• Am 15. April startet bei Amazon Prime die Dokumentation "Schwarze Adler".
  • Als eine der Protagonistinnen spricht auch die ehemalige Bundestrainerin Steffi Jones im Film über ihre Erfahrungen als schwarze Fußballerin und Trainerin.
  • Im Interview mit unserer Redaktion erzählt Jones, was sie sich von dem Film erhofft, wie sie selbst mit Rassismus in der Gesellschaft umgeht und warum sie auf absehbare Zeit nicht zum DFB zurückkehren will.
Ein Interview

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Frau Jones, am 15. April startet "Schwarze Adler" bei Amazon. Welchen Effekt erhoffen Sie sich als eine der Protagonistinnen bei den Zuschauerinnen und Zuschauern?

Steffi Jones: Ich hoffe, dass er ganz, ganz viele Menschen erreicht. Das Ausgegrenztsein betrifft ja nicht nur uns Schwarze. Das kann aufgrund des Aussehens, der Herkunft, der Religion oder sexueller Orientierung sein, es gibt ja jegliche Form der Diskriminierung. Ich habe schon oft erlebt, dass man gerade mit erwachsenen Menschen nur schwer diskutieren kann, weil sie einfach eine festgefahrene Meinung haben. Bei Kindern und Jugendlichen finde ich eher mehr Offenheit und ich hoffe, dass der Film sie sensibilisiert und aufzeigen kann, wie schmerzlich Diskriminierung ist. Ich möchte dahin, dass die Menschen in ihren Köpfen eine andere Einstellung kriegen und verstehen, dass niemand das Recht hat, über andere zu werten oder sie auszugrenzen. Und ich hoffe, dass der Film das erreicht. Auch wenn ich nicht so naiv bin zu sagen, dass wir Diskriminierung immer ausschließen können, aber dieses Ziel verfolge ich.

Anm. d. Red.: In "Schwarze Adler" sprechen schwarze Fußballerinnen und Fußballer über ihre Erfahrungen in der deutschen Bundesliga und der Nationalmannschaft. Erwin Kostedde, Gerald Asamoah, Steffi Jones und andere schildern darin die Diskriminierung, mit der sie teilweise bis heute konfrontiert werden. Eine ausführliche Rezension des Films können Sie hier lesen.

An einigen Stellen des Films erwischen sich sicher manche Zuschauer und Zuschauerinnen bei dem Gedanken: "Ja krass, aber das waren halt die 1970er/80er/90er" – und dann ist man plötzlich in der Gegenwart und wird mit dem Gauland-Zitat zu Boateng konfrontiert und hört Affenlaute gegen Jordan Torunarigha von Hertha BSC. Sind wir in Deutschland wirklich schon so viel weitergekommen? Wie ist Ihr Gefühl?

Ich glaube, Rassismus wird uns immer begleiten. Aber es ist doch wichtig festzustellen, dass es immer mehr Menschen gibt, die sich gegen Rassismus einsetzen. Das ist das Positive, was ich wahrnehme. Ich hoffe, dass diejenigen, die von Diskriminierung und Rassismus betroffen sind, das nicht so an sich heranlassen, sondern mit Selbstbewusstsein darauf reagieren. Mir ist wichtig, dass die Menschen Rassismus nicht zulassen und Courage zeigen, wenn sie müssen. Und dass die direkt Betroffenen trotzdem sagen: "Ich bin aber stolz darauf, wer ich bin und du hast keine Chance, du kannst mir nicht wehtun." Wenn wir das schaffen, dann haben wir einen entscheidenden Meilenstein erreicht. Weil das realistisch ist und weil das jeder Mensch mit beeinflussen kann.

"Das tut wirklich weh"

Welche Rolle spielt Solidarität in Ihrem Leben – also beispielsweise von Teamkameradinnen? Und welche Rolle spielt Solidarität allgemein im Fußball?

Bei Solidarität komme ich immer auf den Fußball zu sprechen: Er war mein Auffangbecken und im Fußball spielt es keine Rolle, wie ich aussehe und wo ich herkomme. Meine Mitspielerinnen und Mitspieler haben sich für mich stark gemacht. Und wenn mich jemand mit Affenlauten angegriffen hat, dann haben sie sich für mich eingesetzt. Dass es tatsächlich Menschen gibt, die sich für mich einsetzen und für mich stark machen und sagen "Und jetzt gewinnen wir nur für dich", ist zum Beispiel ein schönes Gefühl. Dennoch ist es wirklich schwer für einen selber, wenn man angegriffen wird. Als Bundestrainerin wurde von einer Zeitung geschrieben: "Jones muss weg – aber nicht, weil sie schwarz ist oder lesbisch". Das sind diese Momente, in denen ich sage: Meinungsfreiheit schön und gut und wenn man mich aus sportlichen Gründen nicht mehr sehen will, ok - aber da greift man mich persönlich an. Und das tut wirklich weh. Auch dann, wenn sich alle für mich eingesetzt haben. Da kann mir auch keiner sagen: "Du musst da stärker werden!" Also ja, wenn sich Menschen für mich einsetzen, dann ist das ein ganz tolles Gefühl. Aber trotzdem wäre es mir lieber, wenn das nicht nötig wäre.

