Nach der öffentlichen Diskussion um den Rücktritt von Mesut Özil aus der deutschen Mannschaft kühlt die Debatte langsam ab. Um den Vorgang hat sich ein diffuses Gemenge aus Rassismus-Vorwürfen und enttäuschten Erwartungen auf allen Seiten gebildet. Wofür steht der Spieler Mesut Özil?
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Özil bleibt Mitglied der Adidas-Familie
Dazu schweigt der Spieler beharrlich. Doch die Frage rückt nun in den Vordergrund: Welche Rolle kann Özil nach der Affäre in der Öffentlichkeit spielen? Lässt sich eine Persönlichkeit, die derart das Publikum spaltet, noch als Werbeträger und Markenbotschafter einspannen?
Der DFB-Sponsor Mercedes-Benz sieht keinen Grund für ein vorzeitiges Ende der Zusammenarbeit mit Özil. Man sei seit über 40 Jahren in guten wie in schlechten Zeiten Partner des DFB und habe sich Özils Vorwürfe gegenüber den Medien, dem Verband und den Sponsoren in Ruhe angesehen, sagte Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche am Donnerstag.
"Der Vertrag als Markenbotschafter von Mesut Özil läuft noch bis Ende des Jahres 2018. Es gibt keine Notwendigkeit, ihn vorzeitig zu beenden", betonte Zetsche, der zugleich Chef der Kernmarke Mercedes-Benz ist. Auch Sportartikel-Hersteller Adidas hält nach dem Rücktritt aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft an dem Spieler fest. Er bleibe Mitglied der "Adidas-Familie", sagte ein Sprecher.
Diskussion über Integrations-Bambi
Doch ob Özil heute einen Integrations-Bambi bekommen würde, wie vor acht Jahren? Die Stellungnahme der Preisauslober klingt jedenfalls zurückhaltend. "Mesut Özil hat 2010 den Bambi erhalten, weil er aus Sicht der Jury damals ein besonders gelungenes Beispiel für Integration darstellte. Selbstverständlich wird die Vergabe des Bambi an Mesut Özil heute nicht in Frage gestellt", erklärte eine Sprecherin des Medienhauses Burda ("Bunte", "Focus") auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Tatsächlich hat sich die Wahrnehmung vom 29-jährigen Mittelfeldstar radikal gewandelt. Bereits nach seinem Auftritt mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan hatte er Kritik und Ablehnung hinnehmen müssen - von Pfiffen und Buhrufen im Stadion bis zu wüstem Rassismus aus den sozialen Medien.
Solidarität für Özil
Nach Özils Rassismusvorwürfen gegen den Deutschen Fußball-Bund (DFB) fallen die Urteile über den Gelsenkirchener jetzt noch heftiger aus - sowohl bei Kritikern als auch bei Özil-Verstehern. "Özil ist als deutscher Fußballer wegen Rassismus zurückgetreten und hat mit seiner Erklärung aus der Seele vieler Türkeistämmiger gesprochen", sagt Ayşe Demir, Vorstandssprecherin beim Türkischen Bund Berlin-Brandenburg.
Wurde Özil zu Unrecht als Integrationsfigur stilisiert? "Definitiv nicht", sagt Demir. "Wir benötigen solche Vorbilder." Und: "Auch viele, die gegen Erdogan sind, solidarisieren sich mit ihm."
Werbeträger für junge Zielgruppe
Der Spieler, dessen Marktwert das Portal Transfermarkt.de auf 45 Millionen Euro schätzt, qalt bisher als begehrter Werbeträger. Ob das in Zukunft so bleibt, müsse jedes Unternehmen, das ihn unter Vertrag hat, für sich entscheiden, sagt Peter Fritzen, Leiter des Bereichs Sports Marketing bei der Kommunikationsagentur fischerAppelt. "Aber sicher steht er angesichts seiner Spielart für Technik und für Perfektion. Und als Weltmeister spricht er auch eine junge Zielgruppe an."
Mediale Autarkie
Mit 71 Millionen Followern in sozialen Medien wie Twitter, Facebook und Instagram ist Özil ein globaler Star - was auch seiner Medienstrategie hilft. Er kann sich direkt an seine Fans wenden, auf die Medien als Sprachrohr ist er nicht angewiesen. Seine Erklärung verbreitete Özil in mehreren Teilen auf Englisch über Twitter - und erreichte damit das maximal mögliche Echo. Sportstars und ihre Berater wissen genau, welche Vorteile ihnen soziale Medien bringen: "Meine Message kommt an", sagt Kommunikationsexperte Fritzen mit Blick auf diese Strategie.
Rassismus Teil der Debatte
Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung sieht den Fall Özil auch als Ergebnis einer falsch laufenden Integrationsdebatte. "So zu tun, als sei Rassismus nicht im Spiel, ist verlogen", sagt Kahane. Für das Foto mit Erdogan trage Özil die Verantwortung. Ihn aber deswegen mit rassistischen Beschimpfungen zu überhäufen, sei viel schlimmer. "Jeder hat ein Recht auf Würde." Der Fall zeige, wie schwer es für Deutsch-Türken geworden sei, sich zu ihrer Identität zu bekennen. (mc/dpa)
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