Der DFB hat die Konsequenzen gezogen, Hansi Flick wurde entlassen. Wie geht es jetzt, knapp ein Jahr vor der EM im eigenen Land, weiter?

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Manuel Behlert sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die 1:4-Niederlage gegen Japan war zu viel. Der DFB hat am Sonntagnachmittag die Entlassung von Bundestrainer Hansi Flick bekannt gegeben. Nicht einmal ein Jahr vor der Europameisterschaft im eigenen Land steht der Gastgeber also ohne Trainer da.

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Die Entwicklung ging schon seit einigen Spielen in die falsche Richtung, der Tiefpunkt wurde am Samstagabend erreicht. Viele offene Fragen sind jetzt zu beantworten.

Warum wurde Bundestrainer Flick entlassen?

Am Sonntagnachmittag veröffentlichte der DFB eine Pressemitteilung und gab die Entlassung von Hansi Flick bekannt. Rudi Völler wird dort wie folgt zitiert: "Hansi Flick hat sich aufgerieben in den zurückliegenden Monaten, er hat gemeinsam mit seinem Trainerteam alles gegeben, um nach dem Ausscheiden bei der WM in Katar die Wende zum Positiven zu schaffen. Leider müssen wir heute feststellen, dass es nicht gelungen ist. Das Japan-Spiel hat uns klar gezeigt, dass wir in dieser Konstellation nicht mehr weiterkommen.“

Flick
Schon bei der Pressekonferenz direkt nach der Pleite gegen Japan war Hansi Flick sichtlich gezeichnet. © imago/Christian Schroedter

Gemessen an den letzten Spielen ist diese Entscheidung wohl unumgänglich gewesen. Fünfmal nacheinander gewann die deutsche Mannschaft nicht, nur vier der letzten 15 Länderspiele konnten gewonnen werden. Eine Niederlage gegen Belgien, ein Remis gegen die Ukraine, torlose Pleiten gegen Polen und Kolumbien: in Summe war das alles zu viel. Der Bundestrainer schaffte es nicht, aus der Mannschaft eine Einheit zu formen. Von Spiel zu Spiel wurden viele Dinge verändert, Automatismen konnten so nicht entstehen.

13 Gegentore kassierte die deutsche Mannschaft in sechs Testspielen im Jahr 2023. Alleine das zeigt schon, wo die Probleme zu verorten sind. Die Defensive wirkt in fast allen Spielphasen anfällig, die Offensive findet zu selten Lösungen und das Mittelfeldzentrum kann ein Spiel nicht kontrollieren. Zwar sind strukturelle Probleme im gesamten Verband erkennbar, aber der Bundestrainer hätte mehr Fortschritte auf den Platz bringen müssen, als es in den letzten Monaten der Fall war.

Wie lief der Prozess der Trennung ab?

Es war doch ein wenig überraschend, dass es am Sonntag so schnell zur Trennung von Hansi Flick kam. Am Samstagabend, direkt nach dem Spiel, vermied Rudi Völler zwar ein Bekenntnis zum 58-Jährigen, aber es sah so aus, als würde der nun Ex-Bundestrainer zumindest gegen Frankreich noch auf der Bank sitzen. Alle Beteiligten wollten die Ereignisse sacken lassen, Flick leitete sogar noch das öffentliche Training am Sonntag und zeigte sich wie schon nach dem Spiel kämpferisch.

Intern lief zu diesem Zeitpunkt aber schon längst die Krisensitzung. Die Zahl der Flick-Befürworter sank nach den letzten Spielen zunehmend, Argumente für eine Weiterbeschäftigung gab es mittlerweile keine mehr. Am Nachmittag fiel dann die Entscheidung: Der Trend war und ist zu negativ, die Entlassung folgerichtig. Kurz nachdem die ersten Medien die bevorstehende Trennung vermeldeten, folgte die Bestätigung des Verbandes.

Wer wird gegen Frankreich auf der Bank sitzen?

