• Weil der FC Bayern Dortmunds Erling Haaland dominiert und seine Chancen eiskalt nutzt, geht der erste Titel der Saison mal wieder nach München.
  • Trainer Julian Nagelsmann wirkt sichtlich befreit, aber auch beim BVB gibt es positive Erkenntnisse.
Eine Analyse

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Keinen einzigen Titel hatte Julian Nagelsmann als Trainer im professionellen Fußball bisher gewonnen. Und mit seiner neuen Mannschaft noch nicht einmal ein Spiel. Und weil das als Cheftrainer des FC Bayern natürlich kein Zustand sein kann, hat Nagelsmann die erstbeste Möglichkeit genutzt und diesen Malus gleich mal korrigiert. Die Social-Media-Abteilung des Klubs spendierte dafür ein etwas merkwürdiges Meme, das Nagelsmann in einem Kaminzimmer zeigt, bei gedämpftem Licht und er wohlig auf den Pokal blickt, der auf dem Kamin thront - und genug Platz lässt für noch mehr Trophäen.

Mit dem 3:1-Erfolg über Borussia Dortmund hat der neue Münchner Trainer nicht nur den deutschen Supercup eingefahren, sondern sich und seiner Mannschaft einige unschöne Diskussionen erspart. Eine Vorbereitungsphase mit fast nur Niederlagen und ein Bundesligaauftakt mit einem Remis gegen Mönchengladbach war nicht die beste Grundlage, um sich in einem Endspiel mit dem ewigen Rivalen zu messen und es gab schon ein paar Experten, die ein dickes Ausrufezeichen des BVB gegen die Bayern erwarteten.

Auch im Hinblick auf die noch junge Saison in der Liga hatten sich das wohl einige erhofft, um der Dauerdominanz der Bayern endlich mal wieder etwas entgegensetzen zu können. Und weil sich auch die Borussia einiges vorgenommen hatte, schien die Möglichkeit tatsächlich gegeben, den Bayern mal wieder einen Titel wegzuschnappen. Zumal der wichtigste Spieler beim BVB schon früh heiß gelaufen war.

Bayern verteidigt bärenstark

Viel wurde im Vorfeld über das Duell Erling Haaland mit Robert Lewandowski geschrieben. Der Norweger überragte in den ersten beiden Pflichtspielen im Pokal und in der Liga alles und jeden und schien in seiner erstaunlichen Frühform kaum zu stoppen. Der FC Bayern aber zeigte, wie auch Haalands Urgewalt eingebremst werden kann: Zumeist von Niklas Süle, einige Male auch von Dayot Upamecano, aber immer im Kollektiv. Die Bayern schnitten die Zufuhr an Zuspielen für Haaland so früh wie möglich ab, ihr sehr hohes, sehr aggressives Pressing bereitete Dortmund erhebliche Probleme.

"Ich finde, wir haben sehr gut verteidigt, vor allem in der ersten Halbzeit. Wir waren unglaublich aggressiv, hatten in der Anfangsphase viele gute, hohe Ballgewinne", sagte Nagelsmann nach dem Spiel bei "Sat1". Dabei hatten die Münchner die rechte Dortmunder Verteidigungsseite als wunden Punkt ausgemacht, wo Felix Passlack teilweise größte Mühe hatte im Spiel mit und gegen den Ball. Die ersten beiden Treffer fädelten die Bayern über ihre linke Angriffsseite ein. Bei den Gastgebern machten sich die größeren Personalprobleme ganz anders bemerkbar als bei den Bayern.

Dortmund verteidigte mit einer bunt zusammengewürfelten Viererkette und wurde für seine Nachlässigkeiten von den Bayern kühl bestraft - während auf der Gegenseite im Zweifel Manuel Neuer beste Möglichkeiten des Gegners parierte. So durfte Lewandowski seine imposante Bilanz gegen seinen Ex-Klub noch einmal ausbauen, der Pole steht jetzt bei 24 Toren in 24 Spielen gegen Dortmund. Zusammen mit dem VfL Wolfsburg ist der BVB damit Lewandowskis Lieblingsgegner.

