrick und Unsummen an Geld außer Gefecht zu setzen.

Wie funktioniert der Neymar-Transfer?

Das geht dann so: Die Katari kaufen Neymar seine Werberechte ab, dafür soll der Brasilianer für die Weltmeisterschaft 2022 im Emirat die Werbetrommel rühren. 222 Millionen Euro soll das bringen - exakt jene Summe, die in Neymars Vertrag mit Barcelona als Ausstiegsklausel definiert ist. Jetzt könnte sich der Angreifer quasi selbst aus seinem Kontrakt kaufen. Die Pariser Bilanz würde nicht belastet, das FFP greift dann wohl nicht.

Barca könnte sich querstellen

Es gibt allerdings doch noch ein paar Haken. Das französische Finanzamt würde den Geldfluss zwischen Katar und Neymar sehr wahrscheinlich als Lohn deklarieren und entsprechend Steuern darauf erheben. Überhaupt, die Sache mit dem Fiskus: Auf die kolportierten 30 Millionen Euro netto an Jahresverdienst schlagen die Franzosen den Spitzensteuersatz von 69 Prozent drauf, was etwa 90 Millionen Euro brutto pro Jahr ausmachen dürfte.
Bei einem Fünfjahresvertrag und den festgeschriebenen 222 Millionen plus Steuern kämen dann fast 700 Millionen Euro als Gesamtpaket zusammen. Dazu noch ein Handgeld von fast 100 Millionen Euro für Neymar und seinen umtriebigen Papa Neymar senior. Und schon liegt man beim Bruttoinlandsprodukt von Gambia. Das lässt den normalen Fan einfach nur noch erschaudern, freut aber auch den einen oder anderen.

Frankreich freut sich auf Neymar-Steuern

"Wenn Neymar zu einem französischen Verein wechselt, freut sich der zuständige Minister natürlich über die Steuern, die er dann in Frankreich zahlen wird", sagt der französische Haushaltsminister Gerald Darmanin.
Der sollte sich aber noch nicht zu früh freuen. Weil sich Barca rechtliche Schritte gegen den Mega-Monster-Irrsinns-Deal vorbehält. Bisher haben die Katalanen ihren Spieler lediglich vom Trainingsbetrieb befreit. Verhandlungen mit den Kataris seien nicht geplant - 222 Millionen Euro oder nichts.
Selbst die spanische Liga schaltet sich nun ungefragt in die Causa Neymar ein. "Falls die Uefa nicht von sich aus einschreitet, dann klagen wir“, zürnt Präsident Javier Tebas. "Es gibt Vereine, die ihr Geld von Staaten erhalten und damit Spieler kaufen, um ihre Fans zu beschenken." Das sei in der Art auf gar keinen Fall zu dulden. Die erste Überweisung der Ablösesumme von PSG hat die Liga nach dpa-Informationen abgewiesen.

Was will eigentlich Neymar?

Dieser absurde Fall zeigt jedenfalls jetzt schon, dass es sehr wohl Möglichkeiten zu geben scheint, um auch angeblich ausgeklügelte Konzepte zum Schutz des Fairplay zu kapern. Sollte der Wechsel tatsächlich wie angedacht durch alle Instanzen geboxt werden, hat das FFP komplett versagt.

Der Spieler selbst, um den das ganze Bohei tobt, erweckt dabei nicht den Anschein, als würde ihn die Situation besonders belasten. Und irgendwie scheint der 25-Jährige auch immer noch nicht so ganz im Klaren darüber, was er da eigentlich gerade tut. In Barcelona wird Leo Messi in drei, vielleicht vier Jahren abdanken oder aber nicht mehr ganz so außerirdisch Fußball spielen wie in den letzten zehn Jahren.
Bisher war Neymar bei Barca stets der Kronprinz, an Messi gab es kein Vorbeikommen. Das würde sich in wenigen Jahren von ganz allein ändern. Neymar, dem die Fans so manche Eskapade in den letzten Spielzeiten verziehen haben, hätte sich zum neuen König von Barcelona aufschwingen und den stolzen Klub in eine neue Ära führen können.
Nun hat er offenbar Ähnliches in Paris vor. Dort ist der Weg an die Spitze der Mannschaft sofort frei. Und für Neymar, und wohl auch den ehrgeizigen Papa, ist ja auch noch eine andere Sache von großer Bedeutung: Wenn Messi und Cristiano Ronaldo bald über ihrem Zenit sein werden, könnte es auch etwas werden mit der Wahl zum Weltfußballer des Jahres.

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