Dirk Nowitzkis Karriere gleicht einem Märchen. Der Würzburger, der auszog, die Basketball-Welt in den USA zu erobern, ist für viele schon jetzt eine Sportlegende. Eine jetzt erschienene Biographie beleuchtet auch eine bislang eher unbekannten Seite des Deutschen.

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Die Karriere von Dirk Nowitzki ist die eines Weltstars. Eines deutschen Weltstars, der, weil er vielleicht kein Fußballer war, in der Heimat erst nach und nach die Anerkennung der breiten Öffentlichkeit erhielt. Nowitzki ist aber auch einer, der nahezu nie mit Negativschlagzeilen konfrontiert wird. Er war ein (fast) skandalfreier Musterprofi.

Dieses Bild zeichnet auch das neue Buch "The Great Nowitzki: Das außergewöhnliche Leben des großen deutschen Sportlers" (Kiepenheuer & Witsch, 510 Seiten) von Autor Thomas Pletzinger, das nun, nachdem der NBA-Star vor ein paar Monaten seine Karriere beendet hat, erschienen ist. Pletzinger hat über viele Jahre immer wieder Zugang zu Nowitzki erhalten und berichtet voller Wohlwollen, fast schon Ehrfurcht, über ihn. Minutiös zeichnet er wichtige Schlüsselmomente in den NBA-Playoffs oder bei Turnieren der deutschen Nationalmannschaft nach - ein Genuss für Liebhaber des Basketballs.

Doch das Buch gibt auch einen Einblick in die Anfangsjahre von Nowitzki. Der schon im Jugendalter hochgewachsene, aber gleichzeitig hagere Franke war natürlich nicht immer der selbstsichere Star von heute. "Es ist unglaublich, wie dünn ich damals war", erinnert er sich. Mitschüler nannten ihn "Skeletor", in Anlehnung an den blauen "Masters of the Universe"-Bösewicht in Gestalt des Todes.

Dadurch hatte er auch mit Komplexen zu kämpfen. Seine "Knochigkeit, die sichtbaren Rippen, das Stelzige und Unproportionierte seines Körpers", so Pletzinger, machten ihm richtig zu schaffen. Andere gingen im Sommer ins Freibad, er zog das T-Shirt nicht aus und warf lieber im heimischen Hof auf den Basketballkorb. Dass er auf dem Platz hochtalentiert war, wusste bei Nowitzkis Verein, der DJK Würzburg, jeder. Aber an eine Karriere in der US-Profiliga NBA auf der anderen Seite des Atlantiks glaubte niemand.

Das "System Nowitzki"

Nur Holger Geschwindner, der exzentrische Basketballtrainer, sah in Notwitzki sofort ein ganz besonderes Talent - und wurde zu dessen persönlichem Coach. "Hast du jemanden, der dir das Handwerkszeug beibringt", soll Geschwindner Nowitzki bei der ersten Begegnung gefragt haben. Rasch wird aus den beiden ein eingeschworenes Duo, Nowitzki für Geschwindner eine Art Lebenswerk. Als Nowitzki bei der Herrenmannschaft Würzburgs in der 2. Bundesliga spielte, war Geschwindner darauf bedacht, seinen Schützling zu betreuen und nicht unbedingt das gesamte Team nach vorn zu bringen.

Das ging so weit, dass die beiden im Frühjahr 1998 ein wichtiges Aufstiegsspiel sausen ließen und stattdessen ins texanische San Antonio flogen. Beim dortigen Nike Hoop Summit stellte Nowitzki neben anderen Jugendspielern sein Können gegen die Nachwuchsnationalmannschaft der USA unter Beweis und spielte sich ins Notizbuch der Dallas Mavericks, die ihn beim anschließenden NBA Draft zu sich holten. Der Rest ist Geschichte.

Pletzingers Buch konzentriert sich nicht nur auf die Person und den Spieler Nowitzki, sondern auf das "System Nowitzki", wie er es nennt. Er und Geschwindner bauten einen regelrechten Stab um Nowitzki herum auf, der ihn in allen Bereichen förderte. Geschwindner selbst war dabei immer eine Art Stabsleiter, aber auch Zweitvater und Mentor. Und er war eben ein freigeistiger Basketball-Connaisseur, der eigene Trainingspläne aufbaute, von denen auch enge Freunde Nowitzkis profitierten – in Deutschland erst die Würzburger Leistungsträger Robert Garrett und Demond Greene, in Dallas später die beiden Starspieler Steve Nash und Michael Finley.

Querkopf Geschwindner

Dem Basketballexperten Pletzinger merkt der Leser an, wie sehr ihn das Duo Nowitzki-Geschwindner fasziniert, wie er sich fast schon in die beiden verliebt. Nowitzki und Geschwindner sind grundverschieden. Auf der einen Seite der brave, schüchterne Spieler und auf der anderen Seite der querköpfige, streitlustige Trainer. Er wollte, "dass seine Jungs aus sich selbst heraus spielen und gewinnen wollen", schreibt Pletzinger über Geschwindner. "Disziplinarmaßnahmen sind ihm fremd, alles muss spielerischen Sinn ergeben."

Schon als Spieler - Geschwindner war ein talentierter und unkonventioneller Allrounder - eckte er ständig bei Trainern und Funktionären an. Mit 30 beendete er bereits seine Nationalmannschaftskarriere und unternahm später viele Abenteuerreisen in der ganzen Welt. Nach der Entdeckung Nowitzkis blieb er auch in den USA an der Seite seines Schützlings. Immer wieder tauchte Geschwindner gerade in den Anfangsjahren direkt hinter der Trainerbank auf und rief Anweisungen an Nowitzki rein - gerne auch zum Missfallen der eigentlichen Cheftrainer. Aber an Autoritäten glaubte Geschwindner nie.

Ein (fast) skandalfreier Star

Die eine dunkle Seite des Nowitzki-Mentors - nämlich das Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung in Millionen-Höhe Mitte der 2000er - handelt Pletzinger in wenigen Absätzen ab. Über Nowitzki selbst gab und gibt es kaum etwas Skandalträchtiges zu erzählen. Einzig, dass er einst einer Betrügerin aufgesessen ist, die ihn sogar heiraten wollte, wirft einen kleinen Schatten.

Umso faszinierender, dass der große Macher im Hintergrund ein derart unkonventioneller Charakter war. Da überrascht es nicht, dass eben dieser Charakter in Pletzingers Buch, das auch Nowitzki bereits in den Sozialen Medien beworben hat, eine Hauptrolle einnimmt.

Man könnte Pletzinger zuweilen mangelnde Distanz zu den Protagonisten vorwerfen. Allerdings ist Nowitzki wohl eine jener Ausnahmen im öffentlichen Leben, über die es schlichtweg nichts wirklich Negatives zu erzählen gibt.

Verwendete Quellen:

  • Bericht zum IV. Nike Hoop Summit 1998
  • Bericht zur Verurteilung Geschwindners 2006
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