José Mourinho leistet sich als Trainer der AS Roma zahlreiche Eskapaden auf und neben dem Platz, die seinen sportlichen Erfolg in den Hintergrund geraten lassen. Durch seine Entgleisungen droht einer der erfolgreichsten Trainer der Geschichte immer mehr an Ansehen und Respekt zu verlieren.

Eine Analyse
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"Ich werde nicht der Typ sein, der nach Ärger sucht. Ich habe jetzt mehr Erfahrung und bin emotional ausgeglichener." Mit diesen vollmundigen Worten sorgte José Mourinho bei seinem Amtsantritt bei der AS Roma im Sommer 2021 für Aufsehen und wurde gleichwohl von Fans wie Experten dafür kritisch beäugt. Meinte "The Special One" das wirklich ernst?

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Keine zwei Jahre später ist gerade diese Aussage wieder omnipräsent, da der Welttrainer ein komplett gegenteiliges Bild an den Tag legt. Denn durch das fragwürdige Auftreten, welches der 60-Jährige in der laufenden Saison zeigt, führt er sein eigenes Credo komplett ad absurdum. Trauriger Höhepunkt war kürzlich die 1:2-Niederlage in der Serie A bei US Cremonese. Ein wichtiges Spiel für die Römer im Kampf um die Champions-League-Plätze. Wohlgemerkt war es überhaupt die erste Pleite eines Teams gegen den Aufsteiger in dieser Saison. Mourinho verlor in Hinblick auf den sich anbahnenden Kollaps seiner Mannschaft während der Partie komplett die Fassung.

Bereits kurz nach der Pause beim Stand von 1:1 startete der Portugiese eine hitzige Diskussion mit dem Vierten Offiziellen der Partie, Marco Serra, nach einem vermeintlichen Foul von Frank Tsadjout an Roma-Verteidiger Marash Kumbulla. Mourinho stürmte förmlich auf den Unparteiischen zu und forderte eine Erklärung für das nicht geahndete Foul. Serra soll den aufgebrachten Trainer daraufhin kurzum mit den Worten "Setz’ dich hin, jeder macht sich über dich lustig“ abgewiesen haben.

Diese Reaktion brachte den Trainer erwartungsgemäß noch weiter auf die Palme. Mourinho kassierte die Rote Karte und wurde für zwei Spiele gesperrt. Das verblüffende an der Bestrafung war allerdings, dass es bereits die dritte Rote Karte in dieser Saison für Mourinho war - mehr als jeder Feldspieler der Liga.

Roma legt erfolglos Berufung gegen Mourinho-Sperre ein

Nachdem die Roma in Berufung gegangen war, wurde die Sperre zunächst ausgesetzt, sodass der Portugiese am darauffolgenden Spieltag beim 1:0-Sieg gegen Juventus Turin doch an der Seitenlinie stehen durfte. Kurz darauf erklärte der italienische Fußballverband FIGC jedoch nach genauer Prüfung, dass die Sperre zum Missfallen der Roma mit sofortiger Wirkung in Kraft treten würde.

Die "Gazzetta dello Sport" berichtete daraufhin, dass die Roma aus Protest gegen die Entscheidung, während der beiden betreffenden Ligaspiele gegen Sassuolo Calcio und Stadtrivale Lazio Rom am 12. und 19. März einen Medienboykott verhängen würde. Demnach wollte die Roma damit ihr Empfinden über die "ungerechte Art" der Strafe zum Ausdruck bringen.

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Mourinho selbst protestierte auf Instagram auf seine eigene kryptische Art und Weise gegen die Sperre, indem er ein Bild von sich postete in symbolischer Pose mit gefesselten Händen - eine Geste, die er einst bereits als Trainer von Inter Mailand gemacht haben soll.

Mourinho sorgt als Roma-Trainer nicht nur auf dem Platz für Skandale

Von seiner selbst beschriebenen gelasseneren Art im Vergleich zu früheren Jahren ist nicht wirklich etwas zu spüren. Wurde anfangs noch davon gesprochen, dass Mourinho durch sein Temperament und seine besondere Art bewusst den Fokus von der Mannschaft auf sich ziehen würde, werden die Befürworter seiner Praktiken immer weniger. Mehr noch, einer der erfolgreichsten Trainer der Fußballgeschichte droht sich international immer unglaubwürdiger und lächerlicher zu machen.

Denn auch neben dem Platz kam es jüngst zu einer peinlichen Eskapade. Beim Aufeinandertreffen der U14-Mannschaften der Roma und von Lazio Rom geriet der Star-Trainer laut "Sky" als Zuschauer in den Blickpunkt, als er die gegnerischen Spieler lautstark ausgebuht und die junge Roma-Elf zu unsportlichem Verhalten animiert haben soll.