Anm. d. Red.: Steffi Jones war von 2016 bis 2018 Bundestrainerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Nachdem die Mannschaft den letzten Platz beim Shebelieves-Cup belegt hatte, entband sie der DFB von ihren Aufgaben. Jones sagte später in einem Interview mit dem "Spiegel", es sei die schwerste Zeit ihrer Karriere gewesen, "weil sie von Anfang an von Neid und Missgunst geprägt war".

Als schwarze Frau im Fußball kämpfen Sie gleich an mehreren Fronten für Gleichberechtigung. Kostet es nicht unheimlich viel Kraft, immer kämpfen zu müssen?

Ich weiß, dass sich viele Menschen nur dann in gewissen Dingen wiederfinden und sagen: "Ja, das stimmt", wenn sie jemanden kennen, der wirklich betroffen ist und der seine Geschichte erzählt. Ich mache das gerne, damit diese Menschen sehen: Hey, die Steffi hat so viele Erfolge, hat aber trotzdem auch Selbstzweifel oder hatte nicht immer dieses Selbstvertrauen. Und vielleicht macht das dem ein oder anderen Mut. Aber ich lasse mich nicht instrumentalisieren. Das ist mir wichtig. Meine Botschaften sind sehr persönlich. Ich möchte keine Frontfrau sein, die einfach als Mittel zum Zweck benutzt wird. Es muss wirklich um Dinge gehen, mit denen ich mich identifizieren kann, bei denen ich ehrlich und authentisch sein kann.

Trailer zu "Schwarze Adler": eine Dokumentation über Rassismus im deutschen Fußball

Der abendfüllende Dokumentarfilm SCHWARZE ADLER lässt Schwarze Spielerinnen und Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft ihre persönlichen Geschichten erzählen. Welchen Weg haben sie hinter sich, bevor sie dort ankamen, wo wir ihnen zujubeln? Welche Hürden mussten sie überwinden? Welchen Vorurteilen und Anfeindungen waren sie ausgesetzt – und wie war das früher, wie ist es heute?

"Auch hier wird viel diskriminiert, gemobbt"

Gibt es Momente, an die Sie sich erinnern können, in denen Menschen auf Sie zugekommen sind und gesagt haben: "Da haben Sie mich wirklich zum Nachdenken gebracht"?

In den Schulen, wenn ich vor und mit Kindern und Jugendlichen gesprochen habe, war das eigentlich immer so. Da haben sehr viele sehr emotional reagiert und waren dankbar. Die Vorstellung der Kinder ist ja häufig: Die ist berühmt, die hat viel Geld, ist ein Star und hat keine Probleme (lacht). Mir ist aber auch ganz wichtig, dass ich bei solchen Anlässen keinen Monolog halte, sondern dass die Kinder und Jugendlichen auch selbst von sich erzählen. Und Sie glauben gar nicht, was da kommt! Auch hier wird viel diskriminiert, gemobbt und so weiter. Es ist ein toller Austausch und ich habe das Gefühl, dass die Kinder und Jugendlichen erkennen, sie sind mit ihren Problemen nicht alleine. Und andere, die nicht betroffen sind, ertappen sich vielleicht zumindest selbst und erkennen: "Oh, ich bin auch einer derjenigen, die in einer Gruppendynamik andere hänseln". Die Arbeit in den Schulen habe ich vor allem während meiner aktiven Zeit gerne gemacht. Damals hatte ich noch besser Zeit, heute geht das leider nicht mehr so.

Sie selbst haben gesagt, Sie seien von den Erzählungen Ihrer Kollegen aus dem Männerfußball in "Schwarze Adler" erschüttert gewesen. Sind die Unterschiede in der Diskriminierung aufgrund Ihrer Hautfarbe im Männer- und Frauenfußball tatsächlich so groß? Macht da die schiere Masse den Unterschied?