Reus findet Haaland nicht

Und während die Bayern das sechste Spiel in Folge gegen Dortmund für sich entscheiden konnten, wartet Lewandowskis großer Widersacher Haaland seit seinem Wechsel nach Deutschland immer noch auf ein erstes Erfolgserlebnis gegen den Rekordmeister. Anders als noch vor wenigen Tagen gegen Frankfurt war Haaland fast abgemeldet. Bayerns Innenverteidiger erwischten den Angreifer oft genug entweder mit dem Rücken zum Tor und ließen Haaland nicht drehen oder aber blieben im perfekten Abstand, um auf Bälle hinter die Kette im Sprintduell den entscheidenden Vorsprung zu haben. Am Ende stand Haaland bei nur elf Prozent gewonnener Zweikämpfe.

"Niki und auch Upa waren unglaublich stabil in der Kette", so Nagelsmann. "Sie waren beide sehr konzentriert und hatten auch mit dem Ball gute Aktionen - wie ich gehofft hatte." Einen "Schritt nach vorne" attestierte der Trainer dem Duo, verschwieg dabei aber, dass der Schlüssel der bayerischen Strategie nicht nur in den direkten Duellen lag.

Haalands kongenialer Partner Marco Reus darf mittlerweile auf der Zehn ziemlich frei agieren, sich Bälle auch mal tief abholen und damit das Spiel noch dominanter gestalten. Und wenn Reus und Haaland sich finden, wenn sie Tempo entwickeln können mit kleinen Ablagen oder Doppelpässen, dann wird es sofort gefährlich für den Gegner. Nur: Reus und Haaland fanden sich nicht gegen die Bayern. Dortmunds Kapitän brachte nur ein einziges Zuspiel auf Haaland an, keinen anderen Dortmunder Feldspieler steuerte Reus seltener an.

Bayern kontert Dortmunds Emotionalität ganz kühl

Und trotzdem hatten die Gastgeber ihre Momente, gestaltete sich das Spiel lange Zeit auf Augenhöhe. "Wir hatten nicht das Gefühl, dass wir chancenlos waren. Ganz im Gegenteil", sagte Reus. Dortmund spielte mit viel Energie, sehr körperbetont und robust und in dieser personellen Konstellation fast am Limit. Mit der Rückkehr der verletzten Spieler ist es durchaus vorstellbar, dass diese Mannschaft die Bayern auch mal wieder schlagen kann. Aber für den Moment war am Ende mal wieder der Rekordmeister eine Spur besser.

Die große Dortmunder Emotionalität, befeuert von rund 40.000 Fans, konterten die Bayern in ihrer ganz eigenen Art: Nüchtern, gelassen, eiskalt und auch ein bisschen lässig. Nichts dokumentierte diesen Unterschied wie diese eine Sequenz unmittelbar nach dem Dortmunder Anschlusstreffer. Erling Haaland nutzte eine Verletzungspause und animierte das Dortmunder Publikum, fuchtelte wild mit den Armen und schaute noch eine Spur grimmiger drein als ohnehin schon an diesem Abend. Dahinter stand Leon Goretzka, der sich Haalands Zappeln eine ganze Weile anschaute und dann beschloss, einfach nur zu grinsen.

So sind sie eben, die Bayern: Wenn's drauf ankommt, zeigen sie fast immer die perfekte Mischung aus Ernsthaftigkeit und Lockerheit. Kein Wunder bei einer Mannschaft, die fast nur aus Routiniers und Champions-League-Siegern bestand. Während die Dortmunder neben dem 21-jährigen Haaland noch die beiden 18-jährigen Jude Bellingham und Gio Reyna ins Rennen schickten, sowie Youssoufa Moukoko, der noch nicht mal 17 ist.

Die besseren Einzelspieler der Bayern entschieden die Partie, und das ist auch eine Erkenntnis für Nagelsmann: Im Grunde kann er die Arbeit von Hansi Flick, der in seiner neuen Funktion als Bundestrainer von der Tribüne aus zuschaute, einfach fortführen. Die Bayern benötigen einen gewissen Feinschliff, aber keine große taktische Revolution. Dann kommen die Erfolge fast automatisch.

"Ich wünsche mir mehr Titel als nur einen. Ich habe ja auch so kleine Hamsterzähne. Das sieht man ja. Ich würde gerne ein Titel-Hamster sein. Jetzt habe ich einen", sagte Nagelsmann mit einem Augenzwinkern. "Ich muss mir dabei ein Vorbild nehmen an vielen Spielern von uns." Weil auf dem Kamin ja noch jede Menge Platz ist neben dem Supercup.

Verwendete Quellen:

  • kicker.de: Nagelsmanns Defensivplan geht auf
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