Nach dem Mega-TV-Deal der Premier League geht Bundesliga-Chef Christian Seifert in die Offensive und kündigt "notfalls unpopuläre Maßnahmen" an. Er fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit der Liga und schließt offenbar selbst eine Reform des Spielplans nicht aus. Das erwartet die deutschen Fußball-Fans.
Dieser Vorstoß der Deutschen Fußball Liga (DFL) verunsichert die Anhänger deutschlandweit. Drastisch sprach Bundesliga-Chef Christian Seifert im Interview mit der "Bild" über den Rückstand zur Premier League. Sein Anlass: Englands Eliteklasse verkündete stolz, ab der Saison 2016/2017 für drei Jahre fantastische 9,5 Milliarden Euro aus Medienrechten zu verdienen. Bei der Bundesliga waren es zuletzt in vier Jahren "nur" 2,5 Milliarden.
"Wir befinden uns in einem Verdrängungswettbewerb der Ligen. Von daher benötigen wir eine ehrliche Diskussion: Sind wir mit Blick auf den neuen TV-Vertrag bereit, notfalls auch unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen", meinte der 45-Jährige. Seifert ist alarmiert. Er sieht die Premier League "in einer anderen Dimension" und fürchtet um die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga. Doch welche Maßnahmen meint der Liga-Boss konkret?
Wahnsinnige Summen von Sponsoren und Werbepartnern
Die Kommerzialisierung hierzulande würde in eine nie dagewesene Größenordnung gehievt. Die übertragenden Sender müssten schließlich die Milliarden, die an die DFL gehen, wieder reinholen. Die Bundesliga wiederum müsste Gegenleistungen erbringen. Im US-Sport ist es zum Beispiel üblich, dass das Showprogramm und das Drumherum ebenso gigantisch sind wie das eigentliche Event. Ähnliche Verhältnisse dürften Sozialromantikern zu denken geben.
Explodierende Gehälter und Ablösen
Das gilt nicht minder mit Blick auf Profigehälter und Transfers. Nicht selten hinterlassen exorbitante Summen für überschaubar begabte Spieler gerade in England den Eindruck, dass jede Sensibilität verloren gegangen ist. 193,6 Millionen gab alleine Manchester United in dieser Saison für neue Spieler aus. Unter anderem überwies der Klub satte 75 Millionen Euro für Angel di Maria an Real Madrid. Die Transferbilanz weist ein Minus von 145,45 Millionen aus. Dabei lasten dem Vernehmen nach Schulden in Höhe von 465 Millionen Euro auf United. Mit gesundem Wirtschaften hat das schon lange nichts mehr zu tun.
Topspiele Montagabend um neun
Für bessere Vermarktungschancen wird sich die Bundesliga international diktierten Bedürfnissen anpassen müssen. In der Premier League wird zum Beispiel auch über Weihnachten und Neujahr gespielt. Der "Boxing Day" am zweiten Weihnachtsfeiertag ist legendär und prädestiniert für Top-Einschaltquoten. Gerne wird auch samstags um 13.45 Uhr, sonntags drei oder vier Mal im Zwei-Stunden-Rhythmus und ohnehin permanent unter der Woche gespielt. Spaniens Primera Division steht dem kaum nach. Stets wird hier ein Spiel auf Montagabend um viertel vor Neun terminiert. Die bei Fans beliebte Samstagskonferenz wäre kaum noch vertretbar.
Das wäre dann wohl das Ende der Sportschau
Dabei ist die "Sportschau" in der ARD Kult. Dasselbe gilt für das "Aktuelle Sportstudio" im ZDF. Doch die öffentlich-rechtlichen Sender sind gegenüber allen GEZ-Kunden verantwortlich. Milliarden mehr auszugeben, ließe sich kaum verkaufen. Dem Fan blieben zwei Optionen: Entweder sich einen Receiver eines Pay-TV-Senders kaufen oder ab in die Fankneipe. Beides macht sich auf jeden Fall im Geldbeutel bemerkbar. In England hat es sich durchgesetzt. Geschätzt 6,9 Milliarden Euro nimmt die Premier League aus dem heimischen Markt ein.
Kommt das Ende der "50+1"-Regel
Der Antrieb ist größer, immer mehr Geld zu haben als Bedenken gegenüber fragwürdigen Finanzierungsmodellen. Oligarchen halten sich Fußball-Klubs zur persönlichen Reputation. In Deutschland geht das nicht. Die "50+1"-Regel soll den Einfluss von Investoren auf das operative Geschäft beschränken. Ob Seifert mit "unpopulären Maßnahmen" auch diese Regel meint, ist spekulativ.
Sicher ist jedoch, dass es aus der Liga Bestrebungen gibt, die stringenten Regularien aufzulockern. Der VfL Wolfsburg und sein Manager Klaus Allofs sprachen diesen heiklen Punkt offensiv an. 1899 Hoffenheim mit Dietmar Hopp und SAP, Leverkusen mit dem Bayer-Konzern, und Wolfsburg mit VW - die Kräfteverhältnisse würden sich neu verschieben. Und ein offener Konflikt mit Verfechtern der Regel, zum Beispiel BVB-Boss Hans-Joachim Watzke, wäre unvermeidbar.
Es sind Szenarien, die bedenklich stimmen. Doch die Gefahr ist zu groß, den Anschluss zu verlieren. "Auf die sportliche Wertigkeit der Liga kommt es dabei kaum noch an", sagte Seifert und bekräftigte seine Entschlossenheit, "weiter die besten Spieler der Welt in der Bundesliga zu halten". Die Fans müssen sich auf bemerkenswerte Veränderungen gefasst machen. So viel ist wohl sicher.
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