Ich habe mich das selbst gefragt. Es ist schon krass, wenn man sich vorstellen muss, dass die Jungs das fast jede Woche erleben. Im Frauenfußball hat man ein anderes Publikum. Und soweit ich mich erinnern kann, war es wirklich nur zu meinen anfänglichen Zeiten so, dass Beschimpfungen herauszuhören waren. Bei 50 bis 150 Zuschauerinnen und Zuschauern, da hört man das eher, als wenn 1.000 oder 3.000 da sind. Und dann macht tatsächlich die Masse den Unterschied. Wenn ein ganzer Block in einem großen Stadion "Neger raus" schreit, dann hat das eine ganz andere Wirkung, als wenn das einzelne tun. Am schlimmsten fand ich, als Otto Addo sagte, er sei bei einem Auswärtsspiel aus dem Bus ausgestiegen und auch Kinder hätten ihn diskriminiert. Ich muss sagen, es ist für mich unvorstellbar, wie das ein Spieler so lange durchhalten kann, wenn er jede Woche angepöbelt wird. Ich weiß nicht, ob ich mich dem aussetzen wollte. Da sage ich wirklich: Respekt, dass die Jungs das durchziehen. Ich glaube aber auch, dass da der Teamgeist und der Fußball überwiegen und sie sagen: "Das lass ich mir nicht nehmen von euch Ignoranten."

Wie stehen Sie zu Kampagnen wie "Rot gegen Rassismus" oder ähnlichem? Wird damit struktureller Rassismus bekämpft oder ist das lediglich das Pflaster auf der Fleischwunde?

Ich finde das toll und wichtig, denn wenn jemand Botschaften transportieren kann, dann sind das Vereine, die eine große Strahlkraft haben. Es gibt tolle Projekte, die dauerhaft stattfinden. Das, was wir jetzt machen mit "Schwarze Adler" ist schön, um zusätzliche Aufmerksamkeit und Bewusstsein für das Thema zu schaffen. Aber es ist unabhängig davon wichtig, dass wir nachhaltig immer wieder darauf aufmerksam machen. Und ich bin auch wirklich dankbar, dass die Vereine und auch der Staat das machen.

"Der Fisch fängt immer am Kopf an zu stinken"

Rassismus und Diskriminierung betrifft nicht nur Spieler. Schwarze Trainer oder Trainerinnen gibt es - zumindest im europäischen Spitzenfußball - bislang eher selten. Raheem Sterling hat zumindest schon für die Premier League beklagt, dass es auch dort strukturellen Rassismus gibt und die Hürden für weiße Trainer deutlich niedriger sind. Ist das auch ein Problem, das die deutschen Ligen haben?

Das ist sehr schwierig zu beantworten, weil ich gar nicht weiß, wie viele schwarze Trainerinnen und Trainer die Fußballlehrerlizenz, also den Trainerschein, haben und damit Bundesligatrainer werden könnten. Grundsätzlich fängt der Fisch immer am Kopf an zu stinken, sagt meine Frau. Und in den Führungsetagen gibt es einfach immer noch Menschen, die mit Kuppeleien arbeiten: "Ich hol mal den, den kenn ich" und nicht den, der für den Job am geeignetsten ist. Oft ist auch Neid und Missgunst involviert. Da schaut jeder nach seinem eigenen Vorteil und es geht gar nicht darum, wer am besten auf die Stelle passt. Das ist ja auch beim Thema Frauen so: Es ist nachweislich so, dass Frauen in die Führungsetagen gehören, weil sie strategisch und empathisch zugleich sind. Ich habe keinen expliziten Nachweis, dass nur Schwarze aus diesen Führungsebenen ausgegrenzt werden, aber ich sage immer: Gebt doch einfach allen die Chance. Fachkompetenz ist unisex und hängt auch nicht von der Hautfarbe ab. Dann würde jeder, der die Kompetenzen mitbringt, auch seine Chancen bekommen und könnte Erfahrungen sammeln. Und man müsste nicht ständig auf das zurückgreifen, was schon seit 50 Jahren "gut" ist. Wenn Sie in die Kreise der Bundesliga schauen, dann finden Sie da immer nur die Trainer, die eh schon lange dabei sind, die dann noch einen Verein retten wollen und noch einen und noch einen ...

Anm. d. Red.: Aktuell gibt es einen schwarzen Cheftrainer im deutschen Profifußball: Daniel Thioune beim Hamburger SV. Bei Borussia Dortmund arbeitet Otto Addo als Co-Trainer unter Edin Terzic. Der Brasilianer Naldo ist Mitglied des Trainerstabs bei Schalke 04.

