Den Lebensunterhalt nur als Fußballspielerin im Hauptjob gestalten – das können nur die wenigstens, auch in der Bundesliga. Die meisten Spielerinnen nehmen ihren Jahresurlaub für Fußballturniere und trainieren und spielen in ihrer Freizeit; und einige sorgen auch für ihren Nachwuchs.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Petra Tabarelli (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Laut einer Umfrage der internationalen Vertretung von Profifußballspieler*innen (FIFPro), die 2017 durchgeführt wurde, beendeten fast die Hälfte aller Frauen ihre Karriere im Fußball wegen ihres Kinderwunschs.

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Doch in den letzten Jahren zeigen immer mehr Spitzensportlerinnen: Man kann im Leistungssport erfolgreich sein, wenn man eine Familie hat. Eine Schwangerschaft bedeutet nicht das Karriereende. Allerdings ist das oft ohne Hilfe von Familie und Freunden nicht möglich. Und: Es braucht Vorbilder, die zeigen, dass es geht.

Während Almuth Schult mit ihrem dritten Kind schwanger ist (aber deshalb nicht ihre Karriere als Torhüterin beenden wird), steht in wenigen Tagen mit Melanie Leupolz eine junge Mutter bei der WM in Australien und Neuseeland auf dem Platz.

Chelsea FC ist ein Positivbeispiel

"Es ist wunderschön, dass ich mich nicht entscheiden muss: Kind oder Fußball, sondern dass ich auch die Unterstützung habe, dass ich beides leben kann.", sagte Leupolz im Gespräch mit sportschau.de.

Im Herbst 2022 hat Melanie Leupolz einen Sohn geboren. Wie für die meisten Mütter beginnen ihre Tage nun früher als zuvor. Sie ordnet nicht mehr alles dem Fußball unter, sondern trennt zwischen Beruf mit Fußball und Freizeit mit Kind. Dass sie als Spielerin in der Women’s Super League eine Profispielerin ist, hilft ihr enorm, denn so ist das Fußballspielen ihr Hauptberuf.

Dass sie bereits im Januar 2023, nur wenige Monate nach der Geburt, wieder ins Training ihres Teams, dem Chelsea FC, einsteigen konnte, verdankt sie auch der finanziellen, medizinischen und mentalen Unterstützung des Londoner Clubs. So war es eine Selbstverständlichkeit, dass der Verein auch die Reisekosten für ihren Sohn übernimmt - eine Seltenheit, auch im Leistungssport. Außerdem stellte sich der Verein auf Melanie Leupolz‘ Ziel ein, so bald wie möglich wieder auf dem Platz zu stehen – und so wurde schon das Training während ihrer Schwangerschaft diesem Ziel angepasst.

Eine der ersten Mütter im DFB-Dress

Als Melanie Leupolz hochschwanger im vergangenen Sommer die EM in England verpasste, reiste Zwillingsmama Almuth Schult mit ihren Kindern nach London. Während nun die Torhüterin durch ihre Schwangerschaft die WM verpasst, nimmt Mittelfeldspielerin Leupolz ihren Sohn mit auf die andere Seite der Erde. Bereits bei den vorbereitenden Testspielen war er dabei und in Australien wird er von einer Nanny betreut.

Es klingt vielleicht nach Routine, aber Schult und Leupolz gehören zu den ersten Müttern, die für die DFB-Elf spielen. Die vielleicht erste von ihnen war ihre Trainerin, Martina Voss-Tecklenburg, die mit 26 Jahren schwanger wurde und nach der Geburt ihre Karriere fortsetzte. Damals wohnte sie 160 Kilometer von ihrem damaligen Club in Siegen entfernt und fuhr die Strecke täglich. Ihre Tochter nahm sie als Alleinerziehende mit.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Spagat, den viele Mütter meistern müssen. Für Leistungssportlerinnen kommt ein wechselnder Arbeitsplatz hinzu, denn Reisen stehen oft auf der Tagesordnung. Zwar werden oft die Reisekosten der Athletinnen von einem Verein oder Verband übernommen, das gilt aber weitestgehend nicht für das Kind. Zudem reicht es ja nicht, den Aufpreis für ein kleines Kind zu zahlen, denn es braucht eine betreuende Person, die während des Trainings und der Wettkämpfe für das Kind sorgt. Auch ihre Kosten werden nur selten übernommen.

