Mesut Özil hat mit seinem Rücktritt aus dem DFB-Team ein klares Zeichen gesetzt. Einige deutsche Politiker haben sich bereits zu seiner Entscheidung geäußert. Es ist von einem "Alarmzeichen" die Rede. In der Türkei wird Özil für seine "ehrenhafte Haltung" gefeiert.

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Bundesjustizministerin Katarina Barley sieht die Rassismus-Vorwürfe des zurückgetretenen Fußball-Nationalspielers Mesut Özil gegen den Deutschen Fußball-Bund als Signal für ein tieferliegendes gesellschaftliches Problem.

"Es ist ein Alarmzeichen, wenn sich ein großer, deutscher Fußballer wie Mesut Özil in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt und vom DFB nicht repräsentiert fühlt", schrieb die SPD-Politikerin am Sonntagabend auf Twitter.

Özdemir: "Leistung gibt es nur in Vielfalt"

Mit beispiellosen Rassismus-Vorwürfen gegen Verbandschef Reinhard Grindel und andere DFB-Funktionäre hatte sich Özil zuvor aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zurückgezogen.

In seiner mehrteiligen Stellungnahme vom Sonntag schrieb der gebürtige Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln unter anderem: "In den Augen von Grindel und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, aber ein Immigrant, wenn wir verlieren."

Özils Forderung: "Leute mit rassistisch diskriminierendem Hintergrund sollten nicht länger im größten Fußballverband der Welt arbeiten dürfen, der viele Spieler aus Familien verschiedener Herkunft hat."

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel dankte Özil auf Twitter für dessen Leistungen im Nationalteam und ergänzte: "Und weil es um mehr geht: An alle Bürgerinnen und Bürger mit unterschiedlichen Wurzeln: Wir gehören zusammen und wir akzeptieren Rassismus never ever."

Der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir sagte der "Berliner Zeitung": "Es ist fatal, wenn junge Deutsch-Türken jetzt den Eindruck bekommen, sie hätten keinen Platz in der deutschen Nationalelf. Leistung gibt es nur in Vielfalt, nicht in Einfalt. So sind wir 2014 Weltmeister geworden. Und Frankreich jetzt."

Zwanziger: "Schwerer Rückschlag für Integrationsbemühungen"

Auch Theo Zwanziger bedauert den Rücktritt von Mesut Özil und befürchtet Konsequenzen nicht nur im Fußball. "Ich bin tief traurig über die von Mesut Özil getroffene Entscheidung", sagte der frühere Präsident des Deutschen Fußball-Bundes im Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Der Rückzug des türkischstämmigen Weltmeisters sei "für die Integrationsbemühungen in unserem Land über den Fußball hinaus ein schwerer Rückschlag. Er war ein großes Vorbild für junge Spielerinnen und Spieler mit türkischem Migrationshintergrund, sich auch in die Leistungsstrukturen des deutschen Fußballs einzufinden."

Zwanziger, der in seiner Amtszeit von 2004 bis 2012 das Thema Integration stark vorangetrieben hatte, sieht Versäumnisse beim DFB. "Durch Fehler in der Kommunikation ist etwas passiert, das bei Migranten nie passieren darf: Sie dürfen sich nie als Deutsche zweiter Klasse fühlen. Wenn dieser Eindruck entsteht, muss man gegensteuern", sagte der 73-Jährige.

Ein bewusstes Drängen Özils in die Rolle als Sündenbock für das frühe WM-Scheitern will Zwanziger der heutigen DFB-Führung aber nicht unterstellen. "Ich kenne Reinhard Grindel und Oliver Bierhoff gut genug, um sagen zu können, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie eine solche Situation bewusst herbeiführen würden", sagte er.

Für die deutsche Bewerbung um die EM 2024 im Duell mit der Türkei waren die Fotos von Özil und Ilkay Gündogan aus Zwanzigers Sicht "sicherlich nicht hilfreich. Das hat die politische Ebene in der Türkei, die eng mit dem Fußballgeschehen verbunden ist, zusätzlich herausgefordert."

Türkischer Justizminister: "Tor gegen den faschistischen Virus"

Auch aus der Türkei ließen erste Reaktionen zu Mesut Özils Rücktritt und der scharfen Kritik am Deutschen Fußball-Bund nicht lange auf sich warten. Dabei haben sich türkische Regierungspolitiker auf die Seite des Fußballers geschlagen.

Sportminister Mehmet Kasapoglu schrieb am Sonntagabend auf Twitter: "Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen."

Justizminister Abdulhamit Gül gratulierte dem gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln, weil dieser mit seinem Rücktritt das "schönste Tor gegen den faschistischen Virus geschossen" habe.

Der Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, begrüßte Özils Aussage, dass er den türkischen Präsidenten wieder treffen würde.

Weiter schrieb er auf Twitter: "Aber stellen Sie sich vor, welchem Druck Herr Mesut in diesem Prozess ausgesetzt war. Wo sind Höflichkeit, Toleranz, Pluralismus geblieben...?!" (dpa/fte)

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