Nochmal zum Stichwort Trainerinnen: Sie haben schon vergangenen Sommer gefordert, dass der DFB für die Nachfolge von Jogi Löw auch eine Frau in Betracht ziehen sollte. Worin sehen Sie denn den Vorteil einer Bundestrainerin gegenüber einem männlichen Trainer?

In meiner damaligen Aussage ging es darum, dass man wieder einmal völlig selbstverständlich davon ausgegangen ist, dass der Bundestrainer ein Mann sein muss. Ich frage mich einfach, wo das herkommt, dass man wie selbstverständlich sagt, dass ein Mann eine Frauenmannschaft trainieren kann, aber nicht umgekehrt eine Frau eine Männermannschaft. Deshalb sollte es zumindest offengelassen werden – auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass man jetzt schon so weit ist, eine Frau zum Bundestrainer der Männer zu machen. Aber hier ist es ja tatsächlich so, dass Oliver Bierhoff, der für den sportlichen Bereich zuständig ist, immer nur von einem Mann spricht. Ich würde eigentlich erwarten, dass der DFB das offenlässt und nicht diskriminiert, sondern klar sagt: Wir suchen eine Bundestrainerin oder einen Bundestrainer. Wenn nicht einmal der große DFB das macht, aber dann sagt, wir wollen Frauen fördern, dann ist das doch ein Widerspruch in sich. Das ärgert mich. Denn das gibt uns Frauen kaum eine Chance.

"Ich würde den Fußball nie ausschließen"

Sie haben dem DFB schon längere Zeit den Rücken gekehrt, sind schon etwas raus aus dem Fußballgeschäft. Wie geht denn Ihre Reise jetzt weiter?

Ich hatte nach meiner Zeit als Bundestrainerin kein großes Interesse mehr daran, medial in Erscheinung zu treten, weil das erstmal sehr schmerzlich war. Der Geschäftspartner meiner Frau hat mich dann gefragt, ob ich ehrenamtlich als Co-Trainerin beim SSV Buer mitwirken möchte. Und da habe ich mir gesagt: "Komm, es kann nur besser werden als Trainerin" und habe zugesagt, denn ich liebe den Fußball und helfe gerne. Wir haben dann auch tatsächlich nach sieben Spielen den Nicht-Abstieg geschafft. Das war ein wirklich tolles Erfolgserlebnis. Back to the roots im Amateurfußball. Daraus habe ich sehr viel Kraft gezogen. Ich bin heute nicht mehr dort, aber dieses halbe Jahr war wirklich großartig. Als ich vom DFB freigestellt wurde, habe ich damals ganz klar gesagt: "Ich bin ein Mensch mit Prinzipien. Und der DFB, mit dieser Führungsebene, geht für mich nicht, ich will da raus." Dann habe ich einen Job gesucht, aber wie es immer so ist: Von den ganzen Leuten, die mir vorher in Erfolgszeiten auf die Schulter geklopft hatten, die ganzen tollen Wegbegleiter, kam nichts. Daher habe ich für mich einen zweiten Weg eingeschlagen und bin jetzt seit zwei Jahren die Leitung der Organisationsentwicklung in der mittelständischen IT-Firma meiner Frau. Hier kann ich meine langjährigen Erfahrungen 1:1 einbringen und das ist großartig.

Also haben Sie mit dem Fußball vorerst abgeschlossen?

Ich würde den Fußball nie ausschließen, aber die Fußballwelt ist einfach eine andere. Und gerade als Frau in einer Männerdomäne wie dieser ist es wirklich schwer. Wir haben großartige Trainerinnen wie etwa Inka Grings, die sich auch schon bei den Männern bewiesen hat und trotzdem keine Chance bekommt. Weil alle so verbohrt sind und alles für sich selbst in Anspruch nehmen. Aber diesen Kampf will ich gar nicht führen. Solange die selben Männer dort sitzen, werde ich nicht zurückkehren. Ich war immer so gefangen, meine Meinung nicht ganz äußern zu dürfen, weil ich in irgendeiner Funktion war. Heute, wo ich in keiner Funktion mehr stecke, ist das so befreiend. Früher war meine Meinung immer in einem bestimmten Rahmen gefangen und es ist so ein tolles Gefühl, jetzt endlich Dinge offen sagen zu können .

Das sind doch schöne Schlussworte.

Das beste Schlusswort sagt immer meine Frau: "Schatz, wenn ich dir jetzt zuhöre, dann haben deine Aussagen auch endlich Inhalt und Tiefe."

Vielen Dank für das Gespräch!

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