Außerdem soll Mourinho die Nachwuchsspieler seines Klubs in den Schlussminuten der Partie, die mit 2:1 für die Roma endete, dazu angestachelt haben, sich auf den Boden zu werfen und Krämpfe und Verletzungen vorzutäuschen, um Zeit zu schinden. Dem "speziellen" Ratschlag sollten die Spieler ohne Weiteres folgen, was Lazio-Trainer Tobia Assumma schockierte: "So verhält man sich nicht als Trainer."

Amtszeit bei der Roma von Skandalen geprägt

Im Trainerstab der Roma ist Mourinho zwar der Rädelsführer, aber bei Weitem nicht der einzige Unruhestifter. Sein Assistent Salvatore Foti saß in den vergangenen Wochen bezeichnenderweise ebenfalls eine einmonatige Sperre ab, nachdem er im Pokalspiel gegen Cremonese seinerzeit Schiedsrichter Michael Fabbri beleidigt und einen Offiziellen des Gegners bedroht hatte. Und auch schon zu Beginn der Amtszeit Mourinhos in der Ewigen Stadt kam es zu einem weiteren Eklat, als Torwarttrainer Nuno Santos in der Uefa Conference League in eine körperliche Auseinandersetzung mit Manager Kjetil Knutsen von FK Bodø/Glimt verwickelt war.

Beide Parteien beriefen sich damals auf Notwehr, beide wurden jedoch für ihr Verhalten von der Uefa gesperrt. Mehr noch als die eigene Sperre ärgerte Knutsen aber das Verhalten von Mourinho: "Seine Einstellung ist schockierend. Seine Werte und seine Art zu coachen sind so weit von dem entfernt, wofür ich stehe. Es ist unglaublich enttäuschend, ein solches Verhalten von einem Trainer zu sehen, der derart viele Titel gewonnen hat und schon so eine lange Zeit in diesem Sport ist", wird Knutsen von "Spox" und "Goal" zitiert. Und mit dieser Meinung steht er beileibe nicht allein da.

Als sich Mourinho kurz darauf den nächsten Eklat leistete und sich über den drohenden Abstieg von US Salernitana aus der Serie A lustig machte, folgte auf die Entschuldigung des Trainers aber direkt die nächste Spitze Richtung Bodø/Glimt. "Wir sind zivilisierte Menschen. Was auf dem Platz passiert, bleibt dort. Niemand wird nach dem Spiel 45 Minuten lang warten, um jemand anderem ins Gesicht zu schlagen."

Salernitanas damaliger Sportdirektor Walter Sabatini prangerte daraufhin Mourinhos Aussagen, er und sein Trainerteam seien zivilisiert, an: dies liege weit fernab der Realität. Vielmehr unterstellte er "ignorantes Verhalten". "Bei jeder Schiedsrichterentscheidung strömen sie alle von der Bank auf den Platz, das ist nicht zu rechtfertigen", wütete Sabatini in einem Interview mit "DAZN" und sehe beim Roma-Trainer trotz all seiner Erfolge "nur Arroganz".

Mourinhos Zukunft bei der Roma auf dem Prüfstand

Arroganz. Ignoranz. Fehlende Akzeptanz und Selbstkontrolle. Charaktereigenschaften, die immer mehr mit Mourinho verbunden werden und seine sportlichen Leistungen in den Hintergrund geraten lassen.

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Rein sportlich betrachtet steht der Name Mourinho jedoch weiterhin für Erfolg. So brachte er die strauchelnde Roma in seiner ersten Saison nicht nur wieder in die Spur, sondern formte eine eingeschworene und schlagfertige Mannschaft, die die Spielzeit mit dem Gewinn der Conference League krönen konnte.

Bei der Roma wird man sich in Zukunft aber zwangsläufig die Frage stellen müssen, ob die regelmäßigen Eskapaden des Trainers es im Gesamtkontext auch wert sind, weiter auf ihn zu bauen. Die Verantwortlichen des Klubs werden dabei abwägen müssen, ob der aus Setúbal stammende Übungsleiter den Teamerfolg und die Entwicklung der Mannschaft durch seine zahlreichen Wutausbrüche nicht sogar mehr und mehr gefährdet.

Es gilt als entscheidend für Mourinhos Zukunft, der noch bis Sommer 2024 unter Vertrag steht, ob das Team die Qualifikation für die "Königsklasse" schaffen kann. Nach 28 Spieltagen hat die Mannschaft jedoch noch alles in eigener Hand und liegt mit 50 Punkten nur einen Zähler hinter dem drittplatzierten AC Mailand. Auf den Zweitplatzierten Lazio sind es ebenfalls nur fünf Punkte Rückstand.

Verwendete Quellen:

  • www.spox.com: Jeder macht sich über dich lustig": Wird José Mourinho durch seine Wutausbrüche zur Lachnummer?
  • www.goal.com: Roma impose media BLACKOUT in protest of Jose Mourinho suspension for clashing with fourth official.
  • www.gazetta.it: Gazetta dello Sport: Roma, silenzio stampa per due partite. E tornano le manette di Mou su Instagram.
  • www.sport.sky.de: Pfiffe & Buhrufe! Mourinho löst Kontroverse bei U14-Spiel aus
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