Das Auftaktspiel der deutschen Handballer ist lange eine Zitterpartie. Doch vor allem auf Renars Uscins war gegen unangenehme Polen Verlass. Möglicherweise muss er aber einen noch größeren Teil der Hoffnungen schultern.
Als das Spiel entschieden war, geriet Johannes Bitter ins Schwärmen. Der Weltmeister von 2007 machte keinen Hehl daraus, wie begeistert er von Renars Uscins ist. "Der wird nie müde. Wie ein Duracell-Männchen. Er macht und macht und macht", sagte der ARD-Experte, der dann auch noch ein "Weltklasse" hinterherschob. Dass Uscins wenig später bei einem Gegenstoß leichtfertig verwarf, sah Bitter dann pragmatisch. "Es muss ja auch etwas zum Analysieren geben."
Nach dem 35:28 gegen Polen zum Start der Handball-WM gibt es tatsächlich einiges, das nochmal detailliert besprochen werden muss. Und Shootingstar Uscins stand an diesem Mittwochabend in Herning stellvertretend für diesen zunächst etwas kompliziert anmutenden Auftakt, der dann aber doch ein Happy End in Form eines souveränen Sieges brachte.
Uscins als Versprechen für die Zukunft
Uscins verkörpert bei der Auswahl des Deutschen Handball-Bundes (DHB) sowieso die Hoffnungen auf eine goldene Zukunft im sogenannten "Jahrzehnt des Handballs" mit unter anderem der Heim-WM 2027, denn der 22-Jährige ist nicht nur ein Versprechen, sondern schon jetzt Anführer und Leistungsträger. Einer, der den Unterschied machen kann. Machen soll. Und der mit seinem Tempo, seinem Blick für den Mitspieler und dem normalerweise präzisen Abschluss der X-Faktor ist.
Wie wichtig Uscins für das deutsche Spiel ist, zeigte die erste Halbzeit, in der auch er gegen unangenehme Polen nur schwer ins Spiel fand. Auch ihm fehlte der Schuss Leichtigkeit, die der gesamten Mannschaft abging, wie auch der Zugriff in der Abwehr. Sie war zu löchrig, die Polen waren schneller im Eins-gegen-Eins, hinzu kamen deutsche Probleme im Rückraum.
Dauer-Manko mangelhafte Chancenverwertung
Und dann war da wieder diese mangelhafte Chancenauswertung. Es ist beeindruckend, in welcher unschönen Regelmäßigkeit das deutsche Team es schafft, den gegnerischen Torhüter erst warm und dann zu einer Top-Leistung zu werfen. Die eigenen leichten Tore gelangen nicht, es mangelte an Konzentration und Präzision in den offensiven Aktionen. Es war wenig Tempo drin, stattdessen zu viel Hektik.
"Ich glaube, wir wollten zeigen, dass ganz viel Silber in uns steckt", sagte Uscins in der ARD und spielte auf die Olympia-Medaille an, mit der sich die Deutschen 2024 endgültig in Tuchfühlung zur Weltspitze gebracht haben. Doch das war an diesem Abend "der Fehler", so Uscins: "Das war qualitativ im Endeffekt nicht das, was man sich vorstellt. Ein klassisches Auftaktspiel, gefühlt mit unnötig Unsicherheit."
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Auch bei ihm. Mit zehn Treffern war er am Ende zwar der beste Torschütze, allerdings leistete er sich auch sieben Fehlwürfe, vor allem in der ersten Halbzeit; sieben seiner zehn Tore gelangen ihm in der zweiten Hälfte. Da zeigte er, was es für Auswirkungen hat, wenn er aufdreht, wie wichtig er dann für die Statik des deutschen Spiels ist, für das große Ganze. Wie er mitreißen und antreiben kann.
"Dann gibt es einen um die Ohren"
Renars Uscins, Nationalspieler
Das weiß auch Bundestrainer Alfred Gislason, der ihm nach den frustrierenden Fehlwürfen deshalb lapidar mit auf den Weg gab, einfach weiterzumachen. "Wenn man schlechte Chancen verwirft, gibt es einen um die Ohren. Aber wenn ich mein Spiel betrachte, weiß ich nicht, was ich hätte anders machen können. Das sind genau die Chancen, die ich auch möchte", sagte Uscins.
Und da im Handball der Kopf eine große Rolle spielt, war es wichtig, dass Uscins unbeirrt weitermachte. Denn hinten raus funktionierte es auch bei ihm, als er nicht nur Bitter und die deutschen Fans in der Halle begeisterte, sondern auch mit dafür sorgte, dass der Sieg souveräner aussah als er es letztendlich war.
Im zweiten Spiel gegen die Schweiz am Freitag müsse man sich an die letzten 15, 20 Minuten halten, "die uns die Leichtigkeit gegeben haben", so Uscins: "Wir müssen das positive Gefühl und das Selbstvertrauen mitnehmen. Wir dürfen uns nicht blenden lassen von den Fehlwürfen. Es war ein echt schwieriger Start ins Turnier, wir werden gegen die Schweiz unsere Lehren daraus ziehen."
Sorgen um Juri Knorr
Gleichzeitig hofft das Team darauf, dass die Verletzung von Spielmacher Juri Knorr nichts Schlimmeres ist. Knorr hatte sich in der 40. Minute am Knie verletzt, nachdem er auf dem Hallenboden weggerutscht war. Knorr sei "extrem wichtig" für die deutsche Mannschaft, sagte Uscins, "für unsere Spielsteuerung. Und da hoffe ich, dass er sich in den nächsten ein, zwei Tagen wieder erholen kann".
Ansonsten muss eben Uscins einen noch größeren Teil der deutschen Hoffnungen schultern. Wie gut, dass der 22-Jährige ein Duracell-Männchen ist. Und macht und macht und macht.
Verwendete Quelle
- TV-Übertragung ARD
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