Im Winter 2007 verloren in der Bundesliga binnen 24 Stunden drei Trainer ihren Job: Jupp Heynckes bei Borussia Mönchengladbach, Felix Magath bei den Bayern und Thomas Doll beim Hamburger SV. In der jüngst angelaufenen Bundesliga-Saison hat es nach nur drei Spieltagen Bruno Labbadia in Stuttgart erwischt. Es ist einer der schnellsten Rauswürfe in der Geschichte der Liga. Dabei war Labbadia vor der Saison nicht als Topkandidat für die erste Entlassung gehandelt worden. Vielmehr durfte sich Jens Keller von Schalke 04 dieses fragwürdigen Titels erfreuen.

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Mit einer Wettquote von 6:1 wurde Keller gehandelt und lag damit vor Michael Wiesinger vom 1. FC Nürnberg (8:1) und eben Labbadia (9:1). Das ominöse Ranking hat also immerhin zwei der drei derzeit in den Fokus geratenen Trainer erfasst. Der dritte, Thorsten Fink vom Hamburger SV, schien dagegen weniger stark gefährdet.

Nun stehen aber Keller und Fink stark unter Druck. Der Schalker Coach wird allen Beteuerungen und einer von Sportdirektor Horst Heldt offensiv formulierten Jobgarantie zum Trotz vom Ausgang der Playoff-Partie zur Champions-League-Gruppenphase gegen PAOK Saloniki am Dienstag abhängig sein.

"Selbstverständlich" säße Keller ungeachtet des Spielausgangs in Griechenland am kommenden Samstag gegen Bayer Leverkusen auf der Schalker Bank, versicherte Heldt. Keller selbst mache sich "überhaupt keine Gedanken" um seinen Job, die Spekulationen will der 42-Jährige vor dem wichtigsten Spiel des Jahres komplett ausblenden. "Das interessiert mich nicht. Ich kann meinen Job nur so gewissenhaft wie möglich machen", sagte Keller am Montag, räumte aber auch ein: "Man kennt ja das Geschäft ..."

Tönnies schweigt zu Keller

Auf Schalke ist eine interessante Gemengelage entstanden. Klub-Boss Clemens Tönnies hatte am Samstag beim 1:2 in Hannover frühzeitig und sichtlich angefressen seinen Platz auf der Tribüne verlassen und war danach nicht mehr gesehen. Der mächtige Mann auf Schalke hat sich seitdem nicht zur prekären Lage in Gelsenkirchen geäußert, was nicht gerade für Keller spricht.

Vielmehr ist zu anzunehmen, dass sich Tönnies und Heldt uneins sind in der Personalie Keller. Zwar hatte sich Tönnies vor der Saison noch schützend vor seinen Trainer gestellt, der schon einmal unterschätzt worden sei, "und das wird sich jetzt wiederholen." Dass Tönnies aber dem ehemaligen B-Jugendtrainer immer auch skeptisch gegenüberstand, ist kein Geheimnis.

Anders als Heldt, der nach der Trennung von Jahrhunderttrainer Huub Stevens kurz vor Weihnachten mit der Inthronisierung von Keller ein großes Risiko einging, am Ende mit Platz vier und der Chance zur Qualifikation für die Königsklasse aber zumindest vorläufig erfolgreich damit war.

Champions League ist dringend notwendig

Nur: Sollte Schalke in Saloniki nicht weiterkommen, dann hätten Heldt und Keller das anvisierte und auf Grund der finanziell angespannten Lage auf Schalke auch dringend notwendige Ziel Champions League mit Verzögerung doch noch verfehlt.

Damit nicht noch weitere Unruhe aufkommt, fährt Heldt nun also die klare "Pro Keller"-Schiene. Aber auch ihm ist klar, dass der von ihm gewählte Keller bei einem Ausscheiden gegen den Underdog aus Saloniki kaum noch zu halten wäre. Und letztlich würde eine Entlassung Kellers unweigerlich auch auf Heldts Arbeit zurückfallen.

Beim Hamburger SV ist die Bindung zwischen Sportdirektor und Trainer anderer Natur. Oliver Kreuzer hat Thorsten Fink weder ins Amt verholfen, noch haben beide ein unmittelbar bevorstehendes Schicksalsspiel zu bewältigen. Zumindest auf den ersten Blick.

Denn auch in Hamburg hat sich der Rauch nach einer der aufregendsten Wochen der jüngeren Vereinsgeschichte noch nicht ganz verzogen. Zwar spielte die Mannschaft trotz des 0:1 bei Hertha BSC im Vergleich zur Vorwoche verbessert - schlechter als beim 1:5 zu Hause gegen 1899 Hoffenheim konnte aber auch die zu extremen Schwankungen neigende Elf nicht mehr agieren.

Stillstand beim HSV

Dass jetzt eine knappe Niederlage bei einem Aufsteiger schon als Fortschritt empfunden wird, ist stillschweigend auch eine Wertung der aktuellen Lage. Die Verantwortung für einen mittlerweile monatelangen Stillstand der Mannschaft liegt dabei natürlich zu einem großen Teil beim Trainer.

Thorsten Fink ist es auch nach fast zwei Jahren im Amt noch nicht gelungen, seiner Mannschaft eine klare Spielidee und ein taktisches Konzept, das sich an der Ausgestaltung und Qualität des Kaders orientiert, mit auf den Weg zu geben. Immer mal wieder setzt der HSV unerwartete Highlights, um dann kurze Zeit später richtige Prügel zu beziehen.

Fink bekommt die Baustellen in seiner Mannschaft nicht geschlossen. Ihm fehlt weiter die Konstante auf der Sechserposition, er versucht sich mal mit, mal ohne klaren Stoßstürmer und wird von seinem Kapitän Rafael van der Vaart bis jetzt schmählich im Stich gelassen.

Den Niederländer hatte Fink noch mehr als im Vorjahr zum starken Mann gemacht, ihm Aufgaben und Privilegien zugeteilt - in der Hoffnung, van der Vaart würde nach einem soliden ersten Jahr nun endlich der große Anführer. Finks Plan ging bis jetzt allerdings komplett daneben.

Am Samstag erwartet der HSV mit Eintracht Braunschweig den vermeintlich leichtesten aller 17 Gegner zum Heimspiel. Dann soll es im vierten Anlauf endlich mit dem ersten Saisonsieg klappen.

In der jetzigen angespannten Situation und weil sich Braunschweig bisher als bissige und hartnäckige Mannschaft erwiesen hat, dürfte die Partie aber alles andere als ein Spaziergang werden. Wenn der HSV auch dann nicht überzeugt und gewinnt, steht auch Fink bedenklich auf der Kippe.

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