Russland erwartet für die dreiste Manipulation von Dopingdaten aus dem Moskauer Labor harte Sanktionen, aber nicht die Höchststrafe: Das Land muss wohl keinen kompletten Olympia-Ausschluss mehr fürchten. Dafür erwarten Russland vier Jahre, in denen es als Veranstalter von der Sportlandkarte gestrichen sein wird und die Athleten weder bei einer WM, EM oder den Olympischen Spielen 2020 in Tokio und 2022 in Peking unter der russischen Fahne starten dürfen.
Die Sportwelt hat auf diese Empfehlungen der unabhängigen Prüfkommission (CRC) der Welt-Anti-Doping-Agentur mit Ablehnung und Zustimmung reagiert. Für Dagmar Freitag, Sportausschussvorsitzende im Bundestag, zeigen die Empfehlungen für Sanktionen "eine erhebliche Schärfe". Folgen könnten die Empfehlungen auch für die Fußball-EM 2020 und die Spiele in St. Petersburg haben, die dann eigentlich nicht dort stattfinden dürften. "Die UEFA gibt zum jetzigen Zeitpunkt keine Kommentare ab", teilte der europäische Verband mit.
Endgültige Entscheidung fällt Anfang Dezember
Endgültig über Sanktionen entscheiden wird anhand der Vorschläge erst das WADA-Exekutivkomitee am 9. Dezember in Paris. "Mit anderen Worten: Die Messen sind noch nicht gesungen", sagte SPD-Politikerin Freitag am Dienstag (26.11.) der dpa. "Die Sportwelt steht an einem Scheideweg. Denn es geht jetzt darum, die WADA und ihre Gremien als unabhängige Experten ohne Wenn und Aber glaubwürdig zu machen."
Max Hartung, Vorsitzender des Vereins Athleten Deutschland, weiß fünf Jahre nach Aufdeckung des Staatsdopings in Russland nicht mehr wirklich, was richtig oder falsch sei. "Es wäre zu wünschen, wenn dies der Schlusspunkt sein würde", sagte der Weltklassefechter.
"Gefühlt ist es eine unendliche Geschichte, bei der man kein Gefühl mehr hat, was fair ist oder nicht." Es sei aber nicht richtig, wenn man etwas im Fall Russland entscheide, was "politisch opportun" sei. Es müsse klare Regeln und Konsequenzen für Verstöße geben.
Russland wehrt sich gegen Vorwürfe
Falls die WADA den Empfehlungen folgt und die vorgeschlagenen Sanktionen verhängt, hat die vor einer erneuten Sperre stehende russische Anti-Doping-Agentur RUSADA 21 Tage Zeit, die Entscheidung zu akzeptieren. Ansonsten wird der Fall dem Internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne übergeben, teilte die WADA mit.
Unterdessen wehrt sich Russland dagegen, an den Pranger gestellt zu werden. "Manche möchten Russland in eine Verteidigungshaltung und Lage eines Beschuldigten drängen - in allem und überall", sagte Außenminister Sergej Lawrow der Agentur Interfax zufolge.
Es könne nicht sein, dass Russland immer schuld sei und gegen alles verstoße, "und alle anderen nach den Regeln leben, die sie selbst aufgeschrieben haben". Er forderte einen ehrlichen Dialog auf Augenhöhe.
Auffällige Testbefunde wurden entfernt
Kein Wort sagte er über die Daten aus dem Labor in Moskau, die "weder komplett noch vollständig authentisch" waren, so die WADA. Hunderte von auffälligen Testbefunden seien ebenso entfernt worden wie eine Vielzahl von PDF-Dateien. Einige Daten sollen erst Ende 2018 beseitigt worden sein, bevor sie den WADA-Experten Anfang des Jahres übergeben wurden. Zum Vergleich hatte die WADA eine Kopie der Moskauer Dateien, die ihr im November 2017 von einem Whistleblower zugespielt wurden.
Auf das Schärfste verurteilt das Internationale Olympische Komitee die Daten-Fälschung. "Diese offensichtliche Manipulation ist ein Angriff auf die Glaubwürdigkeit des Sports selbst und eine Beleidigung für die weltweite Sportbewegung", heißt es am Dienstag in einer Stellungnahme. "Das IOC wird die härtesten Sanktionen gegen alle Verantwortlichen dieser Manipulation unterstützen."
Zu den Empfehlungen der Prüfkommission erklärte das IOC, dass Sanktionen "den Regeln der natürlichen Gerechtigkeit folgen und die Menschenrechte achten" sollten. Die Schuldigen sollten "wegen der Schwere dieses Verstoßes auf die härteste Art und Weise bestraft werden". Die WADA solle alle Akten im Fall Russland an den Europarat und die UNESCO weiterleiten. "Am Ende dieses Prozesses hoffen wir, dass endlich Gerechtigkeit herrscht und es vollständige und angemessene Sanktionen geben wird", heißt es in der IOC-Mitteilung. (sus/dpa) © dpa
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