Wieso gibt es eine WM? Es hat mit dem Olympischen Fußballturnier, Uruguay und bezahltem Fußball zu tun. Seit 1896 gibt es die Olympischen Spiele der Neuzeit, seit 1908 mit Fußballturnier. Warum noch eine WM? Nun, Olympia war Anfang des 20. Jahrhunderts ein vor allem europäisches Turnier. Und das nicht, weil außerhalb Europas kein Sport getrieben wurde – das Gegenteil war der Fall!

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Petra Tabarelli (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ein Jahr nach der Gründung eines internationalen Fußballverbandes außerhalb Großbritanniens erzählte der damalige Fifa-Vizepräsident Carl Anton Wilhelm Hirschmann von einer besonderen Idee: einem gemeinsamen, internationalen Turnier mit Auswahlteams der mittlerweile zwölf Mitgliedsverbände. Doch er war ziemlich alleine mit seiner Begeisterung. Und ganz neu war die Idee nicht, denn auch "Kicker"-Gründer Walther Bensemann wollte bereits 1899 ein ähnliches Turnier etablieren, doch die "Ur-Länderspiele" fanden nur einmalig statt.

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Uruguay – magnífico oder geldgierig?

Der Erfolg war zufriedenstellend bis gut, einen wirklichen Begeisterungssturm brachte aber erst das olympische Fußballturnier 1924 in Paris. Organisiert wurde es von der Fifa, die damals in Paris ihren Hauptsitz hatte. Unter den 22 teilnehmenden Nationen war mit Uruguay auch erstmals ein südamerikanisches Land.

Aber eine Fahrt von Uruguay nach Frankreich dauerte mehrere Wochen und sie kostete sehr viel Geld. Ein wohlhabender Arzt finanzierte das Abenteuer.

Das uruguayische Team wurde von den überheblichen Europäern zunächst belächelt – konnte am Ende aber selbst lächeln, denn es gewann mit 20:2 Toren in fünf Spielen die Goldmedaille. Zufall? Nein.

Was in Südamerika anders war: Hier gab es früher professionellen Fußball, samt eigenen Ligen. Die Copa America fand erstmals 1910 statt, damals unter dem Namen Campeonato Sudamericano. (Zum Vergleich: Die erste Europameisterschaft gab es 1960.)

Nach dem WM-Erfolg wechselte die europäische Meinung gegenüber dem uruguayischen Fußball. Man belächelte die Spieler nicht mehr, sondern sah in ihnen geldgierige Menschen: "Wie unfair! Die spielen gegen Geld! Ist doch klar, dass sie dann gewinnen." Ihr Benehmen empfand man als Brüskierung gegenüber dem olympischen Gedanken. Fortan sollten sie daher von den Spielen ausgeschlossen werden.

Aber nicht alle Europäer dachten so, unter anderem Jules Rimet, der damalige Präsident der Fifa.

Ein Fußballwettbewerb für Amateur- und Profifußballer

Neben Rimet war der damalige Fifa-Generalsekretär Ivo Schricker aus Karlsruhe eine der treibenden Kräfte pro WM und Globalisierung. Schricker war Jurist und wie Rimet und Bensemann ein Kosmopolit. Sport, insbesondere Fußball, war für sie ein ideales Mittel für Völkerverständigung und gegen Nationalismus (der damals üblicherweise mit "politisch" umschrieben wurde).

Bei der WM sollte im Verständnis der damaligen Fifa ein Kaleidoskop der Verschiedenheit existieren. Ein Schmelztiegel der Völkerverständigung. Kein anmaßendes Aufnötigen einer restriktiven Kultur und Ideologie, die den ursprünglichen WM-Geist ad absurdum führt.

Pläne werden geschmiedet

Bereits 1924 schmiedete Rimet mit dem uruguayische Mäzen Enrique Buero Pläne für ein reines Fußball-Welt-Turnier, das er 1928 der Fifa vorlegte und das 1930 dann als erste Weltmeisterschaft stattfand. Den Pokal stiftete er. Der Coupe Jules Rimet ist allerdings seit 1983 verschollen.

Neben Präsident Rimet unterstützte nun auch der Generalsekretär des französischen Fußballverbandes, Henri Delaunay, das Turnier: "Der internationale Fußball kann nicht länger innerhalb der Beschränkung der Olympischen Spiele existieren; viele Länder, in denen der Professionalismus nun anerkannt und organisiert ist, können nicht länger durch ihre besten Spieler repräsentiert werden."

Die Idee: "Ein eigenständiges Fußball-Weltturnier sollte nun Profis und Amateure vereinen und einen Vergleich zwischen den tatsächlich stärksten Mannschaften ermöglichen." "Die Turniere von 1924 und 1928 dokumentierten die Möglichkeit einer eigenständigen Fußball-Weltmeisterschaft."

Ebenfalls 1928 wurde das Logo der Fifa angepasst und zeigte ab diesem Zeitpunkt (bis 1990) nicht nur die europäische Seite, sondern beide Seiten der Weltkugel. Die Fifa sollte zu einer globalen Organisation für den Fußball entwickelt werden.

Die erste Fußball-WM 1930 in Uruguay

Uruguay bekam den Zuschlag, weil es die Fifa mit mehr Geld unterstützen konnte als andere Nationen. Und Geld brauchte der Weltverband zu dieser Zeit, war er wegen Spekulationen des nun Fifa-Generalsekretärs Hirschmann quasi pleite. Für ihn übernahm Bankier und Fußballpionier Ivo Schricker das Ruder.

Es konnten nur 13 Länder teilnehmen. Nicht nur die weite, kostspielige und mehrere Tage dauernde Schiffsreise war hierfür der Grund. Die meisten Spieler – egal, ob Amateurspieler oder scheinbare Amateurspieler – konnten nicht mehrere Wochen von ihrem Hauptjob fernbleiben.

Dietrich Schulze-Marmeling schrieb in seinem Beitrag "Die Geschichte der Fifa-Weltmeisterschaft": "Die Idee international organisierter Kräftevergleiche hatte sich durchgesetzt, wenngleich unter etwas anderen Vorzeichen, als von den internationalistisch gesonnenen Fifa-Pionieren ursprünglich gedacht", denn "[d]as Turnier stärkte den sportlichen Nationalismus, was die Attraktivität des Wettbewerbs erhöhte."

Und so nahm die Geschichte der WM ihren Lauf.

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