Aufgrund der Kurzfristigkeit der Entlassung gibt es noch keinen Nachfolger für Ex-Bundestrainer Hansi Flick. Das überrascht nicht, denn die Verantwortlichen hofften darauf, dass sich in dieser Abstellperiode einiges ändert und die Mannschaft eine bessere Leistung zeigt als bei den letzen Länderspielen. Folglich wird es keine Blitzlösung geben, sodass ein Trio gegen Frankreich in der Verantwortung steht.

Rudi Völler wird die Mannschaft betreuen, aber das tut er nicht alleine. Auch Sandro Wagner, der erst kürzlich den Schritt zum DFB machte und bei der U20-Auswahl mitverantwortlich ist, sowie Hannes Wolf, der Cheftrainer selbiger Auswahl ist, werden das Team auf das Duell mit der Equipe Tricolore vorbereiten. Schon jetzt steht fest, dass es diese Konstellation nur für diese eine Partie geben wird.

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Wer sind die Nachfolgekandidaten für den DFB?

Die Frage nach dem Trainer, der die deutsche Nationalmannschaft auf die EM 2024 vorbereiten und dort trainieren wird, ist nicht ganz einfach zu beantworten. Die Kriterien wurden auch noch nicht öffentlich kommuniziert. Dass der neue Trainer deutschsprachig sein muss, gilt aufgrund der Geschichte der bisherigen deutschen Nationaltrainer als sicher. Aber wer stünde zur Verfügung? Trainer wie Jürgen Klopp, Christian Streich oder Urs Fischer, die aktuell einen regulären Job ausüben, sicher nicht.

Das schränkt die Auswahl schon ein. Medienberichten zufolge soll Julian Nagelsmann die Wunschlösung sein. Er steht zwar noch beim FC Bayern unter Vertrag, ist aber beurlaubt. Doch es gibt große Hürden, denn einerseits ist unklar, ob der 36-Jährige für diese schwierige Aufgabe überhaupt zur Verfügung stehen würde, andererseits wäre eine Millionenablöse an den Rekordmeister zu zahlen. Für den notorisch klammen DFB ist das nicht leicht.

Weitere, aktuell vereinslose Trainer sind Oliver Glasner, der mit Eintracht Frankfurt gezeigt hat, dass er ein Turnier gewinnen und eine Entwicklung herbeiführen kann, oder aber der erfahrene Niederländer Louis van Gaal. Gegen jenen van Gaal spricht aber, dass er ein eher unangenehmer Typ ist, der Missstände klar anspricht und seine Meinung durchsetzen will. Ob das beim DFB gut ankommt, bleibt anzuzweifeln.

Was muss sich unter einem neuen Trainer ändern?

Um bis zur EM 2024 konkurrenzfähig zu sein, muss sich vieles ändern. Der neue Bundestrainer muss sich auf ein klares System festlegen und dieses einspielen. Es braucht Rhythmus und Automatismen, die unumgänglich sind, um Erfolg zu haben. Noch dazu wird es wichtig sein, die Probleme, die auf einigen Positionen herrschen, zu kaschieren. Die Innenverteidigung ist gut, aber nicht sehr gut. Auf den Außenverteidigerpositionen fehlt es komplett an der Breite. Die klassischen 9er sind rar gesät. All das muss bei der Strategie bedacht werden.

Die deutsche Nationalmannschaft benötigt zudem einen Charakter, der mitreißen kann. Jemand, der vor dem Turnier im eigenen Land eine gewisse Euphorie entfachen kann. Das Verhältnis zwischen der Nationalelf und den Fans im Land ist mit distanziert noch wohlwollend beschrieben. Es müssen Schritt für Schritt Entwicklungen erkennbar sein. Es braucht die Basics wie Leidenschaft und Einsatz, damit die Zuschauer abgeholt werden. In der Kürze der Zeit wird das aber nur schwer machbar sein. Gerade deswegen ist die aktuelle Situation für das Turnier 2024 ein Desaster. Aber eines, das sich der DFB selbst eingebrockt hat.

Verwendete Quellen:

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Teaserbild: © imago/Christian Schroedter