Förderung und Vereinbarkeit

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Thema, das nicht nur den Fußball, sondern den Leistungssport insgesamt betrifft. Es geht für Sportlerinnen nicht nur um Unterstützung wie beispielsweise die Betreuung der Kinder, sondern auch um Förderungen durch Sponsoren oder den Verlust von Errungenschaften.

Wie häufig sind in den letzten Jahren Sportlerinnen aus allen Sportförderungen herausgefallen, weil die Sponsoren sie nicht während der Schwangerschaft und den ersten Monaten nach der Geburt finanziell fördern wollten?

Tennisspielerin Serena Williams verlor gar ihre Position in der Weltrangliste. Immerhin: Auf ihren Protest hin änderte der Tennisverband die Regeln geringfügig. Auch die Fifa hat vor kurzem beschlossen, dass Fußballspielerinnen 14 Wochen Mutterschaftsurlaub zusteht, in dem sie zwei Drittel ihres Gehalts beziehen können. Die Clubs werden zudem verpflichtet, die Spielerin wieder einzugliedern und für eine angemessene medizinische Betreuung zu sorgen.

Neue Karrierehöhepunkte als Mutter im Leistungssport? Natürlich

Eine Schwangerschaft ist kein Pappenstiel für den Körper und auch die anschließenden Monate können entbehrend werden. Nichts, was eine Mutter beklagen würde, aber Elternzeit ist nur bedingt möglich, wenn Sportlerinnen weiter ihr Training absolvieren müssen, um fit zu bleiben.

Lidya Tafesse Abebe und Sian Massey-Ellis gehören zu den Vorreiterinnen für Schiedsrichterinnen im Fußball der Männer. Beide sind seit 2011 in der höchsten Liga ihres Landes – Äthiopien und England – aktiv. Tafesse Abebe war 2021 Schiedsrichterin beim ersten komplett aus Frauen bestehenden Schiedsrichtergespann bei der Afrikanischen Nationenmeisterschaft, Massey-Ellis feierte 2019 ihre Debüts in der Nations League und der Europa League. Auch bei der WM in Australien ist die Engländerin dabei, während ihre äthiopische Kollegin gerade ihre Karriere beendet hat.

Beide sind nach 2011, aber vor ihren jeweiligen Karrierehöhepunkten Mutter geworden, beide hatten mit Komplikationen zu kämpfen. Bei Tafesse Abebe während der Schwangerschaft, weshalb ihr Kind per Kaiserschnitt geholt werden musste, bei Massey-Ellis nach der Geburt. Und dennoch waren sie wenig später wieder auf dem Feld und an der Seitenlinie aktiv – sieben und 18 Monate später. Und das, obwohl nicht mal Ärzte wirklich an diese Leistung geglaubt haben.

Vorbilder zeigen: Es ist möglich

Für immer mehr Frauen ist eine Geburt nicht mehr das Karriereende; das Blatt wendet sich. Langsam, aber stetig. Immer mehr Frauen im Fußball und generell im Leistungssport gehen diesen Weg, weil sie bei anderen sehen, dass es möglich ist.

Aber kommen die Vereine, die Verbände, die Sponsoren hinterher? Das hängt oft von den Personen dahinter ab. Für Frauen wie Emma Hayes und Martina Voss-Tecklenburg ist es nur allzu verständlich, ihren Spielerinnen das zu bieten, was ihnen mitunter noch verwehrt blieb. Doch der Großteil der männlichen Funktionäre schläft offenbar noch einen realitätsverkennenden Dornröschenschlaf.

Ein Missstand, den in den letzten ein, zwei Jahren immer mehr Frauen ansprechen. Sie gehen als gutes Beispiel voran: Vorbilder, die zeigen, dass es möglich ist, und die den Weg für viele ebnen. Für Melanie Leupolz war US-Amerikanerin Alex Morgan das Vorbild. Nun ist sie selbst eins.

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